Liebe Leser:innen,
in einer meiner frühen Fahrstunden war ich mit meinem Fahrlehrer auf der Landstraße unterwegs. Vor uns lag ein Bahnübergang, die Schranke war geschlossen, man sah den Zug vorbeifahren. In meinem Kopf dachte ich über die richtige Reihenfolge nach: bremsen, runterschalten, anhalten und – oh, Schreck! – wieder anfahren.
Doch längst öffnete sich die Schranke wieder, die Autos starteten und ich konnte ganz normal weiterfahren. „Siehst du, Anna“, sagte er. „Wenn du langsam genug an ein Problem ranfährst, ist es manchmal weg, bis du angekommen bist.“ Seit mehr als 15 Jahren kommt mir diese unfreiwillige Lebensweisheit immer wieder in den Sinn.
Manchmal hat er schon recht, mein damaliger Fahrlehrer. Da hilft es, nicht in kopflosen Aktionismus zu verfallen. Vor allem, wenn sich die Umstände sowieso bald ändern. Aber manchmal eben auch nicht. Vor allem kann man nicht mitten auf der Landstraße anhalten und stehenbleiben, denn dann wird man selbst zum Hindernis. Genau das tut offenbar die Bundesregierung bei ihren Plänen zum Transparenzgesetz. Mein Kollege Ingo hat diese Woche einen Entwurf zu einem neuen Aktionsplan für eine offenere und transparentere Regierung kommentiert.
Da verschiebt die Bundesregierung ganz nonchalant ihren Zeitplan für ein Transparenzgesetz aufs hintere Ende der Legislaturperiode. Dabei waren die Ziele schon mal weit ambitionierter. Für dieses Jahr stand das Vorhaben auf der Liste des Innenministeriums. Und ein Transparenzgesetz ist längst überfällig, die Zivilgesellschaft hat sogar einen eigenen Vorschlag vorgelegt.
Das Gesetz würde Interessierte nicht mehr zu Bittsteller:innen machen, wenn sie Informationen über staatliches Handeln suchen. Es würde stattdessen Behörden, Ministerien und Co. in die Pflicht nehmen, aktiv Daten zu veröffentlichen. Das begeistert nicht nur Fans der Informationsfreiheit. Auch Behörden könnten davon profitieren, indem sie Dokumente anderer Behörden einfacher finden. Eine Win-Win-Situation.
Aber was macht das Innenministerium? Es hält bereits vor dem Bahnübergang an, obwohl das Warnlicht nicht mal blinkt und weit und breit kein Zug in Sicht ist. Dabei wäre es jetzt wichtig, einen Gang hochzuschalten.
Ein beschwingtes Wochenende wünscht euch
anna