Liebe Leser*innen,
mein Thema der Woche sind Umzüge, und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Erst einmal müssen wir selbst umziehen. Unsere Büros an der Schönhauser Allee sollen wir bis Ende des Jahres verlassen. Also haben wir die öffentliche Suche nach einer neuen Bleibe in Berlin gestartet. Mindestens 12 Arbeitsplätze suchen wir, mit Konferenzraum, Technik-/Abstellraum und Kaffeemach-Möglichkeit. Von wo aus werden wir in Zukunft für digitale Grund- und Freiheitsrechte kämpfen? Wir sind dankbar für jeden Tipp an kontakt@netzpolitik.org und bedanken uns für all die lieben Hinweise, die uns schon erreicht haben.
Eine neue Bleibe suchen auch zahlreiche Twitter-Nutzer*innen, mal wieder. In dieser Woche ist die von Elon Musk ramponierte Plattform noch ungastlicher geworden. Plötzlich verschwanden alle Tweets hinter einer Login-Seite. Das heißt, ohne Account ließ sich nichts mehr lesen. Und selbst wer sich einloggte, wurde ausgebremst. Nutzer*innen ohne Premium-Account durften nicht mehr als 600 Tweets pro Tag sehen. Das ist lächerlich wenig. Möglicherweise ist das nur temporär. Doch wenn man sich bei Twitter auf eines verlassen kann, dann auf Chaos.
Ich finde es klug, von Twitter ins Fediverse zu ziehen. Einfach mal losreißen von datengierigen Konzernen. Hier eine Anleitung für den Wechsel zu Mastodon. Es ist schön dort, und wirklich nicht so kompliziert, wie manche sagen.
Kein Interesse habe ich an einem Umzug zu Metas neuem Twitter-Klon namens Threads. Seit Donnerstag ist der Dienst außerhalb der EU verfügbar. Meta-Chef Zuckerberg will mit Threads nicht nur Twitter das Wasser abgraben, sondern auch im Fediverse Fuß fassen. Das größte Problem bei Threads hat Markus Beckedahl diese Woche in seiner Kolumne zusammengefasst: Auch Threads folgt den Prinzipien des Überwachungskapitalismus, na klar. Es bindet unsere Aufmerksamkeit, hortet Daten, bildet Profile und dreht uns personalisierte Werbung an. Mein Fazit: gar kein Bock.
Umziehen macht Kummer. Man lässt einen Teil vom Alltag zurück, vielleicht auch einen Teil von sich selbst. Ich vermisse das alte Twitter. Ich konnte dort alle relevanten Kolleg*innen und Expert*innen direkt finden, direkt anschreiben, direkt Antwort bekommen. Meine Güte, war das schön. Ich werde auch unser Büro direkt unterm Dach in der Schönhauser Allee vermissen. Wenn es regnet, hört man das Geprassel in jedem Zimmer. Das Wasser strömt über die Fenster wie in einer Waschanlage. Dann einen Kaffee aufbrühen und Artikel schreiben. Herrlich.
Umziehen macht aber auch Spaß. Wir entdecken neue Seiten von uns und wachsen aus schlechten Gewohnheiten heraus. Im Fediverse bemerke ich viel weniger von der ätzenden Selbstdarstellerei, die mein Lebensgefühl auf Twitter lange dominiert hat. Das tut gut. Und wer weiß, welche positiven Überraschungen ein neues Büro für netzpolitik.org bereit hält?
Ich wünsche euch ein Wochenende, an dem ihr euch zu Hause fühlen könnt
Sebastian