Liebe Leser:innen,
am Dienstag hat das EU-Parlament dem Digitale-Dienste-Gesetz und dem Digitale-Märkte-Gesetz zugestimmt. Wir haben in den letzten Jahren viel über diese beiden Mammutvorhaben berichtet. Über das, was nun vielleicht besser wird für Nutzer:innen. Über das, was Probleme machen könnte. Als das Paket final über den Tisch ging, hatten wir das Gefühl: Dazu lässt sich gerade nichts Neues sagen. Doch dann hat Justus Dreyling einen Kommentar geschrieben.
Darin geht es um verpasste Chancen im Digitale-Dienste-Gesetz für ein gemeinwohlorientiertes Internet. Justus setzt sich bei Wikimedia für ein solches Internet ein und hat daher einen geschärften Blick dafür. Und ein Satz in seinem Text hat mich lange zum Nachdenken gebracht:
Noch immer kreisen unsere Netzdebatten vor allem um Konzerne. Nicht um Visionen.
Das gilt nicht nur für die Verhandler:innen an den EU-Tischen. Das gilt für viele, die sich täglich mit netzpolitischen Fragen auseinandersetzen. Auch ich erwische mich dabei, dass ich zu wenig über das Netz nachdenke, das ich mir eigentlich wünsche. Und zu viel darüber, wie man „das Schlimmste“ verhindern oder das Bestehende ein bisschen besser machen kann.
Der Kommentar von Justus kommt genau zur richtigen Zeit. Die letzte Sitzungswoche des Bundestags vor der parlamentarischen Sommerpause geht zu Ende. Auch im politischen Betrieb der EU wird es jetzt für ein paar Wochen etwas ruhiger. Ich freue mich auf dieses traditionelle „Sommerloch“ und habe mir vorgenommen, diese Zeit zu nutzen. Um weniger zu reagieren – und mehr zu überlegen, was passieren sollte. Um mir Dinge anzuschauen, die zu wenig Aufmerksamkeit bekommen. Und um mal wieder zu überlegen, wie denn meine ganz persönliche Vision von einer guten digitalen Welt aussehen würde.
Mich würde interessieren, was eure Antwort auf die Frage wäre. Welche Orte kennt ihr, an denen eure Vision schon ein bisschen wahr wird – egal ob im Großen oder ganz Kleinen? Über eure Gedanken dazu in den Ergänzungen würde ich mich freuen.
Habt ein gutes Wochenende!
anna
meine Vision über ein künftiges Internet besteht in Analogie zum öffentlichen Raum d.h. zur Erde die uns allen gehört etwa im Sinne von Kants Weltbürgerrecht und „Hospitalität“ („Wirtbarkeit“), das wiederum auf „das Recht des gemeinschaftlichen Besitzes der Oberfläche der Erde, auf der, als Kugelfläche, sie sich nicht ins unendliche zerstreuen können, sondern endlich sich doch nebeneinander dulden zu müssen, ursprünglich aber niemand an einem Orte der Erde zu sein mehr Recht hat, als der andere.“ (I.Kant. Zum ewigen Frieden, Dritter Definitivartikel zum ewigen Frieden, BA 40-41). Was wir bisher getan haben, ist eine Privatisierung des öffentlichen digitalen Raumes (Zeit/Raumes) anstatt davon auszugehen, dass es sich um ein gemeinsames Eigentum geht. Mit Gesetzen zur Internet Governance heben wir die falsche Grundvoraussetzung nicht auf. Mehr dazu in diesem Beitrag: http://www.capurro.de/citizenship.html