Netzpolitische BilanzWelche ihrer Ziele hat die Ampel erreicht – und welche nicht?

Zu Anfang ihrer Regierungszeit hatten sich SPD, Grüne und FDP viel vorgenommen. Welche Vorhaben zu Netzpolitik, Datenschutz, digitaler Infrastruktur und Bürgerrechten hat die Ampel umgesetzt? Was bleibt auf der Strecke? Wir ziehen Bilanz.

Eine Verkehrsampel bei Nacht
Was ging, was ging nicht bei der Ampel? – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com David Watkis

Eine Fortschrittskoalition wollten SPD, Grüne und FDP bilden, als sie Ende 2021 ihre gemeinsame Regierungsarbeit aufnahmen. Die Koalition endete im vergangenen November, als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vorzeitig seinen Finanzminister Christian Lindner (FDP) rausschmiss.

Seitdem müssen SPD und Grüne allein weitermachen, bis die Neuwahl am 23. Februar über die Zusammensetzung des nächsten Bundestags entscheidet – sieben Monate vor dem ursprünglich geplanten Termin im Herbst 2025.

Knapp drei Wochen vor der Wahl ziehen wir Bilanz: Welche Vorhaben haben die Ampelparteien aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt, bevor die Streitigkeiten um den Haushalt jegliches Weiterkommen jäh stoppten? Welche nicht? Und welche nur so halb? Ein Überblick.

  • ✅ Umgesetzt.
  • 🟠 In Teilen oder unzureichend umgesetzt.
  • ❌ Nicht umgesetzt.
  • 🧽 Das Vorhaben ist so schwammig formuliert, dass eine Umsetzung nicht überprüfbar ist.

Überwachung und Bürgerrechte

🟠 Die Überwachungsgesamtrechnung wurde zwar in Auftrag gegeben und das Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht soll sie noch vor dem Wahltermin fertigstellen. Konsequenzen daraus wird es aber nicht mehr geben.

❌ Ein Expertengremium namens „Freiheitskommission“ hat die Ampelregierung nicht geschaffen. Es sollte bei Sicherheitsgesetzen einbezogen werden, es gab aber Streit um die Verbindlichkeit der Gremienstellungnahme.

❌ Innerhalb der EU wollte sich die Regierung einsetzen, „biometrische Erkennung im öffentlichen Raum“ auszuschließen. Das hat bei der KI-Verordnung nicht geklappt, sie enthält zahlreiche Ausnahmen. Und zuletzt forderte vor allem Innenministerin Nancy Faeser (SPD) eine deutliche Ausweitung bei der biometrischen Suche für Ermittler:innen.

❌ Die Absage an die Vorratsdatenspeicherung hat zu einem langen Streit führt, obwohl ein grundrechtsschonender Entwurf für das Quick-Freeze-Verfahren aus dem FDP-Justizministerium seit 2022 vorliegt. Auch an dieser Stelle beharrte das Innenministerium auf der Speicherung von IP-Adressen. Am Ende ist nichts davon passiert. Pläne für eine Login-Falle wurden zudem vollständig begraben.

❌ Den Sprung aus dem Justizministerium hat ebenfalls der „Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der Eingriffsbefugnisse im Rahmen der Quellen-Telekommunikationsüberwachung und der Online-Durchsuchung“ nicht geschafft. Der sollte unter anderem Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nachziehen.

Digitale Infrastruktur und Breitbandausbau

✅ Umgesetzt hat die Ampel ein bundesweites Gigabit-Grundbuch. Zwar hätte das sperrig benannte TK-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetz (TK-Nabeg) die Informationsplattform rechtlich stärker verankern und auch sonst punktuell verbessern sollen. Dazu ist es aber nicht gekommen, da die FDP den Gesetzentwurf auf den letzten Metern im Bundestag abgewürgt hat – zum Leidwesen des inzwischen aus der FDP ausgetretenen Digitalministers Volker Wissing.

🟠 Mit einer Mischung aus privaten und staatlichen Investitionen ging der Breitbandausbau weiter. Erfreulich ist, dass sich Deutschland der einst von Angela Merkel versprochenen Vollversorgung mit 50 MBit/s nähert, selbst wenn die Fortschrittskurve inzwischen asymptotisch abgeflacht ist und sich die 100 Prozent wohl niemals erreichen lassen. Kaum helfen dürfte dabei, dass sich das Infrastrukturministerium zuletzt entschlossen hat, die Unterstützung für Kommunen auf nur rund ein Drittel der bisherigen jährlichen Fördersumme zurechtzustutzen.

🟠 Den Verbraucherschutz sollten garantierte Bandbreiten stärken, zur Not durch pauschalierte Schadensersatzansprüche, wenn Netzbetreiber nicht liefern. Dafür wäre das ruhmlos verendete TK-Nabeg geeignet gewesen, allerdings hat es die versprochene Pauschale nicht einmal in den Gesetzentwurf geschafft. An anderer Stelle haben angehobene Mindestbandbreiten das Recht auf eine Mindestversorgung mit Internet verbessert, auch wenn noch nicht ganz klar ist, wie effektiv das Instrument tatsächlich ist.

🟠 Bei der Versorgung mit dem neuesten 5G-Mobilfunkstandard nimmt Deutschland eine ungewöhnliche Rolle ein: Das Land nähert sich langsam einer weitgehend flächendeckenden Abdeckung und liegt damit im europäischen Spitzenfeld. Etwas Sand ins Getriebe hat das Verwaltungsgericht Köln gestreut, als es im vergangenem Jahr die 5G-Auktion – noch unter Andi Scheuer (CSU) abgehalten – für rechtswidrig erklärt hat. Eine dauerhafte Lösung muss die Bundesnetzagentur erst noch finden.

❌ Außer vagen und unverbindlichen Berichten hat es so gut wie keine Fortschritte beim Thema Open Access gegeben. Zumindest kooperieren Netzbetreiber aber zunehmend freiwillig miteinander – während gleichzeitig die sogenannte Überbauproblematik weiterhin Unruhe in Teilen der Branche stiftet. Ebenfalls ungeklärt sind all die teuflischen Details rund um die anstehende Migration von Kupfer- auf Glasfasernetze.

❌ In weiten Teilen krachend gescheitert sind die Pläne, den Ausbau unter anderem mit schlanken digitalen Antrags- und Genehmigungsverfahren sowie alternativen Verlegetechniken voranzutreiben – der Kern des TK-Nabeg. Nicht einmal den teils ähnlichen Gigabit Infrastructure Act kann sich die abgewählte Koalition auf ihre Fahnen schreiben. Zwar hat die Ampel das EU-Gesetz in Brüssel mitverhandelt und dabei eine Extrawurst für kleine deutsche Betreiber herausgeholt. Für die Umsetzung in Deutschland hat es dann aber nicht mehr gereicht.

Verwaltungsmodernisierung und digitaler Staat

🟠 Das Onlinezugangsgesetz 2.0 gibt’s zwar jetzt, nicht aber die „umfassende Digitalisierung der Verwaltung“, die die Ampel versprochen hatte. Denn am Ende haben sich – nach zähem Hick-Hack und einem Veto des Bundesrats – die Bundesländer durchgesetzt. Einheitliche Standards sind nun freiwillig, der Software-Wildwuchs greift weiter um sich und die Ende-zu-Ende-Digitalisierung darbt. Verzettelte Verwaltungsdigitalisierung.

❌ Mit einer „Multi-Cloud-Strategie“ wollte die Ampel die Daten der Bürger:innen über offene Schnittstellen in der „digital-souveränen“ Cloud ablegen, das Ganze garniert mit Open Source. Der Bund aber verschleppte Beteiligungsprozesse der Länder, setzte vielerorts den Rotstift an und entzog versprochene Unterstützung. Nach der Legislatur ist die öffentliche Verwaltung noch abhängiger von Microsoft, Oracle, Broadcom und Delos als davor. Dafür soll KI die Verwaltung effizienter machen. Immerhin bekommt der Sovereign Tech Fund, eines der größten Förderprogramme für Open Source, etwas mehr Mittel. Die bewilligten 19 Millionen Euro für 2025 sind aber ein Witz im Vergleich zu den milliardenschweren Rahmenverträgen mit Big Tech.

IT Sicherheit

❌ Das Ziel, eine klarere Haftung für Hersteller einzuführen, wenn fahrlässig Schäden durch IT-Sicherheitslücken entstehen, hätte durch die Umsetzung der NIS2-Richtlinie der EU erreicht werden können. Ebenso war hier mehr Unabhängigkeit für das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik geplant. Doch dann platzte die Regierung, bevor das Umsetzungsgesetz durch den Bundestag gegangen ist.

❌ Eine Einigung zum Schwachstellenmanagement mit einer klaren Festlegung, dass staatliche Stellen keine Sicherheitslücken ankaufen oder offenhalten dürfen, fehlt weiterhin.

❌ Beim geplanten „Recht auf Verschlüsselung“ machte Digitalminister Volker Wissing (mittlerweile parteilos) einen Aufschlag, der scheiterte jedoch am erwartbaren Widerstand des SPD-geführten Innenministeriums.

❌ Um die sogenannten Hackerparagrafen zu reformieren und Rechtssicherheit für ethische IT-Sicherheitsforschende zu schaffen, war am Ende nicht mehr genug Zeit. Immerhin gab es schon einen Gesetzentwurf.

❌ Für die Hackerbehörde ZITiS (Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich) sollte es eine gesetzliche Grundlage mit klaren Aufsichtsregeln geben. Mehr als Eckpunkte sind dabei nicht herausgekommen. ZITiS kann unterdessen dieses Jahr seinen 8. Geburtstag feiern.

❌ Das Technische Hilfswerk sollte nach dem Willen der Ampel seine „Kompetenzen in der Cyberhilfe erweitern“. Konkrete Maßnahmen dazu gab es nicht, dafür aber eine Machbarkeitsstudie, die noch bis Ende 2025 läuft.

Polizei

✅ Zumindest die angekündigte Einführung eines unabhängigen Polizeibeauftragten als Anlaufstelle beim Deutschen Bundestag hat die Ampel umgesetzt: Seit dem 20. März 2024 bekleidet der ehemalige Polizist und bis dato SPD-Bundestagesabgeordnete Uli Grötsch das Amt. Ob er mit ausreichend Kompetenzen ausgestattet ist, damit das Amt Wirkung entfalten kann, wird sich erst zeigen.

❌ Mit der Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit gibt es bereits eine Behörde, die die Polizeien des Bundes zumindest auf einigen Gebieten beaufsichtigt und in der Theorie auch sanktionieren kann. In der Praxis stellt sich das oft als schwer heraus, auch weil entsprechende Anordnungsbefugnisse fehlen. Die Ampel versprach deshalb, sie wolle die BfDI in dieser Hinsicht „deutlich stärken“. Erfolgt ist das nicht.

❌ Die angekündigte pseudonyme Kennzeichnungspflicht der Polizistinnen und Polizisten des Bundes wurde nicht eingeführt.

❌ Eine grundlegende Revision der umfangreichen Polizeidatenbanken, wie sie der Koalitionsvertrag versprochen hatte, ist ebenso wenig umgesetzt worden wie eine Präzisierung der Verarbeitungsregeln. Vielmehr treiben die Polizeien von Bund und Ländern mit dem Projekt Polizei 2020 eine weitere Verknüpfung polizeilicher Datenbanken voran. Nach dem Anschlag von Solingen hat die Ampel zudem versucht, neue Datenbanken für die biometrische Erkennung einzuführen und auch die automatisierte Analyse polizeilicher Datenbanken auszubauen. Gescheitert ist das letztlich am Widerstand der Unionsparteien im Bundesrat, denen der Überwachungsausbau nicht weit genug ging.

❌ Das Bundesverfassungsgericht hat im Oktober vergangenen Jahres das BKA-Gesetz teilweise für verfassungswidrig erklärt – und damit die Rechtsgrundlage für die Datei „Gewalttäter Sport“ gekippt. In Letztere können Fußballfans schon wegen des Vorwurfs eines Bagatelldelikts hineingeraten. Eigentlich wollte die Ampel die Verbunddatei „im Hinblick auf Rechtsstaatlichkeit, Löschfristen, Transparenz und Datenschutz“ reformieren. Das Bundesinnenministerium (BMI) verschob die Reform jedoch auf die Zeit nach der Fußball-Europameisterschaft der Männer, die im vergangenen Sommer in Deutschland stattfand. Getan hat sich danach nichts mehr.

Datenschutz und Datenpolitik

🟠 Wichtiger als Fortschritte beim Datenschutz war der Ampel die Verfügbarkeit von Daten für die kommerzielle und wissenschaftliche Nutzung. So richtig geklappt hat das nur beim Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten, das von SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach gegen die Bedenken von Datenschützer:innen durchgedrückt wurde. Andere Initiativen wie ein Mobilitätsdatengesetz und Forschungsdatengesetz sind – wie so vieles – dem verfrühten Ende der Koalition zum Opfer gefallen. Auch die nationale Umsetzung wegweisender EU-Datengesetze wie dem Data Governance Act und dem Data Act gelang der Ampel vor dem Koalitionsbruch nicht.

🟠 Große Hoffnungen setzten manche in ein neues Dateninstitut, das solche Prozesse begleiten, vordenken, in der Praxis erproben, Standards setzen, Konflikte befrieden und überhaupt den häufig immer noch bestehenden Widerspruch zwischen Datenschutz und Datennutzung auflösen sollte. Nach einem ambitionierten Start ist bis heute nicht geklärt, was das Institut eigentlich soll. Ein Ausschreibungsverfahren läuft, zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Open Knowledge Foundation hatten sich unter Protest nicht beteiligt, unter anderem weil die Gemeinwohlorientierung auf der Strecke blieb.

❌ Beim Datenschutz war schon der Koalitionsvertrag maximal unambitioniert. Für eine bessere Durchsetzung und kohärentere Auslegung des Datenschutzes sollte die Zusammenarbeit zwischen den 18 Datenschutzbehörden von Bund und Ländern reformiert werden. Die angekündigte Instititutionalisierung der bislang informellen Datenschutzkonferenz (DSK) hat es dann nicht mal in den Gesetzentwurf des BMI zur Überarbeitung des Bundesdatenschutzgesetzes geschafft. Dort wird die DSK lediglich erstmals genannt, nicht aber mit einem Budget oder einer Geschäftsstelle versehen. Dafür gibt es aber eine Abschwächung der Auskunftsrechte von Betroffenen, wenn dies Unternehmen zu viel Arbeit macht. Beschlossen wurde die Novelle vor dem Ende der Ampel-Koalition aber nicht mehr.

❌ Die Ampel wollte immerhin zwei Empfehlungen der jahrelang arbeitenden Datenethik-Kommission umsetzen und Anonymisierungstechniken fördern sowie die rechtswidrige De-Anonymisierung von Daten strafbar machen. Beides ist nicht erfolgt.

❌ Um Nutzer:innen endlich besser vor der Datensammelwut der Online-Werbeindustrie, vor ungewolltem Tracking und Profilbildung zu schützen, wollte sich die Ampel in der EU für eine „ambitionierte“ ePrivacy-Verordnung einsetzen. Das Vorhaben ist inzwischen endgültig gescheitert, in Brüssel redet niemand mehr von der Verordnung, die eigentlich schon seit 2018 nervigen Cookie-Bannern ein Ende hätte bereiten sollen. Die Bundesregierung ist deshalb einen eigenen Weg gegangen: Sie setzt im Rahmen des Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetzes auf sogenannte Dienste zur Einwilligungsverwaltung. Das sollen technische Helfer sein, die Nutzer:innen das Management ihrer Cookie-Einstellungen erleichtern. Eine entsprechende Umsetzungsverordnung hat die Ampel im Oktober 2024 noch beschlossen. Ob die Einwilligungsverwaltungsdienste wirklich etwas zum Schutz der Nutzer:innen beitragen werden, steht in den Sternen. Es steht den Anbietern digitaler Dienst frei, ob sie diese auf ihren Websites zulassen.

Digitaler Verbraucherschutz

❌ Im Juli 2024 trat eine EU-Richtlinie zum sogenannten Recht auf Reparatur in Kraft. Sie könnte den Preis für Reparaturen deutlich senken sowie Praktiken unterbinden, die Reparaturen erschweren oder gar verbieten. In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Ampel ein Recht auf Reparatur aufgenommen, das Bundesumweltministerium plante ein nationales „Reparaturgesetz”. Doch das Vorhaben versandete. Es obliegt nun der kommenden Regierung, die EU-Richtlinie bis Ende Juni 2026 in nationales Recht zu gießen.

❌ Fast Wort gehalten hätte die Ampel bei der Transparenz über Kredit-Scoring durch Unternehmen wie die Schufa. Nach einem entsprechenden EuGH-Urteil formulierte sie eine neue Passage in die Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes. Die aber wurde nicht verabschiedet.

Informationsfreiheit und Transparenz

✅ Die Ampelregierung hat beim Lobbyregister wie versprochen „nachgeschärft“. Interessensvertreter:innen müssen nun etwa angeben, auf welche Regulierungsvorhaben sich ihre Lobbyarbeit bezieht und wesentliche Dokumente im Lobbyregister hochladen.

✅ Auf Ebene der Geschäftsordnung hat das Bundeskabinett einen „exekutiven Fußabdruck“ eingeführt, der offenlegen soll, wie Gesetzentwürfe beeinflusst wurden. Transparenzorganisationen kritisieren diese Maßnahme als unzureichend, da unter anderem eine Verzahnung mit dem Lobbyregister fehlt.

✅ Im selben Zug wie den exekutiven Fußabdruck führte die Regierung auch eine Synopsenpflicht ein, bei der Änderungen an Gesetzentwürfen nachvollziehbarer werden.

🟠 Noch aus dem Jahr 2019 stammte die EU-Richtlinie, die Whistleblowing sicher machen soll. Nach langem Gezerre mit den unionsgeführten Ländern hat die Ampel ein Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedet, das über die EU-Vorgaben hinausgeht, aber hinter die Versprechen des Koalitionsvertrags zurückfällt.

❌ Die zwei großen Vorhaben eines Rechtsanspruchs auf Open Data und die Einführung eines Bundestransparenzgesetzes sind beide im Bundesinnenministerium steckengeblieben. Die beiden Themen sollten gemeinsam behandelt werden, doch weiter als zu einem Diskussionsentwurf aus dem BMI ging es nicht.

❌ Um einen Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Bundesbehörden abzusichern, sollte es ein Bundespresseauskunftsgesetz geben. Das hätte im Januar 2025 im Bundestag beraten werden sollen, dazu kam es nicht mehr.

❌ Ebenso vergeblich wartete man auf ein „digitales Gesetzgebungsportal“, das sichtbar machen sollte, in welcher Phase sich Vorhaben befinden. Der gestartete Regierungsmonitor, der seit Dezember nicht mehr aktualisiert wurde, kann das nicht erfüllen.

Kultur und Bildung

🟠 Die Förderung von Games stand lange still, wurde jedoch Ende 2024 neu gestartet. Der Verband der deutschen Games-Branche begrüßte das, kritisierte jedoch die Einschränkungen.

🟠 Auf den letzten Drücker – und bereits nach dem Aus der Ampelkoalition – haben sich Bund und Länder noch auf einen Digitalpakt 2.0 geeinigt. Was das genau bedeutet, werden jedoch erst die konkreten Vereinbarungen während der nächsten Legislaturperiode zeigen.

❌ Aus der Idee für eine mögliche „Bundeszentrale für digitale Bildung“ ist nichts geworden. Nach wie vor geistert der Begriff als Forderung durch die Medien.

Digitalisierung und Nachhaltigkeit

🟠 Es war eine niedrig hängende Frucht und die Ampel-Regierung hat sie gepflückt: Seit November 2023 ist das neue Energieeffizienzgesetz in Kraft. Das Gesetz sieht unter anderem für Rechenzentren weitreichende Anforderungen bei Energieeffizienz- und Abwärmenutzungspflichten vor. Ein Effizienzregister für Rechenzentren ist im Aufbau. Allerdings ist die Abwärmenutzung mit dem Energieeffizienzgesetz nur für große Rechenzentren verpflichtend, kleinere fallen hingegen nicht darunter. Zudem besteht die Verpflichtung für die großen Rechenzentren nur für zehn bis zwanzig Prozent der Abwärme. Da wäre also noch Luft nach oben gewesen.

🟠 Seit Mai 2023 gibt es das Deutschlandticket. Es ist mit 49 Euro nicht nur deutlich teurer als das Vorgängermodell für 9 Euro, sondern birgt wegen des personalisierten Abo-Modells auch Probleme beim Datenschutz. Und es schließt Menschen ohne Bankkonto ebenso aus wie jene, die nicht ins Internet gehen. Ab dem 1. Januar 2025 hat sich der Preis des Deutschlandtickets schließlich um 9 Euro auf insgesamt 58 Euro pro Monat erhöht.

Soziale Medien und Inhalte-Moderation

✅ Zu Beginn gab es Streit zwischen Innen- und Justizministerium, aber dann setzte sich die Position der FDP (und die aus dem Koalitionsvertrag) bei den Verhandlungen zur EU-Chatkontrolle durch. Entsprechend lehnte Deutschland im EU-Rat „allgemeine Überwachungspflichten, Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation und eine Identifizierungspflicht“ ab. Ein Ende des Streits zwischen den EU-Staaten im Rat ist aber noch nicht in Sicht.

🟠 Die Regeln aus dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz wollte die Ampel überarbeiten. Das hat sich durch den Digital Services Act sowieso erledigt, der EU-weit festlegt, wie Plattformen und Co. mit strafbaren Inhalten umgehen müssen. Ein deutsches Digitale-Dienste-Gesetz brauchte und gab es dennoch. Es regelt insbesondere, wer in Deutschland für die Durchsetzung der EU-Regeln zuständig ist. Wie gut die neue Aufsicht unter Führung des Digital Services Coordinators bei der Bundesnetzagentur funktioniert, werden die nächsten Monate zeigen.

❌ Eckpunkte für ein Gesetz gegen digitale Gewalt legte das Justizministerium schon 2023 vor. Danach blieb es so lange still, bis das Vorhaben begraben wurde.

Algorithmische Systeme und Künstliche Intelligenz

❌ Die Ampel wollte biometrische Erkennung im öffentlichen Raum, etwa durch Gesichtserkennung, sowie staatliche Scoring-Systeme europarechtlich ausschließen. Stattdessen wurde sie durch weitreichende Ausnahmen europarechtlich verankert und die Regierung setzte sich für noch mehr Gesichtserkennung ein.

🧽 Die Ampelparteien wollten die KI-Verordnung unterstützen und dabei sowohl die Diskriminierungsfreiheit wahren als auch die Hemmung von Innovation vermeiden. Gekommen ist die KI-Verordnung tatsächlich, die Kritik daran ist jedoch vielfältig.

Digitalisierung des Gesundheitswesens

✅ Seit 2024 gibt es nach großen Anlaufschwierigkeiten überall Medikamentenverordnungen auf E-Rezept.

✅ Ebenso unter Dach und Fach ist das Gesundheitsdatennutzungsgesetz aus dem Ministerium von Karl Lauterbach. Es legt fest, wie Gesundheitsdaten für die Forschung erschlossen und bereitgestellt werden können. Dabei spielt das „Forschungsdatenzentrum Gesundheit“ eine zentrale Rolle.

🟠 Ein weiteres Mammutprojekt bei der Gesundheitsdigitalisierung ist die elektronische Patientenakte (ePA). Ursprünglich sollte sie ab Januar für alle kommen, die nicht aktiv widersprechen. Seit dem 15. Januar wird sie nun aber erstmal in einigen Modellregionen zum Testen ausgerollt. Sicherheitsbedenken sind noch nicht ausgeräumt. Wann der bundesweite Rollout erfolgt, ist derzeit noch offen.

Partizipation und Zivilgesellschaft

✅ Die Engagementstrategie des Bundes erkennt digitales Ehrenamt erstmals als eigenständige Engagementform an – aus Sicht von Wikimedia ein erster Schritt, dem konkrete Maßnahmen folgen müssten. Die Strategie hat das Kabinett im Dezember 2024 verabschiedet. Sie löst die „Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung“ aus dem Jahr 2010 ab. Der Arbeit an der Engagementstrategie ging ein einjähriger zivilgesellschaftlicher Beteiligungsprozess voraus.

🟠 Die Zivilgesellschaft wollte die Ampel besser einbinden und unterstützen. Doch von den Ankündigungen ist nicht allzu viel geblieben. Nichtregierungsorganisationen und Verbände zeigen sich nach der Legislatur weitgehend frustriert, sie kritisieren Scheinbeteiligung, Beratersprech und viel Arbeit für nichts in Konsultationsprozessen.

❌ Auch hatte die Ampel „Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus“ versprochen. Zumindest zum Teil sollte dabei ein Erlass des Bundesfinanzministeriums helfen – doch selbst das ist am Widerstand der Länder gescheitert.

❌ In finanzieller Hinsicht hat die Regierungszeit der Ampel der Zivilgesellschaft vor allem eines gebracht: Unsicherheit. Viele Organisationen sind abhängig von öffentlicher Förderung. Für das laufende Jahr gibt es aber weiterhin keinen Bundeshaushalt – und damit auch keine Sicherheit für wichtige Programme zur Stärkung von Demokratie und zivilgesellschaftlichem Engagement. Ausgerechnet jetzt.

❌ Außerdem wollte die Ampel zivilgesellschaftliche Beratungs-, Präventions- und Ausstiegsarbeit stärken und verstetigen. Ein dazu vorgesehenes Demokratiefördergesetz legten Innen- und Familienministerium zwar bereits im Dezember 2022 vor. Seitdem steckte es jedoch ohne nennenswerte Fortschritte im Bundestag fest. Die Zivilgesellschaft bleibt also auch hier auf der Strecke.

Weitere Themen

✅ Eines der ersten umgesetzten Vorhaben war die Streichung von § 219a des Strafgesetzbuchs, das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche. Nun können Ärzt:innen endlich Informationen zu dem Thema auf ihren Websites bereitstellen, ohne kriminalisiert zu werden.

🟠 Große Vorhaben im Bereich des Urheberrechts gab es nicht. Ein Ergebnis: Ein runder Tisch zum E-Lending, also der Ausleihe von digitalen Werken in öffentlichen Bibliotheken, hat sich auf Empfehlungen geeinigt.

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2 Ergänzungen

  1. Die „Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichts“ habt ihr vergessen. Außerdem finde ich es mehr als traurig, wie noch immer ein verfassungswidriges Gesetz nicht korrigiert wurde „§ 217 StGB – Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“.

    Da das Gesetz nichtig ist herrscht aktuell ein absolutes Vakuum der Unsicherheit.

    1. Netzpolitik fokussiert sich auf Netzpolitische Themen.

      Zum Thema Selbsttötung: Es gab durch 3 Gruppenanträge im Bundestag einen Anlauf in dieser Legislaturperiode, diese sind aber leider allesamt gescheitert.

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