Am vergangenen Freitag gab die Bundesregierung den Startschuss für das neue Dateninstitut. Sie hat dazu nicht nur eine Reihe von Workshops mit Anspruchsgruppen angekündigt, sondern auch bekanntgegeben, wer der Gründungskommission angehören wird, die die neue Institution mit Leben füllen soll: die Unternehmerin Nicole Büttner-Thiel für die Wirtschaft, für die Zivilgesellschaft Stefan Heumann vom Think-Tank Stiftung Neue Verantwortung, die Rechtswissenschaftlerin Louisa Specht-Riemenschneider und Katja Wilken vom Statistischen Bundesamt für die Verwaltungsperspektive. Schon beim Digitalgipfel Anfang Dezember sollen die vier erste Ideen für das neue Institut vorstellen.
Die Ampel zeigt damit, dass sie digitalpolitische Versprechen zügig umzusetzen kann. Jedenfalls dann, wenn sich Politiker:innen gezielt dahinterklemmen. Während sich SPD, Grüne und FDP beim ebenfalls im Koalitionsvertrag angekündigten Transparenzgesetz voll auf das Bundesinnenministerium verlassen und sich deshalb in Geduld üben müssen, hat vor allem die grüne Wirtschaftspolitikerin Anna Christmann das Dateninstitut vorangetrieben. Es soll „den Zugang und das Teilen von Daten erleichtern“, so die Startup-Beauftragte der Bundesregierung am Freitag gemeinsam mit Innen-Staatssekretär Markus Richter. Das Projekt zeigt auch, wo die Prioritäten der Regierung liegen.
Wobei der Vergleich natürlich ein wenig unfair ist: Eine grundlegende Verwaltungsreform auf die Schiene zu setzen, hat eine andere Größenordnung als die Gründung eines Instituts. Zumal das Dateninstitut niemandem wehtut, im Gegenteil haben viele – vom Bund der Industrie bis zur Open Knowledge Foundation – dessen Einrichtung gefordert. Auch ich hatte der Vorgängerregierung bei ihrer Sachverständigenanhörung zur Datenstrategie etwas Ähnliches empfohlen. Ein Zentrum, das in der unübersichtlichen Datenlandschaft Koordination und Beratung bietet, das Freiräume zum Ausprobieren und Standards für die Praxis schafft, kann einen echten Mehrwert bringen. Idealerweise fördert es auch Projekte, bietet einen Ort für Debatten und sorgt für Bildung.
Als Vorbild dient der Bundesregierung das britische Open Data Institute (ODI). Von World-Wide-Web-Erfinder Tim Berners Lee mitgegründet, kombiniert es seit zehn Jahren Sachverstand und Erprobungswillen und prägt so als Vordenkerin die Debatten weit über Großbritannien hinaus. Dass auch das deutsche Pendant ein Erfolg wird, ist allerdings alles andere als ausgemacht – und zwar nicht nur, weil der Bund mal wieder reichlich spät agiert.
Fokus auf offene Daten und Anonymisierungstechnologien
Bevor das Dateninstitut seine Türen öffnen kann, müssen vor allem noch einige hohe Hürden genommen werden. Denn schon jetzt bietet das Projekt eine enorme Projektionsfläche. Längst kursieren unterschiedliche Positions- und Konzeptpapiere, Vorstellungen über Schwerpunkte gehen mitunter weit auseinander. Sie teilen zwar meist die Erwartungshaltung, dass das Institut dazu beitragen soll, die uneingelösten Versprechen einer progressiven Datenpolitik zu erfüllen, die dem Gemeinwohl dient.
Doch während sich das britische ODI – nicht nur im Namen – klar auf den Bereich Open Data konzentriert, also auf nicht-personenbezogene Daten, soll das deutsche Pendant gleich die gesamte Datenlandschaft zum Blühen bringen. Damit aber wird es mitten in eines der grundlegenden Spannungsfelder der Digitalisierung gesetzt, dessen Pole zum einen der Datenschutz und zum anderen der Datenreichtum bilden.
Dass diese gegensätzlichen Anforderungen wirklich miteinander versöhnt werden können, muss erst noch bewiesen werden. Denn auch wenn der Nutzen von Daten etwa für die medizinische Forschung unbestritten ist, bilden diese zugleich immer auch ein Risiko für Individuen und Gesellschaft, wie nicht zuletzt immer neue Sicherheitsvorfälle im digitalen Gesundheitssystem zeigen.
Das Institut sollte sich deshalb nicht auf das Teilen von personenbezogenen Daten versteifen, sondern primär dafür sorgen, das riesige Potenzial offener Daten besser auszuschöpfen, gerade auch auf kommunaler Ebene. Dass der Staat zum Vorreiter bei offenen Daten wird, auch das ist ein bisher uneingelöstes Versprechen. Falls das Spannungsfeld um die Nutzung personenbezogener Daten doch irgendwie aufgelöst werden soll, wird es nicht ohne einen Fokus auf Anonymisierungstechnologien gehen.
Was leicht klingt, ist in der Praxis jedoch ziemlich kompliziert. In Anbetracht der Möglichkeiten zur Verknüpfung zahlreicher Datensätze reicht nicht aus, aus einer Datenbank ein paar Identifikationsmerkmale zu löschen. Vielmehr braucht es gezielte technische und umfangreiche organisatorische Maßnahmen. Diese müssen zunächst erforscht und dann in die Praxis überführt werden. Das Dateninstitut muss hier mit Projekten, Erprobungsräumen, Umsetzungshilfen und Standardvorgaben beitragen.
Das Institut darf nicht selbst zur Datendrehscheibe werden
Damit das Institut dabei wie sein britisches Vorbild breites Vertrauen unterschiedlicher Akteure gewinnt, muss es deren Perspektiven unter einen Hut bringen. Das heißt auch, dass es die Argumente derer berücksichtigt, die lieber daran erinnern, dass die Datenschutzgrundverordnung vorsieht, die Sammlung von Daten zu reduzieren, statt an Modellen für das Teilen möglichst vieler Daten zu tüfteln.
Nicht erst die Debatte um die Corona-Warn-App hat gezeigt, dass Datensparsamkeit manchmal die beste – und mitunter einzig realistische – Lösung bietet. Die Nutzung von Daten ist schließlich kein Selbstzweck. Vielmehr sollte in jedem konkreten Fall sorgsam zwischen Chancen und Risiken abgewogen werden. Schon allein, um eine breite Akzeptanz der Datennutzung zu gewährleisten.
Aus diesem Grund ist die Unabhängigkeit des Dateninstituts entscheidend – und zwar nicht nur von politischem Einfluss, sondern auch von allzu starken Eigeninteressen. Diese Unabhängigkeit ist insbesondere mit Blick auf ein weiteres uneingelöstes Versprechen wichtig: Seit Jahren werden Datentreuhandmodelle als Allheilmittel gehandelt, um auch personenbezogene Daten besser nutzbar zu machen. Die Idee: Statt dass jede:r Einzelne der Macht großer Player ausgeliefert sind, sollen Kollektivorganisationen die Interessen von Gruppen vertreten und auf die Einhaltung der Regeln achten.
In der Praxis findet man diese Modelle bislang kaum. Doch diverse Organisationen bringen sich bereits in Stellung, um als Treuhänder zu agieren. Dazu zählt neben der Bundesdruckerei auch das Statistische Bundesamt, das nicht nur in der Gründungskommission des Dateninstituts vertreten ist, sondern laut Medienberichten auch beansprucht, dass das Institut in seinem Umfeld angesiedelt wird. Diese Nähe darf nicht zu einem Interessenkonflikt führen. Wenn das Dateninstitut in seiner Erprobungs- und Beratungsfunktion ernst genommen werden soll, darf es bestimmte Akteure nicht bevorzugen.
Das gilt auch für sich selbst: Wenn das Dateninstitut selbst Datentreuhänder werden würde, würde es seine Rolle als unabhängiger Akteur gefährden. Statt objektiv abzuwägen hätte es schließlich einen Anreiz, sich permanent für mehr Datenzusammenführung auszusprechen. Bei aller Praxisnähe: Das Institut sollte Koordinierung und Überblick über bestehende Register und Datenbestände geben, aber nicht selbst zur Datendrehscheibe werden.
Zivilgesellschaft braucht Förderung
Zudem muss das Dateninstitut noch ein weiteres Versprechen einlösen: Wenn Daten vorrangig nicht dem Profit, sondern dem Gemeinwohl dienen sollen, muss die Zivilgesellschaft eingebunden und fit gemacht werden. Wenn Menschen heute Informationen bei Wikidata einpflegen oder aus städtischen Daten Anwendungen bauen, die den Stadtrat transparenter machen und über wasserbedürftige Bäume im Kiez informieren, läuft das überwiegend ehrenamtlich. Dem digitalen Arm der Zivilgesellschaft fehlen oft die Mittel, dem analogen Arm in Form von Vereinen, Sozialen Bewegungen oder Kirchen das Knowhow. Das Dateninstitut sollte hier für Ertüchtigung sorgen.
Damit geht auch ein breiter Bildungsanspruch einher. Denn das Institut muss neben Staat und Kommunen, Wirtschaft, Forschung und organisierter Zivilgesellschaft auch die einzelnen Bürger:innen in den Blick nehmen. Denn die neue, von der Bundesregierung angestrebte Datenkultur bedeutet auch eine gewaltige Bildungsaufgabe. Das Institut kann hier eine aktive Rolle einnehmen und Beratungs- und Fortbildungsangebote unterbreiten, die sich an die breite Bevölkerung oder doch zumindest an Bildungsmultiplikator:innen richten. Denn wenn künftig mehr Daten bereitstehen sollen, wird es auch ein Mehr an Datenkompetenz brauchen.
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