Knapp zwei Monate nach dem Messerangriff von Solingen hat die Ampel-Koalition das sogenannte „Sicherheitspaket“ verabschiedet. Beide Gesetze aus dem Paket schafften es mit einer komfortablen Mehrheit durch den Bundestag.
Bei der namentlichen Abstimmung zum Gesetz zur Verbesserung der Inneren Sicherheit und des Asylsystems wurden stimmten 357 Abgeordnete mit Ja und 289 mit Nein. Aus der Ampel stimmten gegen diesen Teil des Gesetzespakets 21 Abgeordnete. In der Abstimmung zum Gesetz zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung, das umstrittene Befugnisse für Sicherheitsbehörden enthält, stimmten 367 dafür und 280 dagegen bei 4 Enthaltungen. Gegenstimmen aus der Ampel gab es nur 13.
Wer von der Ampel für oder gegen das Gesetz gestimmt hat, lässt sich aufgrund der von der CDU beantragten namentlichen Abstimmung auf der Webseite des Bundestages nachlesen. Mit der Abstimmung ist die Ampel an einer zuvor befürchteten Abstimmungsniederlage locker vorbeigekommen.
(Update: 14:25 Uhr) Allerdings erhielt im Bundesrat der Teil des Gesetzespakets, der die biometrische Überwachung ausbaut, keine Mehrheit. Laut einem Bericht der Tagesschau haben Bayern und Berlin das Vorhaben in der Länderkammer abgelehnt, weil ihnen die von der Ampel geplanten Überwachungsbefugnisse nicht weit genug gehen.
Unruhe im Vorfeld
In der vorangegangenen Bundestagsdebatte gab es nur einen Redebeitrag von Clara Bünger von der Linkspartei, der sich aus menschenrechtlicher Perspektive gegen das Vorhaben wandte. Die Redebeiträge der Ampel warben für Zustimmung. CDU, AfD und BSW hielten das umstrittene Gesetzespaket gar für nicht weitgehend genug. Dem gegenüber hatte ein breites Bündnis der demokratischen Zivilgesellschaft das Gesetzesvorhaben wegen massiver Eingriffe in Grund- und Menschenrechte kritisiert.
SPD, Grüne und FDP hatten das Paket Anfang September als Reaktion auf den Anschlag von Solingen auf den Weg gebracht. Nach dem Ende der Wahlkämpfe in Thüringen, Sachsen und Brandenburg hagelte es dann Kritik. Nicht nur von Fachleuten, die das Paket in einer Anhörung als in Teilen rechtswidrig kritisierten, sondern auch aus den eigenen Parteien.
Die Fraktionen hatten das Paket daraufhin nochmal überarbeitet und geringfügig entschärft. Doch auch dieser Kompromiss konnte die Unruhe nicht befrieden. In einer turbulenten Fraktionssitzung am Dienstag hatten SPD-Abgeordnete kritisiert, dass der islamistische Terror dazu verwendet würde, Asylsuchende grundsätzlich als Verdächtige zu behandeln. Zahlreiche Abgeordnete hatten in der Sitzung angekündigt, gegen das Paket zu stimmen. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte daraufhin offenbar indirekt mit einer Vertrauensfrage gedroht, was die Partei allerdings dementierte.
Auch bei den Grünen soll es in der Fraktionssitzung „hoch hergegangen“ sein. Die Nervosität sei im Vorfeld der Abstimmung so groß gewesen, dass die Abgeordneten nicht nur einmal gebeten wurden, der Fraktion anzusagen, wie sie abstimmen wollen. Noch am späten Donnerstagnachmittag sollten Abweichler:innen ihr geplantes Nein zum Paket ein zweites Mal anmelden. Ein ungewöhnliches Vorgehen, hieß es aus Fraktionskreisen.
Was plant die Ampel
Bis zuletzt hatte ein Bündnis aus Fachleuten und zivilgesellschaftlichen Organisationen noch versucht, das Paket zu verhindern und auf die Gefahren hingewiesen.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte wies gestern nochmals darauf hin, dass die Pläne zur Streichung von Sozialleistungen zu einer Verelendung von Asylsuchenden führen würden. Abschiebungen dauerten aufgrund langwieriger Absprachen mit dem Zielland auch nach einer Anordnung oft noch mehrere Monate. Laut Sicherheitspaket sollen Menschen, für deren Asylverfahren ein anderer EU-Staat zuständig ist, keine Sozialleistungen mehr erhalten, sobald ihre Abschiebung angeordnet wurde. Derzeit bekommen alleinstehende Asylsuchende maximal 460 Euro im Monat.
Biometrische Fahndung eingeführt
Um Terrorismus besser zu bekämpfen, will die Ampel-Regierung zudem das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei mit neuen Fahndungsmöglichkeiten ausstatten: Sie sollen per Foto oder Stimmprobe nach Personen im öffentlichen Internet fahnden dürfen, nach Tatverdächtigen wie nach Opfern.
Für diese Art der Fahndung ist eine biometrische Datenbank nötig, in der alle verfügbaren Bilder und Videos und Milliarden darin abgebildete Personen biometrisch vermessen und gespeichert werden. Auch das Bundesamt für Migration und Flucht (BAMF) soll die biometrische Online-Suche einsetzen dürfen, um Menschen ohne Papiere im Asylverfahren zu identifizieren.
Für die Ermittlungsbehörden soll zudem die Zweckbindung von Daten aufgehoben werden. BKA oder Bundespolizei dürfen dann bislang getrennt gespeicherte Daten aus verschiedensten Datenbanken zusammenführen und mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz analysieren.
Auch das Waffenrecht wird verschärft, unter anderem werden verdachtsunabhängige Durchsuchungen in bestimmten Zonen erlaubt. Die Möglichkeiten, solche Zonen zu errichten, sind so weit gefasst, dass anlasslose Polizeikontrollen in Zukunft an sehr vielen Orten im öffentlichen Raum möglich werden.
Die Netzcommunity hat sich in den letzten Jahren sehr unparteiisch gegeben… Das ist eine der Ursachen. Jetzt wo die Piratenpartei deshalb keine starke Opposition mehr ist zeigen diese Parteien ihr wahres Gesicht, auch die ehemalige Freiheitspartei FDP…
Das alles zeigt doch das freiheitliche Politik eben nur funktioniert wenn die Internet Community endlich wieder selbst mehr parteipolitisch aktiv wird. Von den Altparteien habt ihr in der Zukunft nichts weniger als den vollständigen Biometischen Chatkontroll Überwachungsstaat zu erwarten… Solange die keine Stimmverluste an andere, z.B. Piraten fürchten müssen werden die früher oder später alles durchprügeln was nur irgendwie geht.
Genau, der Angriff Piraten wird das alles wieder in Ordnung bringen.
Das Problem ist, dass die überwiegende Mehrheit das – wenn überhaupt – erst dann kapiert, wenn es viel zu spät ist.
Die Mehrheit denkt ja offenbar, dass die kleinen Parteien nichts auf die Reihe bekommen und wählt deshalb andauernd überwiegend SPD und CDU (bzw alternativ halt AFD).
Und die Politiker wissen, dass sie im Grunde machen können, was sie wollen, sie haben nichts zu befürchten. Es ist vollkommen egal. Wenn die SPD wieder mal Mist gebaut hat (so wie jetzt), wird als nächstes dann wieder die CDU gewählt. Und dann wieder die SPD.
So läuft es doch offenbar.
Der einzige Angstgegner, denn die von den Prozenten her haben, ist die AFD. Das war’s dann aber auch. Aber mit AFD will keiner zusammenarbeiten, deswegen kommt am Ende immer wieder CDU oder SPD mit FDP / Grüne usw raus. Wobei die AFD keinen Deut besser ist – eher schlimmer, vor allem wenn man bedenkt, was sie jetzt mit diesen neuen Überwachungstools alles anrichten könnte.
Und für die, die auf das BSW geschielt haben, reicht folgender Satz eigentlich schon aus
„CDU, AfD und BSW hielten das umstrittene Gesetzespaket gar für nicht weitgehend genug.“
Die Zukunft kann man sich dann auch ausmalen:
1. Es wird Rufe geben, die biometrische Fahndung auf die allerkleinste Straftat auszuweiten
2. Es werden über kurz oder lang viele weitere Rechteeinschränkungen und Verbote für wasweißich geschaffen (natürlich nur zu unserer Sicherheit, ganz klar), um auch danach biometrisch zu fahnden
3. Genauso würde es mich nicht wundern, wenn Deutschland auch bei der Chatkontrolle über kurz oder lang auch umkippt und auf die Seite der Befürworter wechselt.
Ich bin nur mal gespannt, ob man sich das Online-Verhalten der Leute (bzgl soziale Medien, Youtube-Videos hochladen) usw ändert, wenn dennen mal klar wird, dass in Zukunft alles, was sie öffentlich von sich online stellen – und sei es nur eine Audioaufnahme – , gegen sie verwendet werden kann – und wird.
Nichts für ungut, aber die Piraten haben bis auf Einzelleistungen nichts auf die Reihe bekommen und sich relativ spektakulär selber zerlegt.
Nachtrag:
Man muss aber auch dazu sagen: Die Politiker sind bei weitem nicht das einzige Problem. Ein mindestens genauso großes – wenn nicht gar größeres – Problem sind die Strafverfolgungsbehörden mit ihrem dauernden Geschrei nach weiteren Überwachungsbefugnissen um ihren Traum, sich alles vom Schreibtisch aus zusammenklicken zu können, zu verwirklichen.
Man hat ja z.B. gesehen, dass sie Quick-Freeze ablehnen und unbedingt die VDS wollen
https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/mietpreisbremse-bis-2029-und-quick-freeze/ar-BB1lnopG
Zudem sind sie es ja auch, die immer Druck ausüben, Sicherheitsmechanismen zu zerstören, nur damit sie besser an Informationen kommen und die Bürger überwachen können.
Das einzige, was – ich zumindest – bislang vom BKA noch nicht gesehen habe, ist das Verbreiten von Desinformationen zu Verschlüsselung & Co, wie man es auf EU-Ebene bereits von Europol kennt
https://netzpolitik.org/2024/crypto-wars-europaeische-polizeichefs-schueren-panik-gegen-verschluesselung/
u.a.
Definitiv zuviele Begründungen. Das passierte: Irgendwer hat Demokratie in einen Affenkäfig geworfen. Es stellte sich heraus, dass es ein Affenkäfig war, und nichts anderes werden wollte.
Später fand man heraus, dass sich gar keine Affen im Käfig befunden hatten. Dafür fand man lose organisierte Ameisenhäufchen. Eines war von einer Mauer umgeben und im Gewusel konnte man die hölzerne Gestalt einer Gottesanbeterin erkennen. Man beschloss ein bis zwei Jahrtausende abzuwarten, und stellte den Käfig derweil unter Quarantäne.
Aber hast du denn nicht gehört, dass die vom Chaos Computer Club da nun „Sand ins Getriebe streuen“ wollen? Dann sind wird ja gerettet, wenn ein paar Nerds einer kleinen Anzahl von anderen Nerds oder Interessenten erzählen, was man so alles machen kann.
Natürlich hat Mann/Frau nach 9-10 Stunden Arbeitstag noch Interesse an einem halben IT-Studium. Denn so ein Wissen wie ein halbes IT-Studium braucht man heutzutage, wenn man bedenkt, dass bereits ein Fehler in der Sicherheitskette alles zum Fall bringen kann und somit immer mehr Detailwissen nötig ist. Und selbst wenn man das Wissen hat, braucht man auch noch genügend Zeit um Alles zu „pflegen“, weil was gestern sicher war, heute eventuell bereits unsicher ist.
Und wie gesagt reicht meist bereits ein einziger Fehler und jemand hat entweder alle oder die meisten deiner Daten.
Wie wärs, wenn man mal den Geheimdiensten den Krieg erklärt? Wo sind die neuen Edward Snowdens heute?
Das Einzige was man heutzutage von Hackern hört, ist, dass sie entweder Bounty Hunter für Großkonzerne sind oder normale Leute sowie Kinderkrankenhäuser mit Kryptosoftware beklauen.
Der Bürger in seiner Selbstpositionierung als Konsument von Politik. Das funktioniert nunmal nicht.
Dafür gründet, beauftragt und unterstützt man Parteien, Gewerkschaften, NGOs. Die Reichen können sich das alles kaufen und tun das auch, die breite Masse muss sich dafür zusammentun.
Naja Nerds… schon klar, in Gruppen gibt es Prozesse und Ergebnisse, aber wo sitzt welche Kompetenz, eigentlich?
O-Töne aus meinem Autoradio:
„Die Zustimmung für den Gesetzesteil, der Terrorismus besser bekämpft (kein Konjuktiv!), haben die Abgeordneten verweigert“
Kein Wort von biometrischer Überwachung oder verdachtslosen Kontrollen. NIcely done ÖRF!
„Und für die, die auf das BSW geschielt haben, reicht folgender Satz eigentlich schon aus
„CDU, AfD und BSW hielten das umstrittene Gesetzespaket gar für nicht weitgehend genug.““
Welchen Teil? Oder galt das für alles?
Ich hatte den Satz aus diesem NP-Artikel zitiert.
Ich würde vermuten, es gilt generell für alles. Aber da das in einem Satz mit AFD und – vor allem – CDU erwähnt wurde, würde ich sagen, es geht auch insbesondere vor allem auch um die biometrische Fahndung. Das größte Problem, dass die CDU mit dem Sicherheitspaket hat, ist ja, dass sie die biometrische Fahndung schon für Kleinigkeiten einsetzen will
siehe auch hier
https://www.deutschlandfunk.de/sicherheitspaket-102.html
bzw
https://www.cducsu.de/themen/kampf-gegen-den-terror-sicherheitspaket-der-ampel-ist-wirkungslos
„Mit Blick auf die Verbrechensbekämpfung bemängelte Lindholz, dass der Abgleich biometrischer Daten auf besonders schwere Straftaten beschränkt werde “
Da hatten sie einmal mit Gesichtserkennung einen dicken Fisch gefangen, als sie die RAF-Terroristin durch Primseyes gefunden haben und schon soll es Standard werden und alle Bürger unter permanenten Generalverdacht und permanente Verfolgung gestellt werden
Soviel dann zu den Themen „Demokratie“ und „Rechtsstaat“ Deutschland
Die folgenden Personen aus der Ampel haben gegen beide Gesetze gestimmt (ob schlechter Website des BT kein Anspruch auf Vollständigkeit):
Maja Wallstein
Rasha Nasr
Erik von Malottki
Sabine Grützmacher
Awet Tesfaiesus
Canan Bayram
Nadja Sthamer
Diesen könnte man imho in einem persönlichen Brief für ihre Abstimmung danken, da sie sicherlich genug innerparteilichen Gegenwind bekommen dürften.