KI-HypeWie die öffentliche Verwaltung dem Sparzwang entkommen kann

Die öffentliche Verwaltung soll digitaler und moderner werden. Das Geld dafür fehlt jedoch. Dénes Jäger und Damian Paderta haben eine Idee, wie die Behörden dem Sparzwang ein Schnippchen schlagen können – nämlich mittels KI-Marketing.

ein Zug rast so schnell bei Nacht durch einen Bahnhof (bewegungsunscharf)
Der KI-Hype-Zug fährt auf voller Geschwindigkeit durchs Land. (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Unsplash/Alistar McRobert; Bearbeitung: netzpolitik.org

Der KI-Hype-Zug rast mit voller Geschwindigkeit durchs Land. Die sogenannte Künstliche Intelligenz zieht dabei, finanziert mit öffentlichen Mitteln, auch ins staatliche Digitalangebot ein – ob in Lern-Apps, bei der Erforschung medizinischer Diagnoseverfahren oder als Arbeitsvermittlungstool bei der Arbeitsagentur.

Auch in der öffentlichen Verwaltung ist KI längst angekommen. Hier soll sie dabei helfen, die Verzögerungen bei der Digitalisierung aufzuholen. Noch immer fehlen landesweit einheitliche Standards und offene Schnittstellen. Außerdem mangelt es an Personal, Haushaltsmitteln und Kompetenz.

Insbesondere KI-Startups locken hier mit dem Versprechen auf schnelle Lösungen. Zu ihnen zählt Aleph Alpha, ein Unternehmen mit Sitz in Heidelberg, das als deutsches OpenAI gehandelt wird. Es arbeitet unter anderem mit dem bayrischen Digitalministerium daran, sogenannte Künstliche Intelligenz in die öffentliche Verwaltung zu bringen.

KI-Hype lange angekommen

Doch müssen Kommunen auf den Hype-Zug aufspringen? Brauchen Behörden solche Systeme überhaupt? Welche Probleme soll KI für sie lösen?

Antworten auf diese Fragen suchten Dénes Jäger und Damian Paderta auf der diesjährigen re:publica. Jäger arbeitet für die Open Knowledge Foundation und Paderta ist Digitalberater zu den Themen offenes Regierungshandeln (Open Government), offene Daten (Open Data) und freies Wissen (Open Knowledge).

In ihrem Workshop mit dem Titel „AI-washing als Chance: Mit KI-Bezug zu einer besseren Infrastruktur für die Verwaltung?“ kommen sie zunächst zu einem eindeutigen Fazit: Der KI-Hype ist in den deutschen Amtsstuben längst angekommen. Gleichzeitig sei aber nicht klar, wie KI die zahlreichen Missstände – etwa die veraltete Infrastruktur oder die lückenhaften Datensätze – beheben soll.

Wie schon beim einstigen Hype-Thema Blockchain verspüren viele Behörden auch beim Thema KI eine Fear of missing out (FOMO) – die Angst, die technologische Innovationswelle zu verpassen. Inzwischen sei Blockchain weitgehend vom Tisch, wenn es darum geht, Verwaltungsleistungen zu digitalisieren. Das gleiche Schicksal könne auch den KI-Hype ereilen, so Jäger und Paderta, auch wenn dieser nachhaltiger wirkt als sein Vorgänger.

„Künstliche Intelligenz“ als Verkaufsargument

Solange der KI-Hype-Zug aber noch durchs Land rast, könnten IT-Dienstleister ihre Software-Produkte den Behörden mit dem Stempel „Künstliche Intelligenz“ mit Erfolg feilbieten. Dieses AI-Washing sei derzeit ein beliebter Marketing-Trick, bei dem Anbieter den Nutzen ihrer Software-Lösungen maßlos übertreiben würden. Der Trick funktioniere auch deswegen so gut, da der Begriff „KI“ sehr vage ist.

Warum aber kommt das AI-Washing in den Ämtern so gut an? Darauf haben Jäger und Paderta gleich mehrere Antworten. Kommunen müssten derzeit viele Bälle jonglieren: Meist fehlt es ihnen an Kompetenz im Haus und sie sind von externen Dienstleistern abhängig. Zugleich stünden sie unter wachsendem Innovationsdruck seitens des Bundes und der Wirtschaft.

Breite KI-Förderung versus Sparzwang bei der Digitalisierung

Aus dieser Not könnten die Behörden indes eine Tugend machen, so Jägers und Padertas Idee.

Der Bund will zwar im Rahmen seiner nationalen KI-Strategie bis zum Jahr 2025 insgesamt 5 Milliarden Euro gezielt in KI-Projekte investieren. Allein Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) will bis Ende nächsten Jahres 1,6 Milliarden Euro für KI-Projekte in Bildung, Forschung und Wirtschaft ausgeben. Der KI-Aktionsplan ihres Ministeriums sei ein Update zur KI-Strategie der Bundesregierung. KI dürfe nicht „dämonisiert“ werden, betonte die Ministerin im November vergangenen Jahres. Vielmehr müsse man das Potential der Technologie heben.

Doch der milliardenschweren KI-Förderung steht ein zunehmend strenger Sparzwang gegenüber, den gerade auch die Verwaltungsbehörden spüren. Für deren Digitalisierung sieht der Bundeshaushalt in diesem Jahr gerade einmal 3,3 Millionen Euro (pdf) vor. Darüber hinaus können Behörden, so verspricht es Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), auf Restmittel aus den Vorjahren zurückgreifen.

Diese vergleichsweise geringen Summen reichen aber voraussichtlich nicht aus, um beispielsweise papierne Archive in durchsuchbare Datenbanken zu überführen, Verwaltungsdaten einheitlich bereitzustellen oder die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Antragsformulare automatisiert ausgewertet werden können.

Die Behörden als Trittbrettfahrer

Warum sollen die Verwaltungen daher nicht das AI-Washing als Chance für sich nutzen? Konkret schlagen Jäger und Paderta vor, dass die Kommunen in all ihre Fördermittelanträge die Buchstabenfolge „KI“ einfügen, selbst wenn die entsprechenden Projekte diese nur „minimal oder gar nicht“ vorsehen.

Die Kommunen könnten so als Trittbrettfahrer auf den KI-Zug aufspringen. Sie würden damit dem Sparzwang entkommen und könnten zugleich ihre Digitalisierungsvorhaben in Schlepptau nehmen. Davon profitieren dann nicht in erster Linie jene Software-Buden, die derzeit das große KI-Geschäft wittern, sondern vor allem die Kommunen selbst – und nicht zuletzt auch die Bürger:innen.

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3 Ergänzungen

  1. > Doch müssen Kommunen auf den Hype-Zug aufspringen? Brauchen Behörden solche Systeme überhaupt? Welche Probleme soll KI für sie lösen?

    KI schafft Probleme. Z. B. benötigt KI sehr sehr viel Energie, um nicht zu sagen KI verschleudert, vergeudet wertvolle Ressourcen.

    OpenAI-CEO Altman ist eng verzahnt mit den Atomenergie-Start-ups Oklo und Helion. Oklo arbeitet mit Kernspaltung und entwickelt kleine Kernreaktoren, die mit Atommüll als Brennstoff betrieben werden sollen.

    „Wir sind uns des Energiebedarfs dieser Technologie immer noch nicht bewusst“, sagte OpenAI-Chef Sam Altman im Januar in einem „Bloomberg“-Interview und erhob die Stromfrage zur entscheidenden für die KI-Zukunft: „Ohne einen Durchbruch gibt es keinen Weg.“

  2. > Die Kommunen könnten so als Trittbrettfahrer auf den KI-Zug aufspringen.

    Eine Fahrt auf dem Trittbrett kann schnell mit blutigen Nasen und gebrochenen Knochen enden, denn die Technologie hat sich noch lange nicht bewährt. Kommunen müssen dafür Sorge tragen, dass sie auch in Notlagen funktionieren. Resilienz ist da kein Modewort, sondern Gebot. Nicht wenige Landkreise haben ihren Verwaltungsbetrieb vorübergehend einstellen müssen, weil ihre IT erfolgreich angegriffen wurde. KI ist kein Beitrag zu Derisking, sondern schafft neue (teure) Abhängigkeiten.

    Also zunächst dafür Sorge tragen, dass Feuerwehr und Rathaus lange genug einem Stromausfall trotzen können, und dass keine Sturzbäche und Überschwemmungen Notlagen auslösen. Und beim Nachdenken nicht ignorieren, dass ausgerollte KI die Klimakatastrophe noch weiter anfeuern wird.

    Wer glaubt, KI unbedingt nötig zu haben, der schaut wohl auf Dekaden von Versäumnissen zurück, die sich kaum mehr verbergen lassen.

  3. Es gibt da bei aller Bürgerfreundlichkeit von Behörden und bestimmten Berufsgruppen m.E. Zielkonflikte zu beachten.

    Die Bundessteuerberaterkammer sowie die Beschäftigten der Finanzämter dürften sich aus naheliegenden Gründen z.B. einig sein, dass weitgehend digital automatisierte Steuererklärungen Teufelswerk sind.

    Einigen schwant bereits:, Machine Learning würde ohne restriktive s.g. regulatorische staatliche Maßnahmen Massenarbeitslosigkeit wie in der Weimarer Republik verursachen.

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