GigabitstrategieÜberbau statt Open Access

Anstatt parallele Infrastrukturen aufzubauen, könnten Open-Access-Modelle den Glasfaserausbau schneller und billiger machen. Doch Politik und Regulierer schieben das Thema seit Jahren auf die lange Bank. Eine Bundestagsanhörung zeigt, wo die Probleme liegen.

Viele sehnen sich nach einem offenen und fairen Zugang zu Glasfaserleitungen. Doch weiterhin fehlen klare Regeln für solche Open-Access-Modelle. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Montage: netzpolitik.org

In der Gigabitstrategie der Bundesregierung stecken viele Details, doch einen entscheidenden Konflikt löst sie weiterhin nicht auf. Soll jeder ausbauende Netzbetreiber jedes Mal aufs Neue die Straße aufreißen, um Kabel zu verlegen? Oder sollte es mehr gemeinsame Nutzung von Leitungen geben, sogenanntes Open Access – zur Not behördlich angeordnet?

Der im Sommer vorgestellten Strategie zufolge sollen solche Ko-Investitions- und Open-Access-Modelle „eine wichtige Rolle“ spielen. Offen bleibt aber weiterhin, wie dies regulatorisch ausgestaltet sein soll: Abgesehen von öffentlich geförderten Netzen, die einen Zugang für Wettbewerber zwingend vorsehen, bleibt die Zusammenarbeit vorerst freiwillig. Erst Mitte kommenden Jahres soll das Gigabitforum, in dem die Bundesnetzagentur mit der Industrie und Verbänden offene Fragen diskutieren will, einen Statusbericht über „Prinzipien eines marktweiten Open Access“ abliefern.

Kommt eine freiwillige Selbstverpflichtung?

Bei einer Anhörung im Bundestag am Montag darauf angesprochen, gab sich Klaus Müller von der Bundesnetzagentur zurückhaltend. Er ließ aber durchblicken, dass er eine freiwillige Selbstverpflichtung klar bevorzugen würde: Für Regulierungsmaßnahmen fehle derzeit die gesetzliche Grundlage, eine notwendige Gesetzesänderung wäre „definitiv der langwierigere Weg“.

Obwohl Müller durchaus Bereitschaft in der Branche für mehr Open Access ausmacht, bleibt abzuwarten, ob sich der Ansatz flächendeckend durchsetzt. So müsse sich das Modell für jene Betreiber rechnen, die den ersten Schritt gemacht und Leerrohre verlegt haben, sagte der langjährige Verbraucherschützer. „Insofern ist das keine wohlfahrtsorientierte Geschichte“. Das Ziel sollte ein wettbewerbs- und investitionsfreundlicher Rahmen sein, so Müller.

Von Schweden lernen

Der Open-Access-Ansatz hat sich international als Erfolgsmodell bewährt, unter anderem in Schweden. Dort liegt der Fokus schon seit langem auf einem kommunal getriebenen Ausbau von Glasfasernetzen, mehr als 80 Prozent der Haushalte haben inzwischen Zugang zu solchen Anschlüssen. Neben der besseren Versorgung habe Open Access die Marktzutrittshürden gesenkt, die Produktivität der Unternehmen erhöht und zudem zu Spill-Over-Effekten in andere Branchen wie dem Gesundheitswesen geführt, heißt es in einer Studie des Beratungsunternehmens SBR-net Consulting.

Auch in Deutschland wünschen sich viele kommunale Anbieter mehr Open Access. Nicht nur beschleunige der Ansatz die Versorgung mit Glasfaser, er sorge auch für eine bessere Auslastung der Netze, sagte Thomas Abel vom Verband kommunaler Unternehmen. Generell sollte Deutschland eher auf „Wettbewerb auf dem Netz“ setzen, statt wie bisher auf den sogenannten Infrastrukturwettbewerb. Letzterer führt zwangsläufig zu mehreren parallelen Netzen.

Zumindest müsse aber „strategischem Überbau“ widersprochen werden dürfen, sobald in einer Region ein Angebot für Open Access vorliege, forderte Abel. Das soll andere Netzbetreiber davon abhalten, parallel eine eigene Infrastruktur zu errichten und damit die Wirtschaftlichkeit des ursprünglichen Projekts zu beschädigen. Über diese Praxis des Rosinenpickens klagen Kommunen, die eigene Netze bauen, schon seit langem.

Open Access in Köln

Treffen kann das Problem des Überbaus aber auch Städte und große Betreiber. So errichtet etwa die Telekom Deutschland in Köln ein Glasfasernetz, auf das sich andere Anbieter diskriminierungsfrei aufschalten können sollen. „Da macht Überbau wenig Sinn, denn dann werden wir doppelt Infrastruktur haben in einer Stadt, und in anderen Orten keine“, sagte Jürgen Grützner vom Verband für Telekommunikation und Mehrwertdienste. „Hier sollte der Staat durchaus steuernd eingreifen“.

Zugleich warnte Grützner vor sogenannter „symmetrischer Regulierung“. Dabei würden für alle Betreiber die selben Auflagen für den Zugang gelten, unabhängig von ihrer Marktmacht. Sollten aber Unternehmen wie die Telekom Deutschland gleich behandelt werden wie kleinere Anbieter, würde das die Investoren aus dem Land treiben, befürchtet Grützner.

Für welche Lösung sich das Gigabitforum letztlich entscheidet, klare Regeln sind längst überfällig. Denn zuweilen bleibt selbst Anbietern, die sich mehr Open Access wünschen, nichts anderes übrig, als ineffizient eigene Kabel zu verlegen.

So berichtete etwa Dominik Bay vom Dortmunder Betreiber rrbone über die Probleme in seinem Alltag: Wenn es auf einer bestehenden Glasfaserinfrastruktur kein Open Access gebe, gestalte sich die Kommunikation mit dem jeweiligen Anbieter schwierig. Und wenn eine Zugangsmöglichkeit bestehe, dann würden die Übergabepunkte „nicht wirklich sinnvoll für uns liegen“, klagte Bay. „Am Ende des Tages sind wir einfach schneller, wenn wir überbauen“.

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Eine Ergänzung

  1. Nicht nur Schweden auch in der Schweiz. In den meisten groesseren Staedten wurde von den Stadtwerken zusammem mit einem Partner (meist Swisscom) gebaut. In jedem Keller hat es Pro wohneinheit mehrere Fasern. 1 Swisscom, 1 Stadtwerk plus reserve.
    Als Kunde kann man frei waehlen welche Anbieter man will.
    Die andere Telcos koennen entwerder ein fertiges Produkt der Stadtwerke resellen oder die Fiber dark mieten.

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