Bundesregierung verschlimmbessert Gesetz gegen „Glasfaser-Piraterie“, löst aber das grundlegende Problem nicht

Wir veröffentlichen den Gesetzentwurf der Bundesregierung, der den überfallsartigen Überbau von Glasfasernetzen verhindern soll. Dabei hält sie wider besseres Wissen am ineffizienten Infrastrukturwettbewerb fest. Glücklich macht sie damit niemanden und verlängert die digitale Spaltung.

Wie viele Kabel nebeneinander sind sinnvoll? (Symbolbild) CC-BY-SA 2.0 Anthony Albright

Seit dem Sommer bastelt das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) an einer Gesetzesänderung, mit der es in bestimmten Fällen den sogenannten „Überbau“ von Infrastruktur verhindern will. Zu oft soll das DigiNetz-Gesetz missbraucht worden sein, beklagen vor allem Wettbewerber des Marktführers Telekom Deutschland, um billig eigene Glasfaserleitungen mitzuverlegen, sobald ein anderer Netzbetreiber eine Straße aufgräbt.

Das bringt besonders Gemeinden in die Bredouille, die unterversorgte Gebiete, in denen sich der Breitbandausbau bislang wirtschaftlich nicht gerechnet hat, mit modernen Glasfaserleitungen ausstatten wollen. Üblicherweise durchlaufen sie dabei ein langwieriges Verfahren, führen eine Markterkundung durch, planen die Finanzierung und Umsetzung des Projekts und reichen gegebenenfalls Anträge auf Bundes- und Landesförderung ein. Insgesamt kann sich das schon mehrere Jahre hinziehen. Nutzt nun ein Netzbetreiber das im DigiNetz-Gesetz verankerte Recht auf Mitverlegung, gefährdet das die Kalkulation des ursprünglichen Projekts.

Letzten August haben wir über den Gesetzentwurf berichtet und die damalige Fassung veröffentlicht, mit der niemanden so richtig glücklich war. Jüngst hat die Bundesregierung schließlich eine überarbeitete Version beschlossen – die auf genauso wenig Gegenliebe stößt, wie Heise Online am Montag berichtete. Und weil weder die Regierung noch das BMVI den im Kabinett verabschiedeten Gesetzestext herausgeben beziehungsweise die Veröffentlichung so lange wie möglich hinauszögern will, publizieren wir den uns zugespielten Referentenentwurf im Volltext.

Kleine Änderung mit großer Wirkung

Im Vergleich zur im Sommer vorgelegten TKG-Änderung hat die Regierung ihren Vorschlag abgeschwächt. Im August hieß es:

Anträge sind insbesondere dann unzumutbar, soweit durch die zu koordinierenden Bauarbeiten ein geplantes Glasfasernetz, das einen diskriminierungsfreien, offenen Netzzugang zur Verfügung stellt, überbaut würde.

Nun steht in der Novelle, die noch vom Bundesrat und Bundestag abgesegnet werden muss:

Anträge können insbesondere dann unzumutbar sein, soweit durch die zu koordinierenden Bauarbeiten ein geplantes öffentlich gefördertes Glasfasernetz, das einen diskriminierungsfreien, offenen Netzzugang zur Verfügung stellt, überbaut würde.

Die zuständige Bundesnetzagentur kann also relativ frei entscheiden, ob ein Antrag auf Mitverlegung „unzumutbar“ ist oder nicht. Die gewünschte Rechts- und Planungssicherheit, auf die das überarbeitete Gesetz auch abzielt, liefert eine solch unscharfe Formulierung nicht.

Zudem soll der Überbauschutz nur dann gelten, wenn konkrete öffentliche Mittel den Netzausbau fördern, etwa ein Bundes- oder Landesförderprogramm. „Öffentlich gefördert ist ein geplantes Glasfasernetz ab dem Moment, in dem für den Bau des Netzes ein Zuwendungsbescheid bekanntgegeben wurde oder einem vorzeitigen Maßnahmenbeginn zugestimmt wurde“, heißt es in der Begründung.

Dies würde sicherstellen, dass kommunale Unternehmen wie Stadtwerke, die sich ganz oder teilweise in öffentlicher Hand befinden, nicht automatisch andere Netzbetreiber mitverlegen lassen müssen, selbst wenn sie den Ausbau eigenwirtschaftlich vornehmen. Allerdings schätzte ein Branchenkenner im Gespräch mit netzpolitik.org die Formulierung als nicht stark genug ein. Womöglich müssten also auch an dieser Stelle erst Gerichte Klarheit schaffen.

Wer nicht ausbauen will, soll nicht ausbauen dürfen

Erhalten bleiben müsse auf jeden Fall die Einschränkung des Mitverlegungsrechts, sagt ein Sprecher des Deutschen Landkreistags. „Gemeint sind Konstellationen, in denen die Kommune ein Glasfaserkabel verlegt und der Konkurrent – oft die Telekom – sein eigenes Glasfaserkabel danebenlegt und damit die Wirtschaftlichkeitsrechnung obsolet wird“, so der Sprecher. Zudem müsse das Markterkundungsverfahren rechtsverbindlicher ausgestaltet werden: „Hier stellen wir uns vor, dass Unternehmen, die im Rahmen dieses Verfahrens erklären, nicht ausbauen zu wollen, rechtlich an einem Ausbau gehindert werden.“

Aus Sicht der Telekom Deutschland hat sich das Problem deutlich entschärft, seit man im Januar 2017 eine „Wohlverhaltenserklärung“ unterzeichnet habe. Jedenfalls seien dem Unternehmen seither „keine Fälle bekannt“, sagte uns ein Sprecher im August. Branchenkenner sprechen jedoch von dutzenden oder gar „weit über 100 Fällen“, in denen ein plötzlicher Überbau durch die Telekom andere Projekte gefährdet habe. Von Golem.de durchgeführte Stichproben lassen den Schluss zu, dass viele Kommunen weiterhin unter den Taktiken der Telekom und anderer Netzbetreiber leiden.

Im Detail wollte die Telekom den aktuellen Entwurf nicht bewerten, sondern verwies auf die Pressemitteilung des Branchenverbandes Bitkom (die Telekom ist eines der größten Mitglieder). Angesichts der hohen Tiefbaukosten, die bis zu 80 Prozent der Gesamtkosten ausmachten, sei es sinnvoll, „die ohnehin stattfindenden Baumaßnahmen für den Glasfaserausbau zu nutzen und den Infrastrukturwettbewerb bei Glasfasernetzen zu stärken“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. Sonst würden „neue, lokale Monopole mit entsprechend unkontrollierten und marktunüblichen Preisvorstellungen“ entstehen, worunter in erster Linie die Verbraucher leiden würden.

Da ist natürlich was dran – wenn man zulässt, dass übermächtige Unternehmen nach Gutdünken schalten und walten können, ohne eine regulatorische Aufsicht befürchten zu müssen. Freilich ist es gerade die Telekom, die auf eine vollständige Deregulierung von Glasfasernetzen drängt und lieber alleine entscheiden würde, wen sie zu welchen Bedingungen in ihr Netz lässt (wenn überhaupt). Den Rest würde der freie Markt dann schon selbst regeln, denn „eine Deregulierung mit der Möglichkeit freier Verhandlungen [ist] die beste Methode, um eine wettbewerbliche und investitionsfördernde Umgebung zu schaffen“, schrieb das Unternehmen im Vorjahr an die Bundesnetzagentur.

Ineffizienter Infrastrukturwettbewerb ist ineffizient

Diese verworrene Gemengelage zur Zufriedenheit aller aufzulösen, fällt offensichtlich nicht leicht. Schon gar nicht, wenn das darunterliegende Konzept des Infrastrukturwettbewerbs dafür sorgt, dass neben einem (womöglich mit Vectoring aufgemotzten) Kupferkabel das eines Kabelanbieters liegt – und daneben künftig ein oder mehrere Glasfasern, wenn es nach Infrastrukturminister Andreas Scheuer (CSU) und seinen Vorgängern geht. Deutlich sinnvoller und effizienter wäre, eine moderne Glasfaserinfrastruktur zu bauen und die Zugangsbedingungen (Open-Access-Prinzip) scharf zu regulieren.

„Weil in ländlichen Regionen der Glasfaserausbau besonders teuer ist, ist ein Über- oder Doppelausbau volkswirtschaftlich höchst unvernünftig“, sagt ein Sprecher des Verbandes kommunaler Unternehmen, dessen Mitgliedsunternehmen nach Eigenaussage deutschlandweit mehr als sechs Millionen Kunden mit Internet versorgen. „Es sollte zu einem Wettbewerb auf dem Netz und nicht vorrangig zu einem Wettbewerb um Infrastrukturen kommen.“

Das sagt im Übrigen die Begründung des Gesetzentwurfs dazu:

Ein paralleler Ausbau von Telekommunikationsinfrastrukturen als Infrastrukturwettbewerb ist grundsätzlich erwünscht.

Aber ein wenig weiter unten heißt es:

Denn der parallele Ausbau von Glasfasernetzen ist im Regelfall ökonomisch nicht effizient und erfolgt im Einzelfall aus rein (unternehmens-)strategischen Erwägungen.

Update: Mittlerweile hat der Bundesrat den (identischen) Gesetzentwurf veröffentlicht.


Referentenentwurf des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

Entwurf eines fünften Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes (5. TKG-Änderungsgesetz – 5. TKGÄndG)

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Telekommunikationsgesetzes

Dem § 77i Absatz 3 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das zuletzt durch Artikel 10 Absatz 12 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618) geändert worden ist, wird folgender Satz angefügt:

„Anträge können insbesondere dann unzumutbar sein, soweit durch die zu koordinierenden Bauarbeiten ein geplantes öffentlich gefördertes Glasfasernetz, das einen diskriminierungsfreien, offenen Netzzugang zur Verfügung stellt, überbaut würde.“

Artikel 2

Inkrafttreten

Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil
I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Die Änderung verfolgt das Ziel, den grundsätzlich im Telekommunikationsmarkt erwünschten Infrastrukturwettbewerb effizient auszugestalten und Fehlanreize zu beseitigen.

Mit dem Ende 2016 in Kraft getretenen DigiNetzG wurden in Umsetzung der europäischen Kostensenkungsrichtlinie die Regeln zur Koordinierung von Bauarbeiten für den Breitbandausbau in das TKG eingeführt.

Danach besteht im Rahmen von öffentlich (teil-)finanzierten Bauarbeiten die Pflicht, Telekommunikationsunternehmen die Verlegung von Breitbandinfrastrukturen im Rahmen der Bauarbeiten zu ermöglichen. So sollen vor allem sektorübergreifende Synergien genutzt werden, wenn etwa bei der Verlegung von Abwasserkanälen ohnehin Tiefbauarbeiten durchgeführt werden müssen. Inzwischen wird aber vielfach ein Anspruch auf Mitverlegung von Breitbandinfrastrukturen geltend gemacht, wenn die Ausgangs-Tiefbauarbeiten ihrerseits dazu dienen, Telekommunikationsinfrastrukturen auszurollen.

Ein paralleler Ausbau von Telekommunikationsinfrastrukturen als Infrastrukturwettbewerb ist grundsätzlich erwünscht. Auch sollen grundsätzlich bei ganz oder teilweise öffentlich finanzierten Bauarbeiten mehrere Netzbetreiber sektorübergreifende Synergien heben können. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass das Recht zur Koordinierung von Bauarbeiten nicht zu einem Investitionshemmnis des Ausbaus von Gigabitnetzen in unterversorgten Gebieten führt.

Wird eine Zuwendung zum erstmaligen Ausbau eines Glasfasernetzes in unterversorgten und für einen eigenwirtschaftlichen Ausbau durch Telekommunikationsnetzbetreiber unattraktiven Gebieten gewährt, kann eine Pflicht zur Koordinierung von Bauarbeiten zum Ausbau paralleler Telekommunikationsnetze die Wirtschaftlichkeit des geförderten Netzes im Infrastrukturwettbewerb beeinträchtigen oder sogar gefährden. Ausfälle bei Einnahmen aus direkt vermarkteten Anschlüssen können auf dem geförderten Netz dann nicht durch Einnahmen aus entsprechenden Vorleistungsprodukten für andere Telekommunikationsnetzbetreiber ausgeglichen werden.

Zudem unterliegt der Empfänger der öffentlichen Zuwendung umfangreichen Auflagen und Regelungen, während ein überbauender Telekommunikationsnetzbetreiber über die Koordinierung der Bauarbeiten letztlich an den durch öffentliche Förderung gesunkenen Baukosten und damit an dem auf diese Weise induzierten Einspareffekt anteilig partizipiert, ohne entsprechende Auflagen (z. B. einer Verpflichtung zum offenen Netzzugang) erfüllen zu müssen.

Durch den vorliegenden Entwurf werden diese Fehlanreize beim öffentlich geförderten Glasfaserausbau beseitigt.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Der Gesetzentwurf dient der effektiven Ausgestaltung des Infrastrukturwettbewerbs im Rahmen der Koordinierung von Bauarbeiten und der Beseitigung von Fehlanreizen beim öffentlich geförderten Glasfaserausbau.

Nach § 77i Absatz 3 Satz 1 muss einem Antrag auf Koordinierung von Bauarbeiten grundsätzlich stattgegeben werden, wenn dieser – neben der Erfüllung weiterer Merkmale – zumutbar ist. Satz 2 enthält besondere Merkmale, welche die Zumutbarkeit weiter ausgestalten. Der Gesetzentwurf ergänzt diese Regelungen mit einer Ausformung der Unzumutbarkeit eines Koordinierungsantrags.

So trägt die Koordination von öffentlich finanzierten Bauarbeiten weiterhin grundsätzlich dazu bei, dass sektorübergreifende Synergien für den Breitbandausbau genutzt werden. Sobald aber der Hauptzweck der ursprünglichen Baustelle in der Errichtung eines ersten Glasfasernetzes in nachweislich unterversorgten Gebieten liegt, kann die Verpflichtung zur Mitverlegung des Netzes des Wettbewerbers insgesamt zu einem Investitionshemmnis und zur wirtschaftlichen Benachteiligung des unmittelbar geförderten Telekommunikationsnetzes führen. Deshalb spricht der Regelungsentwurf explizit diesen Fall an und ermöglicht einen Überbauschutz, wenn die Koordinierung der Bauarbeiten dazu genutzt werden soll, ein bereits geplantes öffentlich gefördertes Glasfasernetz mit eigenen Telekommunikationsinfrastrukturen zu überbauen. Gleichzeitig wird der Überbauschutz nur bei Vorliegen eines offenen und diskriminierungsfreien Netzzugangs eröffnet, um den Koordinierungspetenten nicht vom Wettbewerb auszuschließen.

B. Besonderer Teil

Die Ergänzung in § 77i Absatz 3 konkretisiert, unter welchen Bedingungen ein Antrag auf Koordinierung von Bauarbeiten nach § 77i Absatz 2 unzumutbar sein kann.

Nach § 77i Absatz 2 haben Eigentümer oder Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze das Recht, bei Eigentümern oder Betreibern öffentlicher Versorgungsnetze die Koordinierung von Bauarbeiten zu beantragen. Diesen Anträgen ist gemäß § 77i Absatz 3 Satz 1 dann zu transparenten und diskriminierungsfreien Bedingungen stattzugeben, wenn die Eigentümer oder Betreiber der öffentlichen Versorgungsnetze die ganz oder teilweise aus öffentlichen Mitteln finanzierten Bauarbeiten direkt oder indirekt ausführen.

Dieser Anspruch auf Koordinierung von Bauarbeiten unterliegt gesetzlichen Beschränkungen. Zum einen kann der Koordinierungsantrag gemäß § 77i Absatz 5 ganz oder teilweise abgelehnt werden, soweit von dem Antrag Teile einer kritischen Infrastruktur, insbesondere deren Informationstechnik, betroffen sind, die nachweislich besonders schutzbedürftig und für die Funktionsfähigkeit der kritischen Infrastruktur maßgeblich sind (Nummer 1), und der Betreiber des öffentlichen Versorgungsnetzes zur Koordinierung der Bauarbeiten unverhältnismäßige Maßnahmen ergreifen müsste, um die ihm durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes auferlegten Schutzpflichten zu erfüllen (Nummer 2). Zum anderen ist nach § 77i Absatz 3 Satz 1 nur zumutbaren Anträgen stattzugeben. Bislang wird der unbestimmte Rechtsbegriff der Zumutbarkeit in § 77i Absatz 3 Satz 2 dahingehend konkretisiert, in welchen Fällen insbesondere von einer Zumutbarkeit auszugehen ist.

Das Recht auf die Koordinierung von Bauarbeiten ist bald nach Inkrafttreten des DigiNetzG auf praktische Schwierigkeiten gestoßen. Diese Schwierigkeiten betreffen die Frage, inwieweit das Recht auf Baustellenkoordinierung dazu genutzt werden darf, eigene Telekommunikationsinfrastrukturen parallel zu der mit den entsprechenden Bauarbeiten zu verlegenden öffentlich geförderten Telekommunikationsinfrastruktur zu verlegen.

Erfolgt in einem Gebiet ausweislich eines erfolgten Markterkundungsverfahrens kein Breitbandausbau auf privatwirtschaftlicher Basis, können Bund und Länder den Breitbandausbau fördern. Wird der Ausbau eines Netzes gefördert, sind die Bauarbeiten zum Ausbau des Netzes im Sinne des § 77i Absatz 3 öffentlich (teil-)finanziert. Somit entsteht die Situation, dass der Anspruch auf die Koordinierung von Bauarbeiten auch gegen die Betreiber von Telekommunikationsinfrastruktur – und damit gegen Wettbewerber der Koordinierungspetenten – geltend gemacht werden kann.

In der Praxis war bereits auch die als nationale Streitbeilegungsstelle eingerichtete Beschlusskammer der Bundesnetzagentur mit Fällen befasst, in denen im Rahmen des Ausbaus von Telekommunikationsnetzen Anträge auf Koordinierung von Bauarbeiten zum parallelen Ausbau des eigenen Netzes gestellt wurden.

Ein solches Szenario hat zur Folge, dass der geförderte Ausbau der erstausbauenden Infrastrukturbetreiber droht, unrentabel zu werden. Aggregiert man eine gegebene Fördersumme mit den geplanten Einnahmen aus den Endkundenverträgen, reduzieren sich aus Sicht des erstausbauenden Betreibers wegen Wegbrechens beziehungsweise Wechsels der Anschlüsse auf den zweiten Betreiber die geplanten Einnahmen, so dass das Projekt insgesamt unrentabel wird. Somit entsteht nicht nur für ausbauende Netzbetreiber und Investoren ein ernsthaftes Hemmnis für den weiteren Ausbau von Glasfasernetzen. Auch die Kommunen könnten von weiteren Ausbauprojekten abgeschreckt werden, wenn sie befürchten müssten, wegen der drohenden Koordinierung keinen Betreiber für den Erstausbau zu finden und einen erbrachten Eigenanteil nicht mehr refinanzieren zu können. Denn der parallele Ausbau von Glasfasernetzen ist im Regelfall ökonomisch nicht effizient und erfolgt im Einzelfall aus rein (unternehmens-)strategischen Erwägungen. Dies gilt umso mehr, als es in Fördergebieten um solche Gebiete geht, in denen ausweislich des erfolgten Markterkundungsverfahrens kein Telekommunikationsnetzbetreiber eigenwirtschaftlich ausbaut. Erfolgt der nachfolgende Ausbau entgegen vorheriger Bekundungen im Rahmen des Markterkundungsverfahrens und damit aus rein strategischen Gründen und ermöglicht das geplante Glasfasernetz einen offenen Netzzugang für Wettbewerber, handelt es sich um eine Fehlentwicklung, die vom europäischen Gesetzgeber in der Kostensenkungsrichtlinie nicht gewollt ist. Diese Entwicklung steht zudem in diametralem Gegensatz zu den Zielen des Koalitionsvertrages. Vor diesem Hintergrund bedarf es einer Korrektur in Form der neuen Unzumutbarkeitsprüfung.

Die Regelung der Unzumutbarkeit ist beschränkt auf den Überbauschutz von Glasfasernetzen und unterstützt damit das Ziel des Koalitionsvertrages, den Netzinfrastrukturwechsel zur Glasfaser konsequent zu vollziehen. Glasfasernetze in diesem Sinne sind solche Glasfaserinfrastrukturen, die mindestens dem Ausbau von FttB- oder FttH-Netzen dienen.

Die Feststellung der Unzumutbarkeit erfolgt im Streitfall im Verwaltungsakt, den die als Streitbeilegungsstelle angerufene Bundesnetzagentur erlässt (§§ 77n Absatz 5 Satz 1 und § 132 Absatz 2 Satz 2 TKG), und erfordert eine Ermessensausübung, bei der alle Umstände des Einzelfalls sachgerecht einbezogen werden müssen.

Öffentlich gefördert ist ein geplantes Glasfasernetz ab dem Moment, in dem für den Bau des Netzes ein Zuwendungsbescheid bekanntgegeben wurde oder einem vorzeitigen Maßnahmenbeginn zugestimmt wurde. Dabei ist es nicht von Belang, ob die öffentliche Förderung durch den Bund, ein Land oder mittels einer Kofinanzierung erfolgt. Das Vorliegen des Zuwendungsbescheides oder der Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn ist jedoch erforderlich. Erst ab dem Vorliegen des Zuwendungsbescheides oder der entsprechenden Zustimmungserklärung darf der Zuwendungsempfänger tätig werden und ist eine Koordinierung von Bauarbeiten auch überhaupt erst möglich. Weiterhin gibt das Vorliegen eines Zuwendungsbescheides oder der Zustimmungserklärung als Voraussetzung genügend Rechtssicherheit für die zeitliche Anwendung der Unzumutbarkeitsprüfung. Werden die entsprechenden Strecken allerdings nicht durch Fördermittel, sondern auf anderem Wege (beispielsweise mittels Anliegerbeiträgen) finanziert, liegt keine öffentliche Förderung vor.

Öffentlich gefördert werden können auch rein privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist. So legt beispielsweise der Leitfaden zur Umsetzung der Richtlinie „Förderung zur Unterstützung des Breitbandausbaus in der Bundesrepublik Deutschland“ (Förderrichtlinie) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 22.10.2015 – Version 6 v. 14.7.2017- in Punkt 4.3 fest, dass es bei der Frage der Begünstigung nicht auf die Eigentumsverhältnisse ankommt, so dass an geförderten Unternehmen auch kommunale Anteilseigner beteiligt sein können. Die Bauarbeiten zum Ausbau von Glasfasernetzen sind also nicht schon bereits aufgrund der Unternehmensbeteiligung der öffentlichen Hand am Telekommunikationsnetzbetreiber ganz oder teilweise aus öffentlichen Mitteln finanziert. Diese Telekommunikationsnetzbetreiber unterliegen daher nicht per se der Pflicht zur Koordinierung von Bauarbeiten. Von diesem Fall ist jedoch ein Ausbau von anderen Versorgungsnetzen als Telekommunikationsnetzen durch einen privatwirtschaftlich organisierten Netzbetreiber in öffentlicher Hand zu unterscheiden, soweit die Bauarbeiten der Ausfüllung eines öffentlichen Zwecks dienen. Insgesamt stellen bei Nichtvorliegen der Koordinierungspflicht die strikte Befolgung und Verankerung des Privatwirtschaftlichkeitsgebots im Rahmen privatwirtschaftlicher kommunaler Ausbautätigkeit und bei Vorliegen einer Koordinierungspflicht die Vorgaben zum diskriminierungsfreien und offenen Netzzugang als Voraussetzung der Unzumutbarkeit sicher, dass keine monopolähnlichen Gebietsstrukturen entstehen.

Die Angabe, dass die Koordinierung den Überbau eines geplanten Glasfasernetzes bewirken würde, ist erforderlich, da „Überbau“ gemäß der Definition in § 3 Nummer 27a nur die „nachträgliche Dopplung von Telekommunikationsinfrastrukturen durch parallele Errichtung“ ist. Das Netz, das in Gefahr steht, mittels der Koordinierung von Bauarbeiten überbaut zu werden, existiert aber noch nicht.

Der Überbau nach der Definition in § 3 Nummer 27a erfordert weiterhin, dass mit der parallelen Errichtung dasselbe Versorgungsgebiet erschlossen werden soll. Entscheidend ist hier nach Sinn und Zweck des Schutzes vor Überbau, dass mit dem mittels der Koordinierung zu verlegenden Netzes dieselben Endkundenanschlüsse versorgt werden sollen. Denn unrentabel wird der Ausbau durch den Umstand, dass dieselben Endkunden vom parallel errichteten Netz versorgt werden sollen und damit nicht mehr Erlöse beim erstausbauenden Betreiber generieren. Das bedeutet, dass bei Teilschnittmengen der Endkunden die nationale Streitbeilegungskammer im Einzelfall anhand der Quantität der Überschneidung und der Beeinträchtigung des Geschäftsmodells des Erstverlegenden entscheiden muss, ob der Überbauschutz angemessen ist. Sollen jedoch nachweislich andere Endkunden angebunden werden, greift die Überbaueinrede nicht. Diese Erwägungen folgen aus der Formulierung, dass die Koordinierung dann unzumutbar sein kann, soweit es sich um einen Überbau eines Glasfasernetzes handelt. Der Überbauschutz setzt wie der Versagungsgrund des § 77g Absatz 2 Nummer 7 weiterhin voraus, dass das geplante Glasfasernetz einen diskriminierungsfreien, offenen Netzzugang zur Verfügung stellt. In den Fällen eines geförderten Glasfasernetzes besteht ein diesem Kriterium entsprechender offener Netzzugang bereits aufgrund der zuwendungsrechtlichen Vorgaben. Die Eröffnung einer Unzumutbarkeitsprüfung als Ausnahme vom gesetzlichen Regelfall des Rechts auf Koordinierung der Bauarbeiten bedarf jedoch auch im Einzelfall zum einen der technischen Möglichkeit der Nutzung des offenen Netzzuganges als auch der Festsetzung eines diskriminierungsfreien, angemessenen und fairen Entgelts für den offenen Netzzugang. Beides unterliegt im Streitfall der Überprüfung durch die nationale Streitbeilegungsstelle.

Die freiwillige Gewährung der Koordinierung von Bauarbeiten bleibt weiterhin möglich. Dies stellt einen zusätzlichen Anreiz für Investitionen in offene Glasfasernetze dar.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

1 Ergänzungen

  1. Okay, es ist nicht alles schlecht, doch ist es erstaunlich,
    um wieviel besser es hätte sein können.
    Wer hat eigentlich Interesse an diesem schlechten Ergebnis.
    Wer deckt diesen Betrug am Wähler?
    …. wieso habe ich immer öfter ein Gefühl
    von Kontrollverlust in der Demokratie ?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.