Bundesregierung will Glasfaserausbau beschleunigen

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Ein heute von der Bundesregierung beschlossener Gesetzentwurf soll den Glasfaserausbau in Deutschland spürbar voranbringen. Demnach sollen öffentliche Versorgungsnetzbetreiber wie Stadtwerke dazu verpflichtet werden, ihre bestehende sowie geplante passive Infrastruktur für die Mitbenutzung zu öffnen.

Sobald der Bund oder eine Kommune eine Straße neu baut oder saniert, müssen künftig Glasfaserkabeln mitverlegt werden. Auch neu erschlossene Neubaugebiete sollen nicht mehr über Kupferleitungen, sondern ausschließlich über Glasfaser angebunden werden. Offenbar meint der Gesetzentwurf nicht nur die passive Infrastruktur bis vor das Haus (FTTB), sondern bis in die jeweiligen Wohnungen (FTTH):

Weiterhin soll mit der Regelung für Neubaugebiete sichergestellt werden, dass dort, wo ein ganzes Gebiet neu erschlossen wird, ob Wohn- oder Gewerbegebiet, keine neuen Schwachstellen in Form von Kupferinfrastrukturen entstehen, sondern vielmehr nachhaltige Hochgeschwindigkeitsinfrastruktur bis zum Endkunden verlegt wird.

Bereits vorhandene Infrastruktur wie Energie- und Abwassernetze an Straßen, Schienen sowie Wasserstraßen soll ebenfalls für Glasfaserleitungen geöffnet werden, sofern noch Kapazitäten frei sind. Telekommunikations-Unternehmen sollen für die anschließende Nutzung ein „faires und angemessenes Entgelt“ an den Infrastrukturbetreiber zahlen.

Beim „Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze (DigiNetzG)“ handelt es sich um die Umsetzung der EU-Richtlinie 2014/61/EU vom Mai 2014, die die Kosten beim Ausbau von NGA-Netzen (Next Generation Access) senken soll.

Bessere Abstimmung bei Tiefbauarbeiten

Neben der Mitnutzung bestehender Infrastruktur sieht der Entwurf auch die Koordination von Bauarbeiten vor – immerhin machen Tiefbaukosten mit bis zu 80 % den Löwenanteil des Finanzierungbedarfs aus. Das soll eine zentrale Informationsstelle der Bundesnetzagentur (BNetzA) übernehmen, bei der die Unternehmen ihre Netzinfrastrukturen melden müssen beziehungsweise Auskünfte über den jeweiligen Ausbaustand einholen können, um Doppelgleisigkeiten zu vermeiden. Insgesamt erwartet das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) einen Erfüllungsaufwand von einer Million Euro für die betroffenen Unternehmen.

Im Gegenzug soll es durch die Maßnahmen zu Einsparungen in der Höhe eines zweistelligen Milliardenbetrags kommen, rechnete der zuständige Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) in einer heutigen Regierungsbefragung durch das Parlamentsplenum vor. Auf einen genauen Betrag wollte sich der Bundesminister nicht festklopfen lassen, sondern machte die Einsparungen davon abhängig, „wie viele Tiefbaukosten man sich ersparen kann“. Der Gesetzentwurf selbst nennt bei einem flächendeckenden Netzausbau eine Zahl von bis zu 20 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren, abhängig vom gewählten Technologiemix.

„Einsparpotenzial deutlich zu hoch gegriffen“

Vor allzu überzogenen Erwartungen warnte der Bundesverband Glasfaseranschluss (BUGLAS). „Zum einen halten wir dieses Einsparpotenzial insgesamt für deutlich zu hoch gegriffen. Zum anderen wird damit der Eindruck erweckt, als könne der Breitbandausbau mit dem Gesetz erheblich vergünstigt und vor allem beschleunigt werden,“ erklärte der Geschäftsführer Wolfgang Heer. Auch die Erfüllungskosten für die Wirtschaft könnten laut Heer „erheblich höher ausfallen“ als im Gesetzentwurf prognostiziert.

Den Verpflichtungen, „bei Arbeiten an öffentlichen Straßen und in Neubaugebieten immer auch Glasfaserkabel mitzuverlegen und neue Gebäude ab Anfang kommenden Jahres auch intern mit einer hochleistungsfähigen Telekommunikationsinfrastruktur auszustatten,“ steht BUGLAS positiv gegenüber, jedoch handle es sich um altbekannte Forderungen, die der Verband bereits in den vergangenen Jahren vorgeschlagen habe. „Ausdrücklich begrüßen wir, dass der Gesetzentwurf in der aktuellen Fassung nun wie von uns gefordert einen Überbau bestehender Glasfasernetze ausschließt, sofern auf diesen ein offener und diskriminierungsfreier Zugang angeboten wird,“ betonte Heer.

Überbau bestehender Infrastruktur befürchtet

Auch der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) begrüßte grundsätzlich den Gesetzentwurf und befürwortete ausdrücklich Maßnahmen, die den NGA-Ausbau billiger machen. Allerdings befürchte man zusätzlichen „Breitbandausbau in Gebieten, in denen bereits hochleistungsfähige Glasfasernetze ausgerollt worden sind“. Volkswirtschaftlich ergebe ein solcher Überbau keinen Sinn. Stattdessen möge man die Zugangsverpflichtung zu bestehender Infrastruktur auf besonders unterversorgte Gebiete beschränken, wo bislang keine schnellen Breitbandanschlüsse verfügbar sind. „Der Fokus sollte auf einem raschen und vor allem effizienten Glasfaserausbau in der Fläche liegen – und nicht dort, wo bereits heute leistungsfähige Breitbandzugänge von Privat- und Geschäftskunden gebucht werden können“, forderte BREKO-Geschäftsführer Stephan Albers.

In die gleiche Kerbe schlug der Verband der Anbieter von 
Telekommunikations- und  Mehrwertdiensten (VATM): „Besonders wichtig für zukünftige Investitionen ist, dass der jetzige Gesetzentwurf nun einen Überbau bestehender Glasfasernetze ausschließt, wenn auf diesen ein offener und diskriminierungsfreier Zugang angeboten wird.“ erklärte Geschäftsführer Jürgen Grützner, auch wenn man den Entwurf prinzipiell begrüße. Wie BUGLAS erwartet der Verband jedoch nicht die angepeilte Kostenreduzierung, die „extrem hoch angesetzt“ erschienen würden. „Zudem können die Maßnahmen ihre Wirkung nur im Rahmen einer Gesamtstrategie auf dem Weg zur Gigabit-Gesellschaft optimal entfalten, die bislang noch fehlt,“ sagte Grützner und verwies etwa auf die „Vectoring-Monopolpläne der Telekom“, die den Ausbau von NGA-Netzen durch Kommunen und Energieversorger behindern würde.

Telekom-Leitungen für Konkurrenz öffnen?

Der Frage der Bundestagsabgeordneten Tabea Rößner (Bündnis 90/Die Grünen), ob nicht auch die Telekom Deutschland brachliegende beziehungsweise unbeschaltete Glasfaserleitungen für Wettbewerber öffnen müsste, wich Verkehrsminister Dobrindt aus und stellte die Beratung im Bundestag in Aussicht, die Details zur Mitnutzung klären soll. Davon will der Marktführer freilich nichts wissen, wie uns ein Unternehmenssprecher nder Telekom mitteilte: „Die Forderung nach Mitnutzung angeblich ungenutzer Glasfaser geht am eigentlichen Problem vorbei: Teuer ist der Tiefbau. Relevant ist deshalb die Mitnutzung von Leerrohren. Und zwar symmetrisch für alle.“ Vor dem Wettbewerb habe man keine Angst und nehme überdies auch das Wort „Überbau“ nicht in den Mund: „Wir haben kein Problem mit Infrastrukturwettbewerb, der ja auch regulatorisch gewünscht ist“, so der Sprecher.

Genau diesen Infrastrukturwettbewerb wünscht sich Rößner, der durch das Gesetz gestärkt werden müsste: „Darum frage ich mich, warum unbeschaltete Glasfaserkabel – also sogenanntes Dark Fibre – über die insbesondere die Deutsche Telekom verfügt, von der im DiGiNetzG vorgesehenen Definition für ‚passive Netzinfrastrukturen‘ und den darauf gerichteten Mitnutzungsregeln nicht umfasst wurde? Es sieht so aus, als ob Dobrindt verhindern will, dass die Wettbewerber die Infrastruktur des Platzhirschen mitnutzen“. Auch bei den Kosten bestehe noch Unklarheit, auch wenn Dobrindt dem Parlament gegenüber erklärte, dass derjenige die Glasfaserleitungen verlegen solle, „der die klassische Infrastruktur an der Stelle, beispielsweise eine Straße“, baue. „Wir haben uns dazu entschlossen, um den Ausbau schnell voranzutreiben, die Glasfaser gleich mitzuverlegen. Der Bund als Träger der Baumaßnahme trägt das mit“, sagte Dobrindt. An dieser Stelle werde die Fraktion der Grünen noch nachhaken, erklärte Rößner: „Der Minister konnte nicht sagen, wer letztlich für die Kosten aufkommen soll: Die Kommune, die die Straße aufreißt, der Bund, die Telekommunikationsunternehmen?“

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4 Ergänzungen

  1. Die Verantwortlichkeiten sind doch klar geregelt: wer immer den Boden aufreißt, um etwas Instand zu setzen oder Neues zu bauen, hat dafür zu sorgen, dass auch ein Rohr verlegt wird, in das sofort oder später ein Kabel gezogen werden kann.

    Für den Bereich Bundes-/Autobahnen ist es der Bund, für die Landkreise/Landstraßen die Länder und für die Stadt die Kommune. Beim Straßenbau war das schon immer so: Stadt – Land – Bund.

  2. Dobrindt (CSU), ist das nicht der mit der Ausländermaut :D Irgendwo wird er schon im Gesetz oder sonst wo eine Abgreifstelle für den Überwachungsstaat vorsehen.

  3. Entlang deutscher Autobahnen werden künftig horrende Datenmengen anfallen, die durch Sensorik anfallen und neue Steuer- und Kontrollmöglichkeiten ermöglichen werden.
    Selbstfahrende Fahrzeuge benötigen Daten und generieren Daten. Datensparsame Selbstfahrer werden auf das klassische Fahrrad umsteigen müssen.

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