Förderung des BreitbandausbausKommunen fürchten Rosinenpicken der Netzbetreiber

Derzeit verhandelt der Bund mit den Ländern, wie die künftige Förderung des Breitbandausbaus aussehen soll. Vor allem Kommunen fürchten, dabei unter die Räder zu geraten.

Kommunen fürchten Rosinenpicken beim Breitbandausbau
Eine falsche Gigabitstrategie von Digitalminister Wissing könnte zu mehr Rosinenpicken der privaten Netzbetreiber führen, fürchten Kommunen. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Markus Winkler

Das Tauziehen zwischen Bund und Ländern rund um die künftige Förderung des Breitbandausbaus ist voll im Gange. Doch der Riss durchzieht auch die Länder: Für verhältnismäßig gut ausgebaute Länder stellen sich meist ganz andere Fragen als für schlechter versorgte.

„Die digitale Kluft droht immer größer zu werden, wenn andere Länder schon die künftige Förderung planen, wir aber schon froh sind, dass das Land die vorherige umgesetzt hat“, sagt Veronika Müller vom Landkreistag Sachsen. Das östliche Bundesland hat sich erst letzten Monat darauf geeinigt, wie es den weiteren Breitbandausbau finanzieren wird – auch als Reaktion auf die inzwischen mögliche Förderung von „Grauer Flecken“, also Regionen, in denen schon jetzt Geschwindigkeiten von bis zu 100 MBit/s möglich sind.

Diese Änderung war ein großer Bruch in der deutschen Förderpolitik. Zuvor war der staatlich unterstützte Ausbau nur in Regionen möglich, die mit weniger als 30 MBit/s versorgt waren. Die Erhöhung der sogenannten Aufgreifschwelle mussten die letzten Bundesregierungen der EU-Kommission in langen Verhandlungen abringen, im nächsten Jahr steigt die Schwelle sogar auf 1 GBit/s. Das gefällt unter anderem der Wirtschaft nicht, die einen Eingriff in den freien Markt fürchtet.

Begrenzte Bundesförderung

Auch bei Digital- und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) stößt der subventionierte Breitbandausbau nicht unbedingt auf Gegenliebe. Rund 12 Milliarden Euro sind dafür gegenwärtig verplant, rund 9 Milliarden Euro gebunden, dazu kommen Beiträge der Länder. Doch die Summe, die der Bund bereitstellt, könnte künftig auf eine Milliarde Euro pro Jahr begrenzt werden, ließ Wissing bei der Präsentation seiner Eckpunkte zur Gigabitstrategie im März durchblicken – ein Betrag, auf den sich eine Sprecherin des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) allerdings nicht festlegen lassen will.

Dennoch ist die Sorge, dass der Förderkuchen künftig kleiner ausfallen wird, durchaus real. Zudem enthält der Vorschlag zur Gigabitstrategie noch weitere Punkte, die manche Länder kritisch sehen: So soll das Markterkundungsverfahren zurückgefahren werden, das ausbauwillige Regionen vor einem Förderantrag durchlaufen müssen. Effektiv würde dies durch eine Potenzialanalyse ersetzt, damit Gebiete mit einer schlechteren Versorgungsperspektive eher gefördert ausgebaut werden „als solche mit einem höheren Potenzial für eine privatwirtschaftliche Erschließung“, wie es im Eckpunktepapier heißt.

„Im BMDV hofft man darauf, dass – indem man den Telekommunikationsunternehmen Zeit verschafft und Förderanträge blockiert – mehr Gebiete eigenwirtschaftlich ausgebaut werden und weniger öffentliche Gelder eingesetzt werden müssen“, sagt Michael Schlichenmaier vom Landkreistag Baden-Württemberg. Dies berge aber das Risiko, dass Gebiete, die unverbindlich als Potenzialgebiet deklariert werden, für „längere Zeit aus der Förderfähigkeit herausfallen und am Ende dann womöglich doch nicht eigenwirtschaftlich erschlossen werden“, sagt Schlichenmaier.

Schulterschluss in Baden-Württemberg

Dass das bislang übliche Markterkundungsverfahren beibehalten wird, liegt dem südwestlichen Bundesland sichtlich am Herzen. Dort zieht der Land-, Gemeinde- und Städtetag mit dem zuständigen Digitalisierungsministerium an einem Strang. In einem gemeinsamen Positionspapier, über das die Süddeutsche Zeitung zuerst berichtete, weist das Land darauf hin, dass die gesteigerte Investitionsbereitschaft privater Betreiber den Bedarf für einen geförderten Ausbau nicht verringern werde: Trotz großer Fortschritte in den letzten Jahren – auch aufgrund der Breitbandförderung von Bund und Land – verfügten derzeit immer noch nur rund acht Prozent aller Haushalte über einen Glasfaseranschluss.

Eine Deckelung der jährlichen Mittel und ein drastischer Umbau der Förderpolitik würde künftige Ausbauprojekte hart treffen, fürchtet das Land. Neben der Potenzialanalyse stehe etwa auch die Verteilung anhand der noch übrigen weißen Flecken im Zielgebiet zur Debatte, sagt Schlichenmaier. „Das würde aber diejenigen Kommunen beim Weiterbau ihrer Netze behindern, die bereits frühzeitig mit einem Schließen der weißen Flecken gestartet sind, indem sie bei der Priorisierung hintenangestellt und damit ausgebremst werden.“

Zudem drohe ein Rosinenpicken der Netzbetreiber beziehungsweise eine „Zersplitterung der Fördergebiete“, wie es im Positionspapier heißt. Die Privaten würden sich auf wirtschaftliche Gebiete konzentrieren und die Mischkalkulation größer angelegter, geförderter Projekte zunichtemachen. Und: Der Ausbau der verbleibenden Adressen würde sich „um mindestens den Faktor fünf“ verteuern, so die Einschätzung kommunaler Spitzenverbände auf Bundesebene.

Kommunen lehnen zentralisierte Potenzialanalyse ab

Die BMDV-Sprecherin räumt ein, dass es „zu einzelnen Punkten“ Diskussionsbedarf gebe, auch wenn die Eckpunkte des Ministeriums von den Ländern und der Wirtschaft „insgesamt sehr positiv“ aufgenommen worden seien. Generell gehe es darum, „Marktpotenziale“ bestmöglich zu nutzen und in „effizienter Weise durch staatliche Fördermaßnahmen“ in Regionen zu ergänzen, wo private Betreiber nicht ausbauen. Immerhin hätten diese rund 50 Milliarden Euro an Investitionen bis 2025 für den Glasfaserausbau angekündigt. Nun gelte es, den eigenwirtschaftlichen und geförderten Ausbau „optimal zu verzahnen, um eine Verdrängung privater Investitionen, unnötige öffentliche Ausgaben, zusätzlichen Verknappungen von Baukapazitäten und letztlich einer Verlangsamung des Ausbauprozesses zu vermeiden“, sagt die Sprecherin.

Aktuell sei tatsächlich viel privates Geld im Markt vorhanden, sagt Helmut Dedy vom Deutschen Städtetag. Doch dass diese angekündigten Investitionen durch einen starken Anstieg der Förderanträge verdrängt werden könnte, sieht Dedy nicht kommen: „Auch die Kommunen setzen vornehmlich darauf, dass der Breitbandausbau durch den Markt erfolgt“. Ohne Bedarf würden Städte indes keine Anträge stellen, schon allein, weil die Kommunen dann immer selbst auch Eigenanteile stemmen müssten. Die Kommunen könnten die Lage vor Ort am besten beurteilen, eine „zentrale vom Bund durchgeführte Potenzialanalyse“ brauche man nicht, so Dedy.

Derzeit liefen „intensive und konstruktive“ Gespräche zwischen Bund, Ländern, den kommunalen Spitzenverbänden und der Branche, sagt die BMDV-Sprecherin. Bis zur Sommerpause soll die Gigabitstrategie vom Kabinett abgesegnet werden – mit dem Ziel, bis 2025 die Hälfte und bis 2030 alle Haushalte und Unternehmen an Glasfasernetze angeschlossen zu haben. Wie sich etwa Sachsen in diesen Gesprächen aufstellt, war nicht zu erfahren: Aufgrund der „noch laufenden Abstimmungen mit dem Bund“ könne es keine Aussage tätigen, beschied das sächsische Wirtschaftsministerium auf Anfrage.

Eine Ergänzung

  1. Was heißt hier „fürchten“ – das ist doch völlig Gang und Gäbe!
    In meiner furchtbar grässlichen Stadt am Niederrhein hat man die Wahl zwischen überbuchten Kupferleitungen, und LTE, das wars!
    Glasfasterausbau? Klar, klar, bitte gerne, Förderungen stehen bereit, nur baut keiner, weil es nur bei den Neubaugebieten lohnt; alles andere zu viel Aufwand.

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