Das Innenministerium unter Nancy Faeser arbeitet an einem Entwurf, der die polizeiliche Gesichtserkennung ausweiten soll. Bisher ist der Referentenentwurf nicht öffentlich, doch mehrere Medien wie Spiegel, taz und Deutschlandfunk haben über den ihnen zugespielten Entwurf berichtet.
Gesichtserkennung ist nicht gleich Gesichtserkennung
Dass die Polizei Gesichtserkennungssoftware nutzen darf, ist nicht neu. Seit mehr als 15 Jahren setzt etwa das Bundeskriminalamt (BKA) das Gesichtserkennungssystem GES ein, mit dem die Polizeibehörde Bildmaterial von nicht-identifizierten Verdächtigen mit der polizeilichen Inpol-Datenbank abgleicht.
An Faesers Entwurf ist anders, dass der Abgleich von Bildmaterial nun nicht mehr gegen polizeiliche Datenbanken, sondern auch mit Daten aus dem Internet erfolgen können soll. Das bezieht sich auf Internet-Informationen, die „öffentlich zugänglich“ sind – etwa Partyfotos von Facebook oder Schnappschüsse von Flickr.
Auch soll der Abgleich nicht speziell auf Gesichter beschränkt sein, sondern auch mit anderen Daten aus dem Netz erfolgen können. Dazu könnte beispielsweise die Gangart von Menschen gehören, die recht einzigartig ist und die sich bei Videos vergleichen lässt. Für biometrische Abgleiche lassen sich auch Stimmprofile nutzen.
Außerdem, so eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums (BMI) auf Anfrage von netzpolitik.org, sollen neue Befugnisse zur „automatisierten Datenanalyse polizeilicher Daten“ geschaffen werden. Bei diesen Befugnissen wird es auf die Details ankommen. So fällte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im Jahr 2023 ein Urteil zum Einsatz automatisierter Datenauswertung bei der Polizei und formulierte, dass bei „besonders daten- und methodenoffenen“ Befugnissen die Eingriffsschwelle hoch sein muss.
Die Richter setzten im Bereich der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit dem sogenannten Palantir-Urteil der digitalen Rasterfahndung enge Grenzen. Zudem liegen weitere Verfassungsbeschwerden gegen Landesgesetze mit Regelungen zur automatisierten Datenanalyse vor.
Bei der automatisierten Datenanalyse polizeilicher Daten geht es um mehr als nur den Abgleich von Fotos, Videos oder Audio-Dateien, es geht um die Vernetzung und Rasterung bestehender Datensysteme. Für das ganze Vorhaben sollen mehrere Gesetze geändert werden, etwa das Bundespolizeigesetz und das BKA-Gesetz.
Was Nancy Faeser offenbar explizit nicht will, ist eine „Echtzeit“-Überwachung. Damit ist beispielsweise die Live-Auswertung von Videoüberwachungsaufnahmen gemeint. Wann eine Auswertung aber „Echtzeit“ ist und wann „retrograd“ – also im Nachhinein -, kann zum definitorischen Unterschied verkommen. Etwa wenn man große Mengen Bild- und Videomaterial leicht zeitverzögert analysieren lässt. Schon bei der kürzlich in Kraft getretenen KI-Verordnung war diese formale Unterscheidung kritisiert worden. Während die KI-Verordnung Echtzeit-Erkennung stark einschränkt, gibt es für nachträgliche Erkennung viel Spielraum.
Was Nancy Faeser will
Laut einem Bericht der taz geht es nicht nur darum, Verdächtige zu finden, sondern auch Zeugen und Opfer von Straftaten. Als Beispiel für gesuchte Täter werden islamistische Terroristen genannt, die auf Hinrichtungs- oder Folter-Videos zu sehen sind. Neben der Identifizierung von Einzelpersonen soll außerdem ihr Aufenthaltsort ermittelt werden.
Der biometrische Abgleich von Fotos soll nicht nur dem Bundeskriminalamt oder der Bundespolizei, sondern auch Landespolizeien erlaubt werden. Dabei geht es nicht nur um Terrorismus. Erfasst wäre alles, was die Schwelle von Straftaten von „erheblicher“ Bedeutung erreicht. Darunter kann etwa Drogenhandel, Diebstahl in organisierter Form oder Beihilfe zur illegalen Einreise fallen.
Es liegt nahe, dass Faesers Vorschlag auf Ereignisse Anfang des Jahres zurückgeht. Nach mehr als 30 Jahren nahmen am 26. Februar Fahnder die Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette in Berlin fest. Dem vorausgegangen war eine journalistische Recherche, die Klette im Dezember 2023 fast aufgespürt hatte.
Mit der Gesichtserkennungs-Suchmaschine PimEyes brauchte ein Journalist nach eigener Auskunft 30 Minuten, um ausgehend von Klettes Fahndungsfotos Bilder von ihr auf der Seite eines Capoeira-Vereins in Berlin zu entdecken. Daraufhin begann eine Debatte über die Gesichtserkennungsbefugnisse der Polizei.
Welche Infrastruktur braucht es dazu?
Damit Faesers Ansatz langfristig Sinn ergibt, müssten deutsche Behörden wohl weitflächig das Internet abgrasen und speichern. Der dabei anfallende Datenbestand wäre nicht unerheblich: Die auf Gesichtserkennung spezialisierte Überwachungsfirma Clearview AI gibt etwa an, mehrere Milliarden Bilder aus öffentlich zugänglichen Online-Quellen wie Facebook oder YouTube vorzuhalten. Um zudem eine Verknüpfung mit Individuen herzustellen, braucht es neben den Bildern noch zusätzliche Informationen, unter anderem die Profile von Nutzer:innen in den jeweiligen sozialen Medien.
Wie das genau ablaufen könnte, bleibt vorerst offen. Derzeit weicht der Referentenentwurf der Frage noch vollständig aus. Der „Erfüllungsaufwand“ soll zu einem späteren Zeitpunkt nachgereicht werden, berichtet LTO.
Gut möglich, dass es solche umfassenden Datenbanken hierzulande schon gibt: So überwacht etwa das Bundesamt für Verfassungsschutz seit mindestens 2015 massenhaft das Internet. Rechtlich wäre das ohnehin fragwürdig.
Nicht zuletzt flüchtete etwa die Gesichtserkennungsfirma PimEyes aus der EU, nachdem erhebliche Zweifel daran laut wurden, dass die biometrische Erfassung von Millionen Gesichtern mit der Datenschutz-Grundverordnung vereinbar ist. Solche rechtlichen Probleme könnten staatliche Stellen und insbesondere Ermittlungsbehörden zwar umschiffen. Mit dem BMI-Vorschlag würde jedoch eine weitere Brandmauer in puncto Massenüberwachung fallen.
In welchem Stadium ist der Gesetzesvorschlag?
Bisher ist der Entwurf aus dem BMI ein Referentenentwurf. Das heißt, er ist noch nicht mit den übrigen Ministerien abgestimmt. Besonders das Bundesjustizministerium (BMJ) dürfte etwas mitzureden haben, denn es geht auch um Änderungen der Strafprozessordnung – das fällt in die Zuständigkeit des Hauses von Justizminister Marco Buschmann (FDP).
LTO zitiert eine Sprecherin des BMJ, das derzeit prüfe, „ob Regelungsbedarf beim Thema der biometrischen Fernidentifizierung im strafprozessual-repressiven Bereich besteht“.
Haben sich die Ministerien auf einen Kabinettsentwurf geeinigt, geht dieser an den Bundestag. Dort ist Widerstand zu erwarten. Nach Bekanntwerden von Faesers Plänen haben sich mehrere Digital- und Innenpolitiker auch aus den Regierungsparteien kritisch geäußert.
Der grüne Innenpolitiker und Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte: „Auch wer freiwillig die Öffentlichkeit eines sozialen Netzwerks sucht, gibt dadurch nicht seine verfassungsrechtlich garantierten Rechte auf.“ Er verweist auch auf den Koalitionsvertrag, der „aus gutem Grund eine klare Absage an die biometrische Erfassung zu Überwachungszwecken im öffentlichen Raum“ erteile.
Auch vom Koalitionspartner FDP gibt es Zweifel. Maximilian Funke-Kaiser teilt die Kritik seines Grünen-Kollegen. „Es bleibt unklar, wie diese Pläne mit den klaren Vorgaben des Koalitionsvertrags – wie der Ablehnung der biometrischen Überwachung im öffentlichen Raum und der Wahrung des Rechts auf Anonymität im Internet – vereinbar sein sollen“, sagte er der Nachrichtenagentur AFP.
Grundrechtliche Bedenken
Neben Bundestagsabgeordneten zeigten sich auch mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen alarmiert.
Erik Tuchtfeld vom Digitalverein D64 sagt, die Pläne des BMI führten „zur Totalüberwachung des öffentlichen Raums. Jedes auf Social Media veröffentlichte Urlaubsfoto wird auf Zufallstreffer im Hintergrund ausgewertet, die Handys der Bürger:innen in Zukunft also immer auch als Überwachungskameras des Staates verwendet.“ Das sei mit einer liberalen Gesellschaft unvereinbar.
Kilian Vieth-Ditlmann von Algorithmwatch kommentiert: „Uns irritiert der Vorstoß des Ministeriums, weil biometrische Erkennungsverfahren in der gerade verabschiedeten europäischen KI-Verordnung geregelt werden.“ Dort sei der Einsatz von KI-Systemen, die massenhaft Gesichtsbilder aus dem Internet in einer Datenbank sammeln, „klipp und klar verboten“.
Artikel 5 der Verordnung verbietet „die Verwendung von KI-Systemen, die Datenbanken zur Gesichtserkennung durch das ungezielte Auslesen von Gesichtsbildern aus dem Internet oder von Überwachungsaufnahmen erstellen“. Auch ein klarer Grund ist im Gesetz beschrieben: „Da dies das Gefühl der Massenüberwachung verstärkt und zu schweren Verstößen gegen die Grundrechte, einschließlich des Rechts auf Privatsphäre, führen kann.“
Vieth-Ditlmanns Kollege Matthias Spielkamp kritisiert den „immer wieder aufgeführten Tanz um Begrifflichkeiten wie ‚Echtzeit‘, ’nachgelagert‘ oder ‚Fernerkennung'“. Das lenke davon ab, „dass die Bundesregierung immer wieder versucht, biometrische Erkennungsverfahren doch noch durch die Hintertür einzuführen“.
Die SPD liefert zuverlässig.
Versprochen haben sie eine Überwachungsgesamtrechnung und liefern stattdessen eine Gesamtüberwachung auf Rechnung der Grundrechte. Klassischer SPD-Move.
Mittlerweile sollte klar sein, dass Schwarz-Grün mit einem Kanzler Laschet jedenfalls nicht schlechter gewesen wäre als die Ampel unter Scholz & Lindner.
Und wesentlich besser als der kommende Kanzler Merz mit Erfüllungsgehilfen Scholz.
Merz mit Scholz?
Sollte die CxU Teil der nächsten Regierung sein, wird die SPD es wohl eher nicht sein.
Wir sollten uns auf ganz andere Konstellationen einstellen…..
Die CDU hat in der Koalition mit der SPD beste Erfahrungen gemacht. Speziell Scholz ist ein grundsolider CDU-Minister, inklusive CumEx Leichen im Keller.
Die AfD ist im Bund noch nicht akzeptabel, und undisziplinierter als CSU und Aiwanger zusammen. Es reicht Merz völlig, mit denen drohen zu können. Und natürlich die AfD so stark zu machen, dass es ohne CDU nicht zu einer Regierung reicht.
FDP ist fraglich, Grüne werden eher einstellig, Linke fliegt raus, BSW ist unklar. Damit ist die SPD de facto gesetzt. Je nachdem, wer alles die 5% erreicht, wird man dann sehen. Auch eine Minderheits-GroKo ist denkbar.
Welche Grundrechte werden jetzt genau hier verletzt? (iSv, nicht das ich glaube das das nicht passiert, aber es wird leider im Text nirgendwo darauf eingegangen)
Und zum Beispiel des „Jedes auf Social Media veröffentlichte Urlaubsfoto wird auf Zufallstreffer im Hintergrund ausgewertet“ – Guten Morgen, Zufallstreffer im Hintergrund ohne Einwilligung zu veröffentlichen ist bereits selber ein kritischer Punkt.
„Welche Grundrechte werden jetzt genau hier verletzt?“
Das auf informationelle Selbstbestimmung als auch die Menschenwürde. Laut BverfG darf der Bürger nie bloßes Objekt stattlichen Handelns werden.
„Zufallstreffer im Hintergrund ohne Einwilligung zu veröffentlichen ist bereits selber ein kritischer Punkt.“
Missverstehst du den Text oder ich deine Anmerkung? Es ist gemeint dass das BKA einfach internetweit Bilder scannt die Nutzende z. B. in ihrem Blog, bei Instagram oder Facebook online gestellt haben. Somit kann das Familienfoto mit dem Onkel (der wegen einer Pillepallestraftat aus dem Bereich der Antragsdelikte gesucht wird), zur unfreiwilligen Auskunft ohne Aussageverweigerungsmöglichkeit werden.
„Das auf informationelle Selbstbestimmung als auch die Menschenwürde. Laut BverfG darf der Bürger nie bloßes Objekt stattlichen Handelns werden.“ – Wenn du personenbezogene Daten selber veröffentlichst (Bilder von mirselber in soziale Netzwerke stellen) hast du kein Recht auf informationelle Selbstbestimmung das du ausüben kannst, ausser zu depublizieren.
Und wenn du Objekt einer Maßnahme der StPO bist, ist das mit dem Objekt staatlichen Handelns nicht zu vermeiden.
Das mit dem Hintegrund/Zufallstreffer war anders gemeint.
In welcher Zukunft möchten wir leben?
Mir fehlt beim Vorstoß der BMI das „quid pro quo“: wenn also biometrische Erkennung (durch Personalausweise möglich geworden) aus allen gespeicherten Bildern gesucht (durch KI technisch möglich geworden), durch die Polizei zulässig wird, dann sollten wir gegenfragen, wie Machtmissbrauch verhindert wird in Zukunft?
Welche Ergebnisse aus der Gesamtüberwachungsrechnung bietet die BMI als Gegengewicht an, um das mehr an Freiheit herzustellen, wenn sie nun ein mehr an Möglichkeiten für die Sicherheitskräfte verlangt?
Bekommen wir endlich die (ohnehin im EU-Recht verankerten!) Befugnisse der Datenschutzbeauftragten durchgesetzt, die Polizei zu sanktionieren, wenn die richterliche Genehmigung fehlte oder eine neue Datensammlung nicht zur Genehmigung vorgelegt wurde, oder …? Verliert ein schuldiger Sicherheitsbeamter in so einem Fall dann real seinen Job?
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Ich verstehe, was die BMI möchte, – aber ich brauche das quid pro quo aus der Gesamtüberwachungsrechnung, wenn das hier keine Dystopie werden soll.
Nee, – ich verstehe offenbar nicht, was die BMI möchte!
Wenn ich lese, dass sie jetzt in Wohnungen einbrechen und heimlich Staatstrojaner in Kommunikationsgeräte bauen lassen möchte (also aus der Polizei, zu der ich eben noch echtes Vertrauen hatte, eine Art StaSi machen will), – dann ist mein Verständnis am Ende.
Das klingt eher nach George Orwells Farm der Tiere, wo mit dem Erlangen der Macht aus dem Guten doch wieder das Böse wird…
Laut taz beinhaltet der Entwurf auch die Befugnis des BKA zur heimlichen Wohnungsdurchsuchung.
Sowas hatten in der deutschen Vergangenheit zuletzt MfS und GeStaPo. Das hat nicht mal Seehofer versucht.
Spezialdemokraten, innenpolitisch immer rechts von der Union.
> Spezialdemokraten, innenpolitisch immer rechts von der Union.
Sozialdemokratische Innenpolitik als Verhandlungsmasse:
Wir geben euch (eure) „Sicherheit“, wir bekommen „soziale Gerechtigkeit“.
Nö, Otto Schily hat in Rot-Grün auch massiv vorgelegt, da war nix zu verhandeln. Und die soziale Gerechtigkeit hat die SPD ab dann selber abgebaut.
Erschreckend. Und George Orwell hat das alles vorausgesagt. Allerdings nun 40 Jahre später.
Natürlich steht seit INDECT und ACTA das Thema Privatsphäre immer wieder im Fokus. Jedoch muss man hier auch Pro und Contra vernünftig benennen. Ich lese selten in solchen Artikeln zum Thema biometrischer Datenspeicherung, Auswertung und Überwachung, die Pro-Seite.
Vorausgesetzt, die Überwachung betrifft jeden ohne Ausnahme versteht sich natürlich.
Pro:
Nicht nur organisierte Kriminalität oder Terroristen hätten es deutlich schwerer, sondern auch Unternehmen, Konzerne und Banken mit fragwürdigen Methoden oder auch korrupte Politiker, die sich bestechen lassen und Gesetze immer weiter aushöhlen, damit gewisse Leute weiter verdeckt und unantastbar bleiben und dadurch nicht belangt werden können. Denn die totale Überwachung erschwert eben auch die Intransparenz für so manch politische oder auch juristische Entscheidung. Eine Demokratie braucht aber eben genau diese Transparenz, um Ursache und Wirkung richtig deuten zu können und um Manipulationen vorzubeugen. Wie sollen wir in einer Demokratie die richtige Wahl treffen können, wenn im Hintergrund viel zu viel im Schatten passiert? Durch die Überwachung käme deutlich mehr Licht ins dunkle.
Auch sollte man vielleicht nicht vergessen, dass die Selbstverantwortung in der Gesellschaft wächst, wenn alle sich der Konsequenzen schon vorher bewusst sind. Wer weiterhin sein Privatleben in aller Form öffentlich stellt, der ist sich dann der Konsequenz ebenfalls bewusst und wenn nicht, dann haben wohl einige mehr versagt, als nur diese Person.
Contra:
Wurde alles bereits in dutzenden Artikeln ausgeführt.
> Denn die totale Überwachung erschwert eben auch …
Überwachung kann nur dort ein totales Ausmaß erreichen, wo jeder Event registriert wird. Das ist nur in ganz eng begrenzten Teilbereichen überhaupt möglich. Insofern ist „totale Überwachung“ ein substanzloser agitatorischer Kampfbegriff zum Zweck der Verunsicherung labiler Menschen.
Für die Überwachungsdebatte, die sinnvoll ist und geführt werden soll, sollte immer genau unterschieden werden, ob Menschen unmittelbar betroffen sind (z.B. Bewegungsdaten, Gesichtserkennung, …) oder ob es sich um numerische Größen handelt (z.B. Geldströme).
Wenn z.B. unversteuerte Geldströme konkreten Personen/Körperschaften zugerechnet werden können, dann fände ich das für das Gemeinwesens überaus förderlich, wenn dann auch Strafverfolgung wirksam würde.
Naja, oder „totale Überwachung“ drückt die Richtung aus. „Alles immer“, denn mit der Einstellung kommen wir garantiert deterministisch dorthin. Da sind wir eigentlich hin unterwegs. Bremsen ziehen nicht mehr so dolle, aber etwas Reibung gibt es wohl noch.
> Naja, oder „totale Überwachung“ drückt die Richtung aus. „Alles immer“, denn mit der Einstellung kommen wir garantiert deterministisch dorthin.
Aha! „Totale Überwachung“ als Utopie für die einen und Dystopie für die anderen.
Mit diesem Schreckgespenst läßt sich Politik machen und gleichermaßen verdummen.
Wollen wir doch lieber mal schaun, was die Überwachungsgesamtrechung ergibt?
Ähm, das ist real. Es droht konkret, eine Dystopie zu werden. Aber wir leben im Grunde bereits in einer. Und die einen finden es toll, weil sie sich de facto entweder nicht zu entziehen brauchen, oder es tatsächlich können. Ein Googlefritze hat sogar mal ein Buch darüber geschrieben. Die finden das toll!
Ist die Überwachungsgesamtrechnung, abgesehen vom potentiellen (strukturell vorgegebenen?) Ablenkungscharakter und damit der Realitätsfrage, nicht schon quasi abgesägt worden? Ich dachte ich hätte da so ein Geräusch gehört…
Vor allem aber müsste es TOTAL EINFACH für die Gesetzgeberin sein, eben solche Gesamtrechnung zu präsentieren, wenn sie selbst den geringsten Hauch einer Ahnung hätte, dass ständige Versuche, Überwachung räumlich, zeitlich und quantitativ auszuweiten, nicht zu einem „totalen“ Zustand führen. In letzter Zeit, zuckelt es ein bischen herum, mit EUGH, Verfassungsgericht, aber wir sind schon mit den infrastrukturellen Klötzchen und Steinchen, was den Regierendenwillen betrifft, sehr klar in die Gefahrenrichtung unterwegs. Beispiel XYZ-ID.
Mir ist der Totalitätsbegriff hier nicht wichtig, aber nehmen wir mal an, wir reden von einer umfassenden etablierten Sache, die kaum zurückzudrehen ist. Lassen wir mal Märchen beiseite, wie „Wähle Partei X, und die macht es dann rückgängig“, auch das Märchen mit „Alle in der EU machen das dann eben, und der Ami macht noch mit.“. Hinzu kommt, dass bei Schelte und Politik gerne mal etwas schärfer formuliert wird (Beispiele: Nannystaat oder Kommunismus). Das jetzt komplett abzutun, weil es nicht 100% hinkommt, obwohl es keine passende Definition in dem Kontext gibt, wäre „weird“.
„Totale Überwachung“ ist auch informell, falls sich die Wissenschaft da nicht schon festgelegt hat. Z.B. wäre die Fähigkeit der Behörden, alles immer irgendwie [relativ zeitnah] zugreifen zu können [wenn, aber, egal], im Grunde auch zu einer totalen Situation werden. Hier wäre der Extremfall von kaputter Verschlüsselung mit eingepreist.
Eine Unterhaltung ist dann ja nicht vorbei und entschwunden, sondern alles gesagte wird dann zur Belastung. Handlungen, Recherchen, etc.p.p.
Eine „totale“ Überinterpretation. Ohne Angst lebt es sich besser. Und ohne Aluhut noch besser.
Zum Thema empfundene und medial vermittelte „Totalüberwachung“ in der DDR durch die Stasi empfehle ich doch mal hier rein zu hören, insbesondere weil auch schon wieder „Stasi 2.0“ hier in den Überschriften auftaucht:
https://youtu.be/aNh7BCpYFXI?t=1761
Allmacht Stasi – ein Mythos? Mit DDR-Bürgerrechtlerin Marianne Birthler und Ilko-Sascha Kowalczuk.
Sinngemäß: Die Überwachung der Stasi war bei weitem nicht total. Was aber zum Machterhalt beitrug war, dass jeder geglaubt habe, sie sei total.
Ein bischen wie das eine oder andere Drogenkartell, Mafia Nr.123, ABER: das Thema ist hier institutionalisierter Zugriff durch den Staat. Auch in der DDR, gab es real jederzeit die Möglichkeit, Opfer von Spitzeln, Mißverständnis eines Spitzels oder Mißgunst zu werden, wonach die reale Gefahr bestand, dem vollen Programm ausgesetzt zu werden, welches institutionell zur Verfügung stand, nichts mit Checks and Balances. Mit etwas Glück… [DDR-Analogon zur Geschichte zur Frau vom Blockwart, wegen deren Einschreiten deine Eltern nicht im KZ gelandet sind, nachdem etwas Gesagt wurde, was man nicht sagen soll].
Der Anspruch des DDR-Regimes war selbstverständlich, an alles Wichtige heranzukommen. Man darf hier großzügig in die digitale Welt hinein extrapolieren.
Der hiesige Anspruch, „wie im Analogen“ (Eine grundfalsche Analogie!) Gesetz plötzlich überall zeitnah durchsetzen zu können, nähert sich dem Konzept des totalen unweigerlich an. Zumindest für die beschriebenen Technologien und Medien. Dann noch öffentliche Orte, Züge, Nahverkehr, und nicht vergessen, dass Überwachungskameras mit Cloud und so überall herumhängen werden, dein Nachbar ein Smartphone hat, dein anderer Nachbar ein Muster lebt, die Wände etwas dünn sind, usw. usf. Mit einer derartigen Vernetzung werden die Überwachungsmöglichkeiten des Digitalen schon umfassend, und Profilbildung bald tödlich. Das wäre kein Beinbruch, wenn nicht alle zur Balancierung erforderlichen Kriterien entweder bereits verfehlt wurden, oder zu leicht aufgeweicht werden können. Hier lernen wir von Microsoft. Kann es trotzdem gut werden? Jetzt bitte noch mal das Wahrscheinlichkeitsargument!
„Mythos und Wirklichkeit“
Das ist sicherlich sehr interessant, und gilt auch im Krieg gegen (vermeintlich) überlegene Gegner. Es gibt immer Lücken.
Aber wir sollten vermeiden, einen Kategorienfehler zu begehen: Die Totalität hat nicht jeden Winkel des Universums erreicht, aber die Qualität des Eingriffs gegen das Individuum war total. Sowie jederzeit möglich.
„Aber wir sollten vermeiden, einen Kategorienfehler zu begehen: Die Totalität hat nicht jeden Winkel des Universums erreicht, aber die Qualität des Eingriffs gegen das Individuum war total. Sowie jederzeit möglich.“
Man könnte sogar schreiben „jederzeit gezielt möglich“. Dann kann man anfügen, es sei aber keine automatische Wildcardsuche (Unken!), da eben die Spitzel nicht 100% abdecken, nicht alles sehen, irgendwann mal schlafen müssen, Fehler machen, irgendwann mal nicht mitspielen oder auf die eine oder andere Weise bestechlich sind, usw. usf. Hier kann man die Analogie der großen zahlen anfügen, denn der totalitären Regierung reicht oft 95% Abdeckung oder 50% echt + 150% gefühlt o.ä. Ähnlich werden Kontrollthemen in Demokratien angegangen, gewissermaßen das Gesetz der großen Zahlen.
Und da wir allmählich schon in die Analogienbildung abschlittern, würde ich noch nachwerfen: und wie ist das mit IT heute, mit dem, was die Trackingnetzwerke und Player über Menschen wissen? Welches sind die großen Zahlen und wie weit entzieht man sich da wem oder was, wenn z.B. ein Behördenapparat mit seinen Daten, kommerzielle Daten zusätzlich erschließt? Der Deich ist ja schon überspült.
Wir müssen das verstehen, auch wenn man heutzutage in Deutschland weder direkt erschossen noch ins KZ geworfen wird, (DDR entfernt ähnlich), so wird im Bedarfsfalle Pandoras digitale Box geöffnet. Dann kommen Checks and Balances, was in Deutschland auch bzgl. der Demokratiekonstruktion so ein kleines zusätzliches Thema darstellt, was man rechtzeitig abgearbeitet haben sollte. Und das ist das Problem: Das Thema ist noch nicht vorbei, und wir sehen, was für Richtungen beharrlich wieder und wieder probiert werden. Dabei kommt nicht Notwendigkeit und Fachkompetenz als Treiber, sondern irgendwelche Zettel am Schuh o.ä.
Könnt ihr nicht mal mit denen hier reden:
https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-toene-texte-bilder-interviews/audio-gesichtserkennung-nuetzliche-hilfe-oder-gefahr-100.html
Ich war erschüttert, wie pro-Gesichtserkennung da berichtet wurde.
Anonymous (12 Uhr 04):
„Das ist nur in ganz eng begrenzten Teilbereichen überhaupt möglich. Insofern ist „totale Überwachung“ ein substanzloser agitatorischer Kampfbegriff zum Zweck der Verunsicherung labiler Menschen.“
Nein. „Überwachung“ ist heute nicht als isolierter Begriff für einzelne Teilbereiche (zeitlich, örtlich, personenbezogen etc.) zu sehen, sondern ergibt sich aus der Summe der technischen Möglichkeiten einerseits und den politisch gewollten und immer weiter ausgedehnten Anwendungsszenarien andererseits.
„Das ist nur in ganz eng begrenzten Teilbereichen überhaupt möglich.“
Abermals; Nein. Die immer weiter verfeinerte Technik und die Politik wirken (s. eben) als Ganzes, so dass genau diese totale Überwachung möglich ist und nachgewiesenermaßen angestrebt wird.
Allein der von „Michael“ verlinkte WDR-Beitrag ist dafür (politisches) Indiz, zeugt er doch von hochgradig mangelnder Objektivität und fehlender kritischer Reflexion, von Unkenntnis gesellschaftlicher sowie juristischer Konsequenzen und Grundlagen und ist zudem Symbol für einen Journalismus, den sich gerade Öffentlich-Rechtliche Sender niemals leisten dürfen.
> Technik und die Politik wirken (s. eben) als Ganzes, so dass genau diese totale Überwachung möglich ist und nachgewiesenermaßen angestrebt wird.
Für das „nachgewiesenermaßen“ bitte mal den Nachweis erbringen.
Ich hatte mir anfangs überlegt, statt „nachweislich“ „offensichtlich“ zu schreiben. Da aber die Politik jegliches Bemühen um Wahrung der Grundrechte aufgegeben hat und stattdessen Gesetze beschliessen möchte wie z. B. die Chatkontrolle, die eindeutig als Totalüberwachung klassifiziert werden muss, habe ich mich für obige Formulierung entschieden. Reicht Ihnen das als Beweis?
Falls nicht, empfehle ich Ihnen, die Recherchen und Inhalte dieser Seite bis mindestens zurück zu ihren Anfängen zu lesen. Da kommt genug Beweismaterial zusammen, das Sie ganz sicher zufriedenstellen wird.
> Reicht Ihnen das als Beweis?
Natürlich nicht. Ein Beweis erfordert gewisse Qualitätskriterien. Ein Beweis ist auch nicht „lesen sie mal selbst und suchen sie sich was passendes aus“.
Immerhin haben Sie mit dem Wort „offensichtlich“ gerungen. Aber es ist keineswegs offensichtlich, dass eine „Totalüberwachung“ politisch angestrebt wird. Das hantieren mit dem Begriff „Totalüberwachung“ ist Bullshit, und diskreditiert jegliche seriöse Kritik, die berechtigt wäre.
Schaun Sie sich doch mal das Video an, das „Mythos und Wirklichkeit“ (21. August 2024 um 23:14 Uhr) verlinkt hat an. Vielleicht begreifen Sie dann, worum es geht.
Teil 1:
Es geht nicht um den mathematischen oder juristischen Beweisbegriff. Es geht um gesellschaftspolitische Tendenzen, die durch statistische Beobachtungen eindeutig festgestellt werden können und so (mindestens) zum Begriff des “Offensichtlichen” führen:
Der politische Wille, die technischen, immer weiter in alle Lebensbereiche vordringenden Möglichkeiten so massiv zu nutzen und damit sowohl durch Wirtschaft, Behörden und andere Institutionen einzelne Personen und die Masse zu beobachten – mit dem Ziel, ein möglichst großes Informationsspektrum zu gewinnen. Dabei geht es bekanntlich keineswegs nur um Straftaten.
Aus dem Video ziehe ich zwei Schlüsse:
Zum einen ist die DDR schon wegen des technischen Fortschritts mit der Jetzt-Zeit nicht vergleichbar. Die Staatssicherheit hatte bei weitem nicht die heutigen Möglichkeiten, Informationen en masse zu gewinnen, quantitativ zu archivieren und qualitativ zueinander in Beziehung zu setzen.
(Weiter siehe Teil 2)
Zweiter Teil:
Zweitens und andererseits beantwortet das Video genau das Problem, um das es damals wie heute ging oder geht. Selbst wenn sie recht behielten und wir (noch) keine Totalüberwachung im absoluten Sinne haben, führen die bisherigen Entwicklungsstufen in Richtung Dystopie bereits zu den gesellschaftlichen Veränderungen, die schon der damaligen Stasi in die Hände gespielt hatten: einer Einschränkung des individuellen Bewusstseins, frei und unbeobachtet zu sein und handeln zu können; dem (unter)bewussten Gefühl, jegliches Handeln werde durch unbekannte Dritte nach bestimmten Kriterien bewertet und bei Nichtkonformität blockiert; die Unmöglichkeit, sich dagegen wehren zu können; die Entwicklung eines Vermeidungsverhaltens (z. B. Senken der Stimme und politische Gespräche nur mit bestimmten Personen (vgl. Video), Nicht-Nutzen digitaler Geräte, nicht demonstrieren, sehr Persönliches nicht über digitale Kanäle mitzuteilen, Meiden kameraüberwachter Orte usw.) sowie unkritisches Akzeptieren und angepasstes Relativieren der Verhältnisse (“habe nichts zu verbergen”).
Die Absicht der Politik, die Dystopie mit z. B. der Chatkontrolle und in Kombination mit schon vorhandenen Methoden zu vervollständigen, rechtfertigt aus meiner Sicht den Begriff “Totalüberwachung”, da ein Entkommen faktisch unmöglich ist.
Gunnar Jandke:
„Denn die totale Überwachung erschwert eben auch die Intransparenz für so manch politische oder auch juristische Entscheidung.“ […] „Durch die Überwachung käme deutlich mehr Licht ins dunkle.“
Das ist ein fataler Trugschluss:
Genau diejenigen, die zur Massenüberwachung geeignete Konzepte wie Vorratsdatenspeicherung, Chatkontrolle, oder Videoüberwachung möglichst vieler Orte propagieren, lassen es niemals zu, wenn man politische, auf elektronischem Wege geführte Verhandlungen dieser Entscheider „transparent“ machen wollte (vgl. Merkel/von der Leyens per SMS geführte Verhandlungen zur Coronakrise bzw. dem Nicht-Offenlegen entsprechender Kontakte zu verschiedenen Unternehmen etc., geheime TTIP-Verhandlungen usw.).
Transparenz in der Demokratie kann nur durch gesellschaftliche und politische Konventionen geschaffen werden.
„Wer weiterhin sein Privatleben in aller Form öffentlich stellt, der ist sich dann der Konsequenz ebenfalls bewusst “
Offenheit, Vertrauen und Demokratie bedingen sich in einer freien Gesellschaft wechselseitig und sind für diese unabdingbare Voraussetzungen. Inwieweit eine Person ihr Privatleben öffentlich macht, ist davon zunächst unberührt und muss deren individuelle Entscheidung bleiben. Die Technik und deren Begünstigung durch Wirtschaft und Politik blockieren aber genau dieses individuelle Entscheidungsvermögen – die Aufgabe des Privaten wird zum Dogma erhoben (vgl. Facebook) und das Resultat gleichzeitig als Rechtfertigung und Begründung für weitere Überwachungsmaßnahmen herangezogen ( „Du hast doch nichts zu verbergen, also können wir doch …“).
Dieser gefährliche Teufelskreis muss gesellschaftspolitisch durchbrochen werden.
> Dieser gefährliche Teufelskreis muss gesellschaftspolitisch durchbrochen werden.
Wie?
Einige Anregungen hatte ich seinerzeit im Zusammenhang mit folgendem Artikel in einem Kommentar gegeben:
https://netzpolitik.org/2024/eugh-urteil-zur-vorratsdatenspeicherung-traurige-wende-beim-schutz-der-privatsphaere/#comments
Ansonsten: Phantasie und (digital)kritisches Denken und Dazulernen sind ein erster Schritt!
Da sind wir uns völlig einig, und das tue ich seit nun schon zwanzig Jahren. Doch „gesellschaftspolitisch“ kann ich nicht feststellen, dass sich etwas zum Besseren geändert hätte, wenn man mal von der DSGVO absieht, und selbst die gerät zunehmend unter Druck.
Forderungskataloge und Aufrufe sind zwar ganz nett, aber letztlich dienen sie eher zu einer Art Selbstberuhigung, damit man selbst an ignoranten Verhältnissen nicht völlig verzweifelt.
Ich habe als einzelner Mensch erkannt, dass meine eigene Wirkungsreichweite mehr als bescheiden ist, wofür die Soziologie griffige Kategorien-Bezeichnungen ersonnen hat.
Und ja, ich war auf mehreren „Gegen-Rechts“-Demos. Und ich habe mir die vielen Leute genau angesehen, die am Straßenrand das vorbeiziehende Spektakel (wenige) wie Gaffer konsumiert haben.
„aber letztlich dienen sie eher zu einer Art Selbstberuhigung, damit man selbst an ignoranten Verhältnissen nicht völlig verzweifelt.“
„Ich habe als einzelner Mensch erkannt, dass meine eigene Wirkungsreichweite mehr als bescheiden ist“
Ich glaube, das ist eine Persönlichkeitsfrage. Wir alle und auch ich waren schon an einem Punkt, an dem man an der Ignoranz und am Unverständnis der Masse verzweifelt. Gibt man aber auf, dann haben die, die an den Säulen der (Netz)Freiheit sägen, schon gewonnen. Und der Einsatz Vieler kann viel bewirken, selbst wenn man nur eine kleine „Wirkungsreichweite“ hat.
Der Satz an dem wir aneinander gerieten ist dieser: „Die immer weiter verfeinerte Technik und die Politik wirken (s. eben) als Ganzes, so dass genau diese totale Überwachung möglich ist und nachgewiesenermaßen angestrebt wird.“
Ich verstehe den Satz so: ‚Politik hat die Absicht, mittels Technik die totale Überwachung planvoll anzustreben.‘
Das aber wäre nach meiner Auffassung eine klassische Verschwörungstheorie.
Wer genau ist mit „Politik“ gemeint? Regierende, Opposition (welche?).
Wer hat ein Interesse an einer totalen Überwachung (total = analog+digital, beides zeitlich und gegenständlich 100% umfassend)
Wer wäre personell und technisch dazu befähigt?
Welche Speicherkapazitäten werden für 83 Mio. Einwohner in D benötigt?
Da die Überwachung „total“ sein soll, wird nicht selektiv gespeichert.
Wer wertet das aus, mit welchen Methoden, nach welchen Kriterien?
Wer kann das, und wie wird die Organisation der Überwacher überwacht?
Welche Haushaltsmittel wären dafür im Bundeshaushalt anzusetzen?
Bräuchte es für eine totale Überwachung in Deutschland eine Zwei-Drittel-Mehrheit im BT, oder wären wir dann schon eine Diktatur?
Für eine Verschwörungstheorie spricht auch die Behauptung: „ein Entkommen ist faktisch unmöglich.“
Wer also in der „Politik“ strebt heute(!) mit Absicht(!) einen postdemokratischen Zustand an?
Teil 3 (Als Antwort auf “Antwort auf Jedi Ritter Teil 1 und 2 vom 24.8.24/11 Uhr 49)
Sie verstehen den Satz durchaus richtig, haben aber meine Erläuterungen zu ihm nicht richtig gelesen.
Mit einer Verschwörungstheorie hat das ebenso wie alles andere nichts zu tun, denn die (u. a.) von mir erläuterten Vorgänge sind auf vielerlei Art und Weise belegt. Daher meine anfängliche Bitte, sich mit der Seite hier intensiv zu befassen.
Der Begriff “Totale Überwachung” ist nicht absolut zu verstehen, sondern kennzeichnet aus meiner Sicht einen gesellschaftlichen Zustand, in dem kein Bürger, egal was und mit wem er kommuniziert, was er plant und tut, damit rechnen kann, dies unbeobachtet zu tun. Damit meine ich nicht die permanente Verfolgung einer Person X per pedes durch eine Person Y. In erster Linie bezieht sich das auf digitale Vorgänge (eine von Ihnen beschriebene Differenzierung in analoge und digitale Überwachung ist nicht nötig, da digitale Vorgänge in den meisten Fällen unser “analoges” Leben zu ersetzen drohen, selbst in der eigenen Wohnung). “Total” heisst demnach, dass egal, welchen digitalen Kommunikations- oder Informationsweg eine Person einschlägt, man immer mit Dritten rechnen muss, die diesen mitverfolgen, mit aus anderen Methoden gewonnenen Erkenntnissen korrelieren, speichern und im Extremfall manipulieren können. Selbst wenn das (noch) nicht immer praktiziert wird, reicht die Schaffung des Bewusstseins über das Mögliche. Die Politik operiert also mit Angst. Die Wortwahl “faktisch kein Entkommen” fasst das charakterisierend zusammen, zumal der Bürger nie weiss, wer ihn wann, wo, mit welchen Mitteln, wie lange und zu welchem Zweck überwacht.
Auch wenn Sie hier alles nachlesen können, will ich versuchen, Ihre Fragen, soweit möglich, zu beantworten (Teil 4 und 5):
TEIL 4 (Als Antwort auf “Antwort auf Jedi Ritter Teil 1 und 2 vom 24.8.24/11 Uhr 49)
Zu Frage 1: “Politik” umfasst, auf Deutschland bezogen, Fraktionen bzw. darüber hinaus Regierungen, die der Auffassung sind, mit möglichst viel digitaler Technik und Kontrollgesetzen lasse sich ein aus ihrer Sicht vermeintlich unerwünschtes (und keineswegs nur kriminelles) Handeln der Bürger unterbinden und ahnden. In Deutschland sind das in erster Linie CDU/CSU, große Teile der SPD, die AFD und seit einiger Zeit auch Teile der Grünen.
Frage 2: siehe 1, dazu große Teile der Wirtschaft sowie Geheimdienste. Ich stelle Ihnen dazu Gegenfragen:
Warum hatte die Stasi Interesse daran, möglichst viele Leute zu bespitzeln?
Warum sammeln Google oder Facebook alles über jeden von uns (sofern man sich dem nicht entzieht)? Warum will “die Politik” auf diese Daten zugreifen? Was verspricht sie sich davon?
Warum wird eine Chatkontrolle diskutiert?
Warum wird “Überwachung” immer kleinzelliger? – sprich:
Warum wollen immer mehr Betriebe ihre Mitarbeiter überwachen? Und Eltern ihre Kinder?
Warum möchten die NSA und andere Dienste wirklich alles über jeden auf dem Planeten wissen? Warum werden nicht mehr nur Banken oder Flughäfen, sondern mittlerweile sogar entlegene ländliche Feldwege mit Kameras überwacht?
Warum schreitet bis auf wenige Ausnahmen die Politik nicht ein, sondern ändert laufend Gesetze, damit diese Entwicklung leichter und schneller vonstattengeht?
Warum lässt der EuGH plötzlich Massenüberwachung des Internets zu, obwohl er diese einige Monate vorher noch komplett untersagt hatte?
Warum werden Überwachungsgesetze, wenn überhaupt, nur auf erheblichen öffentlichen Druck und dann nur spärlich in den Medien diskutiert?
Warum sieht sich Netzpolitik.org gezwungen, einen Artikel zu obigem Thema zu schreiben?
TEIL 5: (Als Antwort auf “Antwort auf Jedi Ritter Teil 1 und 2 vom 24.8.24/11 Uhr 49)
Frage 3: Alle Institutionen, die genug Geld bekommen oder selbst investieren. Und die, die es nicht können, bitten die, die es können, um “partnerschaftliche” Hilfe, wie es z. B. unsere Regierung bei der NSA tut. Denn: die NSA speichert trotz “Selektoren” nicht selektiv (Frage 5).
Frage 4: Das müssen Sie hier IT-Leute wie Philip Engstrand, Constanze Kurz oder Bit-te-1-Bit fragen.
Frage 5 und 6: von Art. 10 GG und der entsprechenden Kontrollkommission einmal abgesehen wüssten das sehr viele Menschen ebenso gerne wie Sie oder ich.
Frage 7: Das kann ich Ihnen nicht sagen, da ich kein Haushaltspolitiker bin. Dennoch scheint für Behörden wie “ZITiS” sehr viel Geld vorhanden zu sein.
Frage 8: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. (EU-)Maßnahmen wie z. B. die Chatkontrolle werden nicht alleine von unserer Regierung beschlossen, wenngleich sich die Verhältnisse bekanntlich jederzeit ändern können. Eine 2/3-Mehrheitsentscheidung hätte noch keine Diktatur zur Folge. Sollten aber Parteien an die Macht kommen, denen man die Förderung einer Diktatur zutrauen könnte, würde aus meiner oben beschriebenen “Offensichtlichkeit” noch schneller “Absolutheit” werden.
Und um Ihre letzte Frage ebenfalls mit einer Gegenfrage zu beantworten: Warum merkt die Politik nicht, dass das, was sie tut und wogegen wir hier kämpfen, der Demokratie und dem Gemeinwesen großen Schaden zufügt? Warum kann man deshalb nicht anders, als ihr Absicht zu unterstellen?
„Das aber wäre nach meiner Auffassung eine klassische Verschwörungstheorie.“
Warum? Und was hat Snowden aufgedeckt? So ziemliche Totalüberwachung oder ist die ganze Kiste nur eine Verschwörungstheorie? Sind alle die netzpolitik lesen Verschwörungstheoretiker?
Checks and Balances:
Zum Messerthema noch ein lustiger Beitrag. Leider weiß ich nicht, wer der Mann war, der da im Radio gefragt wurde, aber sinngemäß wurde versucht die Kritik an der 6cm Regel, die nun nichts mit dem jüngsten Terrorakt zu tun hat, beseitezuwischen. Schließmuskel im Sinn: Man solle nicht eine Maßnahme herauspicken, nur weil sie nichts bringe, man müsse das gesamt Paket betrachten (o.ä.)…
Abgesehen davon, dass Multitools und so manches abgerundete Kindermesser, wenn man was mit anfangen soll, eher SIEBEN ZENTIMETER als Standard haben. Hinzu die Nebelwolke die damit kommt, niemand müsse irgendwo bestimmtes (Ort X, Ort Y, Ort Z) eine Stich- oder Hiebwaffe mit sich tragen. Denn was im Gesetz steht wird bei solchen Vorgängen zumeißt vernebelt. Würde also nicht wundern, wenn es allgemein um führen o.ä. gehen würde.
Jetzt gucken wir uns das Gesetz an, und bisher ist klar: Verzweiflung ist das Ergebnis. Ein unübersichtlicher Quatschgewöllehaufen vergangener Wieselpolitik. U.a. wäre es ein leichtes, ein schnell zu öffnendes Behältnis mitzuführen (…), womit wir beim legalen Transport von z.B. Macheten wären. Dann muss der Angreifer die Machete irgendwo auspacken, und gegebenenfalls das Behältnis aus Zeitersparnisgründen fallen lassen. Vermutlich logistisch unmöglich für einen Saftladen wie den IS. Und der Vorschlag ist nun… irgendwelche Grenzwerte zu halbieren. Dümmer geht’s freilich: wie wär’s mit gestaffelt, dann 5,5 cm ab 2025, wegen der bedrohten Pinguine! Das ergibt immerhin eine Quersumme von 19!
Man bedenke, dass Führen grob gesagt dann passiert, wenn es nicht ein ordnungsgemäßer Transport ist. Irgendwie im Rucksack, oder z.B. in der Unterhose? Das reicht hier nicht!