Mit einer Neuregelung des BND-Gesetzes muss die Bundesregierung die Regeln für den Auslandsgeheimdienst an Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) anpassen. Dieses hatte Teile des Gesetzes im Mai für grundrechtswidrig erklärt. Seit mehreren Monaten arbeitet das zuständige Bundeskanzleramt an dem Thema, nun haben verschiedene Organisationen ihr Feedback zu dem aktuellen, offiziellen Entwurf gegeben.
Bereits frühere, von netzpolitik.org veröffentlichte Entwürfe riefen Kritiker auf den Plan. Eine Fassung von September erfuhr etwa wenig später noch Änderungen an einigen Stellen.
Doch die Kritik von Presseorganisationen, Wirtschaftsverbänden und weiteren Organisationen ist weiterhin groß. So kommt ein Medienbündnis zu dem Ergebnis, dass das Urteil des BVerfG „weiterhin zu weit ausgelegt wird“. Dem Zusammenschluss aus Presserat, Journalistenverbänden und Rundfunkanstalten kommt der Schutz von Medienschaffenden zu kurz. Dabei geht es nicht nur um Journalisten im Ausland, auch deutsche Redaktionen wären von den Regelungen für den Auslandsgeheimdienst betroffen, da sie oft Auslandsbüros haben oder mit internationalen Medien kooperieren.
Redaktionsgeheimnis in Gefahr
Ein Knackpunkt liegt für das Medienbündnis im Redaktionsgeheimnis, heißt es in der Stellungnahme. Das umfasse nicht nur personenbezogene Daten. Man müsse davon ausgehen, „dass die Geheimdienste in der Lage sind, die Herkunft von Dokumenten auch ohne personenbezogene Daten herauszufinden“. Das führe zu einer „bedenklichen Aushöhlung des Quellenschutzes“.
Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall, fordert dazu: „Auch die Inhalte journalistischer Recherchen sowie die von Journalisten eingegebenen Suchbegriffe müssen für Späher tabu sein“. Es gehe den BND nichts an, wozu ein Journalist gerade recherchiert.
Auch Metadaten, also Informationen darüber, wer mit wem wann kommuniziert, seien nicht ausreichend geschützt – ein weiteres Problem beim Quellenschutz. „Der Schutz journalistischer Vertraulichkeitsbeziehungen muss konsequent auf alle Formen der Informationsgewinnung und -verarbeitung erstreckt werden“, fordert das Bündnis.
Wer ist für den BND ein Journalist?
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Reporter ohne Grenzen (ROG). Die Pressefreiheitsorganisation war selbst an der Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz beteiligt und ist nun enttäuscht: „Nicht das demokratische Einhegen der massenhaften Überwachung digitaler Kommunikation steht im Vordergrund, sondern die Legalisierung der weitest möglichen Fortsetzung der Praxis.“
Im Einklang mit dem Medienbündnis fordert ROG, vertrauliche Kommunikation besser zu schützen, auch wenn es sich nicht um die gezielte Erhebung personenbezogener Daten handelt. Unzufrieden ist ROG mit der Regelung, für wen in Zukunft journalistische Schutzrechte gelten sollen. Laut dem Entwurf entscheidet der BND selbst darüber, wer für ihn Journalist ist oder nicht.
Laut der Gesetzesbegründung soll der Schutz etwa nicht für als „Journalisten getarnte Vertreterinnen oder Vertreter fremder Nachrichtendienste“ gelten oder für „Personen, die mediale Propaganda für journalistisch und extremistische Gruppierungen betreiben“.
Dass staatliche Stellen sich den Begriff des Journalisten selbst anhand inhaltlicher Kriterien definieren, findet die NGO problematisch: „Nicht die Bewertung journalistischer Beiträge oder die Bindung einer Person an ein Medium darf die Grundlage der Zuerkennung journalistischer Schutzrechte bilden“, so ROG in seiner Stellungnahme. Stattdessen sollte im Vordergrung stehen, ob die entsprechenden Personen journalistische Standards einhalten. Sonst könnten etwa Bürgerjournalismus-Initiativen oder Medienschaffende, die in ihren Herkunftsländern verfolgt werden und mit Berufsverboten konfrontiert sind, schutzlos dastehen.
Zu wenig Kontrolle für zu viele Befugnisse
Als Gefahr für Medienschaffende sieht ROG auch die Hacking-Befugnisse des BND, die das neue Gesetz verfestigen will. Der Geheimdienst soll dabei einzelne Geräte, aber auch fremde Server infiltieren dürfen. Dabei lasse sich kaum ausschließen, dass „vertrauliche Kommunikation oder Dateien von Medienschaffenden verdachtsunabhängig als Beifang miterhoben werden“.
Alldem stehe eine zu schwache Kontrolle gegenüber. Der neue Unabhängige Kontrollrat bekomme zu wenige Informationen, etwa über einzelne Suchbegriffe des Geheimdienstes. Außerdem habe er bei der Einordnung von Vertraulichkeitsbeziehungen keine Aufsichts- oder Entscheidungsbefugnisse. ROG bemängelt, dass im Kontrollrat auch „eine unabhängige und kritische Stimme der von Überwachung betroffenen Gruppen“ fehlt, „insbesondere schutzwürdiger Personen wie Medienschaffenden und Rechtsanwälten“.
Sehr ausführlich kommentiert die Stiftung Neue Verantwortung (SNV) den Gesetzentwurf und macht Gegenvorschläge. Der Think Tank sieht zwar eine deutliche Besserung „zum aktuellen, verfassungswidrigen Status quo“, an vielen Stellen greife der Vorschlag jedoch noch zu kurz. Besonders in der Geheimdienstkontrolle sieht die SNV Nachholbedarf und Vorbilder in anderen Ländern. Der geplante Unabhängige Kontrollrat und die bereits existierende G10-Kommission seien „institutionell und befugnistechnisch gänzlich unterschiedlich aufgestellte Kontrollorgane mit ähnlich gelagerten Aufgaben“.
Statt die Kontrollorgane weiter zu fragmentieren, hätte man die Aufsicht über den BND auf wenige, starke Institutionen aufteilen können. Die neue Struktur der Kontrolle bliebe in der Durchschlagskraft absehbar schwächer als sie es müsste, heißt es in der Stellungnahme.
Die Zeit ist knapp
Neben den Medienorganisationen und Think Tanks haben sich auch die Wirtschaftsverbände Bitkom und eco zu dem Entwurf geäußert. Der Bundesverband der IT-Branche Bitkom stellt knapp fest, dass der Gesetzenwurf die Punkte aus dem BVerfG-Urteil abarbeitet, merkt jedoch an, dass die Befugnisse des BND nicht „ganzheitlich“ geregelt werden. Das schränke in Teilen die Übersichtlichkeit ein und setzt das Problem der getrennten, nicht koordinierten verschiedenen Aufsichtsgremien fort.
„Da die verschiedenen Gremien ihre Erkenntnisse nur bedingt miteinander teilen dürfen, bleibt die Chance, die Kontrolle über den BND nachhaltig zu optimieren, vorerst ungenutzt“, heißt es in der Stellungnahme.
Der Verband der Internetwirtschaft eco kritisiert wie auch Bitkom, dass eine einwöchige Frist zur Kommentierung viel zu kurz sei. Der Verband will sich daher auf die wichtigsten Punkte beschränken und lehnt unter anderem kategorisch ab, dass der BND ausländische Dienste- und Kommunikationsanbieter infiltrieren darf. Wenn staatliche Stellen Sicherheitslücken ausnutzen, um sich in fremde Systeme zu hacken, führe das zu einer „Gefährdung der IT-Sicherheit, der Integrität von IT-System und schwächt die Vertrauenswürdigkeit von Kommunikation“.
Nicht nur die Frist für die Kommentierung des BND-Gesetzes war kurz, auch der restliche Zeitplan ist sehr straff: Noch im Dezember soll das Bundeskabinett über den Entwurf abstimmen, damit er weiter in den Bundestag gehen kann. Zusammen mit dem zweiten IT-Sicherheitsgesetz, das nach langer Entwurfszeit ähnlich schnell durchgepeitscht werden soll und ähnlich viel Kritik auf sich zieht.
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