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Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen, Weihnachten steht vor der Tür und wir befinden uns mal wieder im Jahresendspurt. Bis jetzt fehlen uns leider noch 85.000 Euro zum Erreichen unseres jährlichen Spendenziels. Warum sich eine Spende für Netzpolitik.org lohnt und welche neuen Möglichkeiten es gibt, um uns zu unterstützen, haben wir hier mal für euch zusammengefasst.
In dieser Woche haben wir der wirren Geschichte von berlin.de nachgeforscht. Die Domain heißt seit Mitte der 1990er Besucher:innen mit einer Mischung aus Ratgeberartikeln, Werbung und News willkommen. Seit längerem ist sie in privater Hand, doch dies könnte sich bald ändern, denn Linke, Grüne und SPD setzten sich für eine Re-Kommunalisierung ein.
Unsoziale Medien
Über Jahre hinweg hat das EU-Asylunterstützungsbüro EASO soziale Medien dafür genutzt, Hinweise auf neue Migrationsbewegungen nach Europa zu erhalten. Der oberste EU-Datenschützer kritisierte das Projekt. Die EU-Agentur habe sensible persönliche Daten von Flüchtenden gesammelt, etwa über deren Religion, ohne dass diese informiert worden seien oder zugestimmt hätten. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage.
In den USA ist die Überwachungstechnologie Ring schon weit verbreitet, wie eine Auswertung von Gizmodo zeigt. Durch die App „Neighbors“ konnten sehr genaue geographische Koordinaten erfasst werden, mit deren Hilfe der Standort der Ring-Kameras bestimmt wurde. Insgesamt sind wohl schon mehr als 440.000 private Überwachungskameras im Einsatz.
Datenkrake Telekommunikationsanbieter
Wie durch eine IFG-Anfrage bekannt wurde, speichern viele Provider in Deutschland Daten ihrer Kund:innen monatelang. Dazu gehören beispielsweise Rufnummern, die IMSI-Kennung der SIM-Karte, Internet-Surfdaten und Daten über Internet-Telefonie. Die Anbieter folgen keiner gemeinsamen Linie, sondern legen selbst fest, was wie lange gespeichert wird. Sicherheitsbehörden greifen gerne auf diese Daten zurück, weshalb Kritiker:innen von einer faktischen Einführung der Vorratsdatenspeicherung sprechen.
Auch der Internetanbieter 1&1 hat es mit dem Datenschutz nicht ganz so genau genommen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber verhängte in dieser Woche ein Bußgeld in Höhe von knapp 10 Millionen Euro gegen den Konzern, da man in der Vergangenheit per Service-Hotline recht einfach an weitreichende Informationen der Kund:innen gelangen konnte. Es genügte bereits, den Name und das Geburtsdatum der betroffenen Person zu kennen.
China: Abkehr von Windows und Co.
Die Kommunistische Partei Chinas hat eine Direktive ausgegeben, nach der innerhalb von drei Jahren die gesamte verwendete Hard- und Software in allen Regierungsbehörden und öffentlichen Einrichtungen chinesisch sein soll. Nach Schätzungen müssen zwischen 20 und 30 Millionen Geräte ausgetauscht werden. Das neue Betriebssystem basiert dann vermutlich auf Linux, wie bereits frühere chinesische Betriebssysteme auch.
Überwachung weltweit
In Österreich wurde ein Gesetz zum Einsatz von Staatstrojanern vom Verfassungsgerichtshof gekippt. Abgeordnete der Sozialdemokraten und der liberalen NEOS hatten gegen das Gesetz von ÖVP und FPÖ geklagt. Das Gericht folgte der Einschätzung der Kläger:innen, wonach eine verdeckte automatische Datenerfassung unverhältnismäßig sei. Die verdeckte Überwachung sei nur in engen Grenzen zulässig und müsse die Rechte mitbetroffener Dritter wahren.
Vor einem Jahr ist in das nordrhein-westfälische Polizeigesetz in Kraft getreten. Mit dem Gesetz darf die Polizei Personen für bis zu sieben Tage festhalten, um die Identität festzustellen, und bis zu einem Monat, wenn eine Straftat befürchtet wird. Eine Auswertung zeigt, dass bisher vier Aktivist:innen auf Basis des neuen Gesetzes zur Identitätsfeststellung in Gewahrsam genommen wurden. Mehrere weitere wurden präventiv festgehalten.
In Kolumbien überwacht die Polizei mithilfe von an Hubschraubern montierten Kameras die Proteste gegen die Regierung. Diese Kameras sind angeblich in der Lage, vermummte Personen per biometrischer Gesichtserkennung zu identifizieren. Auch wurden Drohnen eingesetzt, um die Ausdehnung der Proteste zu beobachten. Kritiker:innen werten das als Angriff auf das Recht auf Privatsphäre, die Unschuldsvermutung und auch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
Seit 2013 läuft der Journalist Paul Salopek von Äthiopien ausgehend auf den Spuren unserer Vorfahren. Er will dabei laut eigener Aussage die Pfade der Menschheitsgeschichte nachgehen, trifft aber häufig auch auf moderne Vertreter des Homo sapiens in Uniform. Auf einer Karte hat er jede Polizeikontrolle markiert, in die er seit Beginn der Reise geraten ist.
Offene Gesellschaft ist kein Selbstläufer
FragdenStaat.de hilft Bürger:innen dabei, Anfragen auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) zu stellen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist offensichtlich kein Fan und hat das Transparenzportal jetzt wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen verklagt. Grund ist die Veröffentlichung eines Gutachtens des BfR zu Glyphosat.
Twitter entdeckt die Offenheit. Zumindest ein kleines bisschen. Twitter-Gründer und CEO Jack Dorsey hat diese Woche ein Team angekündigt, das daran arbeiten soll, einen quelloffenen, dezentralisierten Standard für soziale Netzwerke zu entwickeln. Das könnte eine Abkehr von der bisherigen Entwicklungsrichtung der Plattform sein, die bisher vor allem auf Zentralisierung gesetzt hat – Stichwort Dritt-Clients.
Was, beziehungsweise ob, das überhaupt etwas für Twitters Zukunft bedeutet, ist allerdings noch unklar. Das kleine Team von fünf Entwicklern werde wohl Jahre brauchen, bis es etwas vorweisen kann, so Dorsey.
Zukunft im Digitalen
Der Bundestagsausschuss Digitale Agenda hat Expert:innen zu einer öffentlichen Anhörung zum Thema „IT-Sicherheit von Hard- und Software“ eingeladen. Die Sachverständigen waren sich einig darüber, dass Deutschland seine digitale Souveränität verliere. Um die IT-Sicherheit in Deutschland sei es schlecht bestellt, so der Tenor der Sitzung. Verantwortlich machten die Expert:innen in der Sitzung dafür sowohl mangelnde digitale Bildung als auch das Fehlen einer einheitlichen Politik.
Podcast und Fernsehrat
Seit Inkrafttreten des neuen Rundfunkstaatsvertrages dürfen auch reine Online-Angebote entwickelt werden. Nun muss ein neues Telemedienkonzept für das ZDF her, schreibt Leonhard Dobusch in Folge 54 unserer Rubrik „Neues aus dem Fernsehrat“. Es werden unter anderem eine längere Zugänglichkeit von Bildungsinhalten und mehr freie Lizenzen gefordert.
In unserem Redaktions-Podcast NPP haben diese Woche Chris Köver und Markus Reuter über ihre Recherchen zu den Moderationspraktiken bei TikTok (alle Artikel) gesprochen. Mit dabei war außerdem Daniel Laufer, der seit dem 1. Dezember Teil der Redaktion ist. Er spricht im Podcast über seine Recherchen zu 8chan und dem Attentäter von Halle.
Wir wünschen euch ein schönes Wochenende!
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