Studien zu AlgorithmenTikTok und X pushen rechte Parteien

Gleich zwei Untersuchungen zeigen, dass die rechtsradikale AfD von den Algorithmen bei TikTok und X überproportional profitiert. Zudem stellen andere Recherchen fest, dass die AfD auf TikTok von anonymen Accounts unterstützt wird, welche die Partei mit einfachen, oft KI-generierten Inhalten hochjubeln.

Screenshot auf dem Elon Musk, Alice Weidel und das Logo von X zu sehen sind
Elon Musks Haltung zugunsten rechter Parteien und Bewegungen ist bekannt. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / ZUMA Press Wire

Zwei voneinander unabhängige Recherchen zeigen, dass die Plattformen X und TikTok mit ihren Algorithmen rechte Parteiinhalte überproportional pushen. So hat eine Untersuchung von ZDF Frontal zusammen mit einem Forscherteam aus Dublin ergeben, dass Elon Musks Plattform X sowohl die AfD wie auch das BSW überproportional oft im „Für Dich“-Feed anzeigt.

Für die Untersuchung (PDF) folgten neu erstellte Accounts je acht führenden Vertreter*innen der im Bundestag vertretenen Parteien, taten aber ansonsten nichts, was Rückschlüsse auf Vorlieben hätte geben können, wie retweeten oder liken. Bei dieser Anordnung waren 37,9 Prozent der Partei-Posts im Feed von der AfD, dabei hat diese nur 15,2 Prozent der Partei-Posts erstellt. Und obwohl das BSW nur 1,4 Prozent der Partei-Posts erstellte, galt ihr mehr als jede zehnte Erwähnung im Feed. Die SPD hingegen hatte 12,5 Prozent der Partei-Posts erstellt, erschien allerdings nur in einem Prozent der Partei-Posts im Feed. Tweets von Elon Musk sahen die Testaccounts am häufigsten, davon profitierte auch Alice Weidel, die von Musk zitiert oder retweeted wurde.

Screenshot Studie, Balkendiagramm
Das Diagramm zeigt die Relation zwischen dem Anteil der abgesetzten Tweets und der Wahrscheinlichkeit des Erscheinens von Tweets im For You Feed auf X. - Alle Rechte vorbehalten Przemyslaw A. Grabowicz et al

Bei Retweets und Likes der Postings liegt die AfD leicht vorne. Dies hat Einfluss auf die Sichtbarkeit. Der Leiter des Forscherteams in Dublin, Przemysław Grabowicz, vermutet aber laut dem ZDF, dass dies alleine die hohe Reichweite nicht erkläre: „Unser Regressionsmodell deutet darauf hin, dass es neben der Anzahl der Interaktionen noch einige andere Faktoren gibt, die mit der Parteizugehörigkeit zusammenhängen und die Präsenz im Feed erklären“, so der Informatiker. Da X seine Algorithmen nicht offenlegt, lässt sich das jedoch nicht überprüfen.

Rechtslastige Inhalte bevorzugt auch bei TikTok

Eine Untersuchung der Menschenrechtsorganisation Global Witness (PDF) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis – sowohl für Elon Musks X als auch für die chinesische Videoplattform TikTok. In dieser Untersuchung wurden jeweils drei neue Accounts erstellt, die gleichermaßen dem offiziellen Account der Parteien CDU, SPD, Grüne und AfD folgten sowie deren Spitzenkandidat:innen, außerdem klickten sie auf die jeweils fünf zuerst gelisteten Inhalte dieser Accounts.

Das Ergebnis war, dass rechtslastige Inhalte bevorzugt gezeigt wurden. Bei TikTok war die Schlagseite am Extremsten: 78 Prozent der algorithmisch ausgespielten Partei-Inhalte unterstützten die AfD, bei X waren es 64 Prozent.

Screenshot eines Balendiagramms, das zeigt, dass 78% der untersuchten Inhalte von TikTok die AfD unterstützen.
Screenshot eines Balkendiagramms, das zeigt, dass 78% der untersuchten Inhalte von TikTok die AfD unterstützen.

Ellen Judson von Global Witness hält das nicht unbedingt für Absicht. Sie sagt gegenüber TechCrunch: „Ich gehe davon aus, dass dies eine Art unbeabsichtigter Nebeneffekt von Algorithmen ist, die auf der Förderung des Engagements basieren“. So etwas passiere, wenn Unternehmen, die eigentlich dafür konzipiert seien, das Engagement der Nutzer auf ihren Plattformen zu maximieren, zu Räumen für demokratische Diskussionen werden. „Es besteht ein Konflikt zwischen kommerziellen Erfordernissen und öffentlichem Interesse und demokratischen Zielen“, so Judson weiter.

Auf die Ergebnisse angesprochen sagte TikTok, dass diese nicht repräsentativ seien und kritisierte die Methodik. Die Plattform X reagierte nicht auf die Anfrage von Global Witness. Elon Musks rechte Agenda ist bekannt. Der reichste Mann der Welt unterstützt die AfD explizit und fortwährend im Wahlkampf, unter anderem mit einem Zeitungs-Gastbeitrag, mit Reichweitenverstärkung per Retweets, einem Auftritt auf einer Veranstaltung sowie einem Livegespräch mit Alice Weidel auf X.

Vor dem Hintergrund von Musks Engagement für die rechte Partei sei Transparenz wirklich wichtig, sagte Judson gegenüber TechCrunch. Man wisse nicht, ob es eine algorithmische Veränderung gegeben habe. Global Witness hat die Studie auch mit der EU-Kommission geteilt, damit diese sie vor dem Hintergrund des Digital Services Act bewerten könne.

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Anonyme Accounts verbreiten AfD-Inhalte auf TikTok

Eine Recherche der Universität St. Gallen hat das Video-Ökosystem der rechtsradikalen AfD auf TikTok untersucht. Sie kam zum Ergebnis, dass 75 Prozent der Inhalte von Fans, rechten Influencern und anonymen Accounts stammen. Anonyme Accounts in Sozialen Medien haben schon in der Vergangenheit bei der AfD eine große Rolle gespielt. So gab es eine ganze Armee von gesteuerten Twitter-Accounts, welche die Partei unterstützten, wie netzpolitik.org in Kooperation mit dem Tagesspiegel und mit t-online.de nachweisen konnte.

Dass Fake-Accounts nun auch auf TikTok Stimmung für die Rechtsradikalen machen, hat auch eine Studie von Democracy Reporting International festgestellt. Die Studie konnte zwar nicht auflösen, wer hinter den Accounts steckt, die Autor:innen gehen aber davon aus, dass es sich um koordinierte Aktivitäten handele.

Eine weitere TikTok-Studie im Rahmen eines Forschungsprojektes der Amadeu Antonio Stiftung und des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts, hat die AfD und andere Parteien auf Datengrundlage der offiziellen TikTok-Research-API untersucht. Laut diesen Zahlen holen die anderen Parteien mittlerweile in Sachen Reichweite auf. Die Studie belegt aber auch, dass die AfD mit einer großen Masse an simpel herzustellenden Videos unterstützt wird, wie Belltower berichtet.

Dieses Phänomen beleuchtet auch die ARD-Reportage „Die TikTok-Armee der AfD“. Wie auch Democracy Reporting International hat auch die ARD herausgefunden, dass hierbei oftmals KI-generierte Inhalte genutzt werden.

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