KW 47Die Woche, als ein Digitalgipfel uns zu Kund:innen machte

Die 47. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 20 neue Texte mit insgesamt 132.907 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Fraktal in schwarz-rot
Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Kundinnen und Kunden,

Ihr seid eine:r von 450 Millionen. Von 450 Millionen „customers“ auf dem europäischen Binnenmarkt, die Start-ups, mittlere Unternehmen und Großkonzerne erreichen sollen.

Fühlt ihr euch von dieser Ansprache irritiert? Ich mich auch. Aber so sieht euch offenbar der deutsche Digitalminister, zumindest wenn es nach seiner Eröffnungsrede auf dem Gipfel zur europäischen digitalen Souveränität diese Woche geht.

Da ist viel die Rede von Wachstum durch sogenannte KI, einem Rennen der Innovation, dem sich kleine und mittelständische Betriebe anschließen sollen. Der Minister spricht die an, die für ihn dabei offenbar eine Rolle spielen: Firmen, Investoren, Forschende, politische Institutionen. Die Menschen in Europa, also in der Denke Wildbergers die Kund:innen, spielen keine aktive Rolle.

Eine solche Digitalpolitik ist ein Problem. Denn sie führt dazu, dass Regeln nur noch für Unternehmen gemacht werden. Wir sehen das gerade am Digital-Omnibus, einem Gesetzespaket, das die EU-Kommission diese Woche vorgestellt hat. Während Industrieverbände jubeln, ist die Zivilgesellschaft schockiert vom Schnellabbau von Datenschutzregeln und großzügigen Fristverschiebungen für riskante KI-Systeme. Meine Kollegen Ingo und Daniel haben Antworten auf die wichtigsten Fragen dazu zusammengestellt.

Aber nicht nur die industriefreundliche Politik wird einem mit einer derartigen Verkäufer-Mentalität auf die Füße fallen. Denn Europa besteht nicht vor allem aus Kund:innen, sondern aus vielen Millionen Menschen, die unsere digitale und analoge Welt gestalten wollen und können. Wer ihre Stimmen ignoriert, ihre Ideen als irrelevant abtut, ihre Expertise weglächelt, verschenkt die Zukunft. Wir wollen die digitale Welt nicht als Produkt kaufen, wir wollen sie gestalten.

Wir von netzpolitik.org sehen es seit vielen Jahren als eine unserer Kernaufgaben, der Zivilgesellschaft bei netzpolitischen Diskussionen eine Stimme zu geben. Der Digitalminister hat in seiner Rede schmerzhaft demonstriert, dass das heute wichtiger ist als je zuvor. Wir müssen laut sein, um uns Gehör zu verschaffen, und das schaffen wir nicht allein.

Diese Woche haben wir euch wieder vermehrt um finanzielle Unterstützung gebeten, denn das Jahresende naht. Wie immer brauchen wir noch jede Menge Geld, um unsere Arbeit zu finanzieren, die durch eure Spenden ermöglicht wird. Als Spender:innen seid ihr für uns aber weit mehr als Kund:innen unserer journalistischen Produkte. Ihr seid wie wir Teil einer digitalen Zivilgesellschaft, die für ein Internet kämpft, das nicht den Konzernen, sondern den Menschen dient. Danke dafür!

Ein schönes winterliches Wochenende wünscht euch

anna

 

Uns fehlen dieses Jahr noch 262.769 Euro.

Interne DokumenteEU-Staaten einigen sich auf freiwillige Chatkontrolle

Die EU-Staaten einigen sich auf eine gemeinsame Position zur Chatkontrolle. Internet-Dienste sollen Kommunikation freiwillig lesen dürfen, werden aber nicht dazu verpflichtet. Wir veröffentlichen das eingestufte Verhandlungsprotokoll und den Gesetzentwurf. Nach dem formellen Beschluss beginnen die Trilog-Verhandlungen.

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Gipfel zur Europäischen Digitalen SouveränitätKehrtwende für die „Innovationsführerschaft“

Auf dem heutigen „Gipfel zur Europäischen Digitalen Souveränität“ verkündete die Bundesregierung nicht weniger als einen radikalen Kurswechsel: Digitale Souveränität versteht sie vor allem als Rennen um die „Innovationsführerschaft“. Dafür will sie hart erkämpfte Regularien schleifen. Die Zivilgesellschaft durfte nur zuschauen.

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Zensur in VietnamMitarbeiter des deutsch-vietnamesischen Exilmediums Thoibao in Haft

Der in Berlin unter Polizeischutz stehende Chefredakteur des Nachrichtenportals und sein Mitarbeiter sind in Vietnam wegen staatsfeindlicher Propaganda angeklagt. Die Anklage richtet sich gegen einen Kritiker, der seit Jahren über politische Entwicklungen in Vietnam berichtet. Dem Mitarbeiter droht jahrelange Haft.

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FAQ zum "Digitalen Omnibus"Was plant die EU-Kommission bei KI und Datenschutz?

Mit ihrem „Digitalen Omnibus“ will die Kommission Regeln für risikoreiche KI-Systeme um mehr als ein Jahr hinauszögern und den Datenschutz deutlich einschränken. Industrieverbände begrüßen den Schritt, Verbraucherschützer:innen sind alarmiert. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Gesetzespaket.

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Noch 262.769 Euro für digitale Freiheitsrechte.

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