Liebe Leser:innen,
bei uns im Redaktionschat gibt es immer wieder mal Nachrichten wie: „Artikel XY ist auf Pocket!“ – und alle wissen, was das heißt. Oft schmückt ein Raketen-Emoji diese Nachricht und die Freude ist groß. Doch was steckt dahinter?
Mit „Pocket“ (englisch: Tasche) meinen wir den Dienst, mit dem sich Menschen Artikel zum Späterlesen speichern können. Pocket bietet darüber hinaus auch kuratierte Lesetipps an, und zwar auf der Startseite von Firefox. Auf diese Weise finden immer wieder Zehntausende Menschen auch Artikel von uns.
Dass ein Artikel von uns auf Pocket empfohlen wird, bemerken wir oft durch ungewöhnliche Reaktionen von Leser:innen in der Kommentarspalte und per E-Mail. Das kann Gegenwind sein, verquere Ansichten, oftmals auch Zustimmung. Auf jeden Fall zeigen uns diese Reaktionen, dass ein Artikel plötzlich aus unserer Kern-Leser:innenschaft heraus größere Kreise zieht.
Ein besonders starker Indikator, dass Pocket gerade einen Artikel von uns empfiehlt, ist ein Schwall an Beschwerden über die geschlechtergerechte Schreibweise auf netzpolitik.org. Das ist dann meist der Punkt, an dem jemand kurz im Firefox nachschaut, ob der viel kommentierte Artikel dort gerade wirklich empfohlen wird. Die Auswahl der Pocket-Empfehlungen ist bunt, vielfältig, ziemlich gut – und irgendwie ist immer etwas dabei, das das ich auch selbst gerne anklicke und lese.
Der heiße Scheiß im Online-Mediengeschäft
Pocket-Empfehlungen sind so etwas wie der heiße Scheiß im Online-Mediengeschäft. Es gibt kaum einen anderen Mechanismus, der auf einen Schlag mehr Leser:innen auf die Seite bringt. Wir reden hier von mindestens 30.000, manchmal mehr als 120.000 Menschen, die plötzlich einen Artikel lesen, der sonst vielleicht nur 8.000 Klicks bekommen hätte.
Zum Vergleich: Wenn der Spiegel einen Artikel von uns verlinkt – immerhin eines der größten deutschen Onlinemedien – dann bringt das schätzungsweise nicht mehr als eine vierstellige Zahl von Leser:innen. In einer ähnlichen Größenordnung bewegen sich die Zugriffe, wenn ein Post bei Bluesky oder Mastodon richtig durch die Decke geht.
Ähnlich dürfte es anderen Medien gehen – und das macht Pocket zur heimlichen Reichweitenmaschine in der Medienlandschaft. Umso schwerer mussten wir schlucken, als gestern die Nachricht eintrudelte, dass Pocket eingestellt wird. Einige von uns werden auch die Lesezeichen-Funktion der App vermissen. Doch besonders groß war die Sorge, dass diese Empfehlungsmaschine, die netzpolitische Themen mit großer Wucht aus unserer Blase herauskatapultieren kann, bald nicht mehr funktionieren würde. Denn wir alle lieben es, wenn unsere Artikel von einem breiten Publikum gelesen werden.
Wahrscheinlich ist die Angst nicht berechtigt. Pocket-Betreiber Mozilla hat nämlich angekündigt, dass Firefox weiterhin kuratierte Inhalte empfehlen werde: Nur „Pocket“ wird es dann nicht mehr heißen, und in unserem Redaktionschat wird man dann irgendetwas anderes lesen als: „Artikel XY ist auf Pocket!“.
Mach’s gut, Pocket.
Viel Spaß auf neuen Webseiten wünscht Euch
Markus

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