KW 4Die Woche, als wir zum Pegasus-Magazin wurden

Die 4. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 20 neue Texte mit insgesamt 149.691 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Lesende,

seit gut zwei Monaten bin ich nun Prakti bei netzpolitik.org. Nicht besonders lange – und dennoch bin ich inzwischen sowas wie ein Experte geworden für staatliches Hacken und die Arbeit des Pegasus-Untersuchungsausschusses im Europäischen Parlament. Zumindest weiß ich jetzt viel mehr als davor. Beispielsweise, warum wir von Staatstrojanern sprechen, und nicht bloß von „Spyware“. Oder dass der Untersuchungsausschuss zwar Zeug:innen vorladen kann, aber die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten letztlich entscheiden, ob die Zeug:innen überhaupt erscheinen.

Als aufmerksame Lesende habt Ihr vielleicht schon mal meinen Namen unter einem Artikel zum Pegasus-Ausschuss bemerkt, oder unter einem Transkript der Ausschusssitzungen. Denn ja, wir veröffentlichen die Transkripte des Ausschusses. Weil es dem Parlament zu teuer ist, alle Sitzungen zu verschriftlichen, machen wir das eben – als kleine Redaktion mit einem Bruchteil des Budgets. In den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten, war das die Aufgabe von Emilia, Julien und mir; inzwischen ist auch meine Prakti-Kollegin Anna dabei.

Das ist oft mühsam. Wir ziehen zuerst das Video von der Parlamentsseite und laden es dann in unsere Transkriptionssoftware hoch. Die Software übersetzt das gesprochene Wort in Text. Leider ist dieser Text noch nicht reif für eine Veröffentlichung. Viele Fehler schleichen sich ein, etwa wenn Namen fallen – oder wenn während des Ausschusses eine Übersetzung per Voice-Over einsetzt. Also hören wir alle Sitzungen noch mal in doppelter Geschwindigkeit, passen Begriffe und Namen an. Das dauert, auch weil die Materie sehr komplex ist. Schreibe ich Artikel über den Ausschuss und seine Arbeit, dann habe ich nicht selten 20 Tabs offen und versuche, mich an Uni-Vorlesungen über die EU zu erinnern.

Auch diese Woche haben wir sehr viel zum Pega-Ausschuss veröffentlicht. So viel, dass wir uns zwischenzeitlich fragten, ob wir gerade das Pegasus-Magazin sind. Die engmaschige Berichterstattung hat aber einen Grund: Es passiert aktuell viel Wichtiges im Ausschuss und um ihn herum. Hinter dem Einsatz von Staatstrojanern steht die große Frage, ob und wie der Staat seine Bürger:innen hacken und überwachen darf.

Ich habe über die vorläufigen Empfehlungen des Ausschusses geschrieben, die künftig das Parlament – und auf diesem Weg möglicherweise auch die EU-Kommission – zum Umdenken bewegen könnten. Matthias Monroy hat aufgeschrieben, warum dennoch nicht alle geplanten Empfehlungen sinnvoll sind. Und Markus Reuter berichtete über Griechenland, wo der Überwachungsskandal die konservative Regierung in Bedrängnis bringt.

Es geht um unsere Grundrechte, unsere Demokratie. Deshalb braucht es die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Vor einigen Tagen haben uns auch Zuschriften aus dem Europäischen Parlament erreicht: Die von unserer kleinen Redaktion erstellten Transkripte helfen den Parlamentarier:innen wirklich bei ihrer Arbeit im Ausschuss. netzpolitik.org wirkt!

Kommt gut durchs Wochenende.

Herzliche Grüße

Tim


Neue Regeln für politische WerbungWenn Google und NGOs für das Gleiche streiten

Die EU will politische Werbung regulieren, aber was ist das überhaupt? Um die Definition ist ein Streit entbrannt, bei dem sich die Zivilgesellschaft plötzlich an der Seite von Google wiederfindet. Es ist ein Lehrstück über die Tücken zielgenauer Regulierung – und über gut gemachten Lobbyismus.

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Online-AusweisKeine Strategie bei der elektronischen Identität

Wer sich im Internet ausweisen will, kann dafür immer noch kaum seinen elektronischen Personalausweis nutzen. Die Bundesregierung baut die funktionierende und datensparsame Technologie nicht kraftvoll genug aus, sondern arbeitet auch an einem Smartphone-Wallet, obwohl das der Ausweis-eID in Sachen IT-Sicherheit und Datenschutz unterlegen ist.

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Smartphone WalletsDie Ausweispflicht im Netz muss streng begrenzt werden

Smartphone Wallets, in denen wir all unsere persönlichen Dokumente speichern und mit anderen teilen, sind ein großes Sicherheitsrisiko für diese wichtigen Daten. Dazu kommt: Wenn einer bequemen Online-Ausweisfunktion nicht klare rechtliche Grenzen gesetzt werden, droht mit der inflationären Nutzung der Verlust der Anonymität im Internet. Ein Kommentar.

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Olympische Spiele 2024Frankreich will „intelligente“ Videoüberwachung ausweiten

Vor den Olympischen Sommerspielen bereitet die französische Regierung den Boden für mehr Videoüberwachung. Das Parlament verhandelt derzeit über ein neues Gesetz, manche Politiker:innen wollen dabei auch eine automatisierte Gesichtserkennung im öffentlichen Raum durchsetzen. Ob sie eine Mehrheit finden, ist jedoch fraglich.

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"Digitaler Angriff auf die Demokratie"Untersuchungsausschuss soll Moratorium für Staatstrojaner fordern

Die Demokratie ist durch unkontrollierte Spionagetechnologie gefährdet. Gestern präsentierte Sophie in ’t Veld dem Pega-Ausschuss vorläufige Empfehlungen, in denen sie für eine strikte Regulierung von Staatstrojanern plädiert. Es zeichneten sich schwierige Verhandlungen ab.

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1 Ergänzungen

  1. Liebes Team von Netzpolitik,

    danke für eure großartige Arbeit und Transparenz, auch in Bezug auf die Herausforderungen mit Interviewtranskriptionen. Ich kann euch dazu eine unabhängige Empfehlung in meiner Rolle als 1. Vorsitzende der Open Education and Software Association aussprechen: Whisper ist eine automatische Spracherkennung, die einfach akkurat ist. Nach dem Fehlerausmaß, das ihr im Wochenrückblick beschreibt, nehme ich an, dass ihr derzeit ein anderes Programm nutzt. Weitere große Vorteile von whisper sind außerdem, dass es kostenlos ist, Daten lokal speichert, DSGVO-konform ist und diverse Sprachen sehr präzise ausgibt.

    Es gibt ein neues Video von TroubleChute, in dem ungesponsert und Schritt für Schritt in 15 Minuten erklärt wird, wie whisper installiert und verwendet werden kann: https://www.youtube.com/watch?v=XX-ET_-onYU. Der Einmalaufwand ist größer als bei kommerziellen Softwarelösungen, aber 15 Minuten gegenüber tagelangem Korrigieren könnten langfristig die sinnvollere Strategie sein.

    Falls ihr whisper gern nutzen wollt, es aber Schwierigkeiten bei der Installation oder Verwendung geben sollte, meldet euch gern (und sowieso, wenn wir euch irgendwie unterstützten können).

    Ich wünsche euch weiterhin viel Erfolg!

    Herzliche Grüße

    Celestine

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.