Europäisches ParlamentWir veröffentlichen alle Protokolle vom Staatstrojaner-Untersuchungsausschuss

Seit April untersucht ein Ausschuss im Europaparlament die Skandale beim Handel und Einsatz von Staatstrojanern. Wir haben alle Anhörungen automatisiert verschriftlicht und veröffentlichen die Wortprotokolle. Eigentlich ist das Aufgabe des Parlaments, aber dem war es zu teuer. Also machen wir das.

Sitzungssaal im Europaparlament mit Laptop.
netzpolitik.org im PEGA-Untersuchungsausschuss.

Staatstrojaner sind die intensivste Überwachungsmethode, die es gibt. Staatliches Hacken schafft wenig Sicherheit, aber viel Unsicherheit. Diktaturen und autoritäre Regime unterdrücken mit diesen Tools Zivilgesellschaft, Opposition und Medien. Deshalb berichten wir seit mehr als zehn Jahren über das Thema.

Vor anderthalb Jahren enthüllten internationale Medien im Pegasus-Projekt über 50.000 Ziele und hunderte Opfer des Staatstrojaners NSO Pegasus. Der Skandal war so groß, dass das Europäische Parlament einen Untersuchungsausschuss zum Thema einsetzte.

Seitdem haben die Abgeordneten mehr als zwanzig Mal getagt. Sie haben Täter, Opfer und Experten befragt – darunter auch Constanze und Andre von netzpolitik.org.

Das Parlament erstellt Video-Aufzeichnungen der Anhörungen und veröffentlicht sie. Aber wer hat die Zeit, fast 50 Stunden an Videos anzuschauen?

Dem Parlament sind Textprotokolle zu teuer

Zugänglicher, einfacher und vor allem durchsuchbar wären Abschriften der Anhörungen. Doch der Ausschuss hat nur genau ein offizielles Protokoll erstellt – wir haben es veröffentlicht.

Eine Verschriftlichung sämtlicher Anhörungen ist dem Parlament zu teuer und aufwändig. Der bürgerlich-konservative Ausschuss-Vorsitzende Jeroen Lenaers erklärt: „Das Europäische Parlament veröffentlicht nur vollständige Niederschriften, was sehr kostspielig ist und nicht automatisch für alle Anhörungen angewendet wird.“

Der liberale stellvertretende Vorsitzende Moritz Körner sagt: „Viele Abgeordnete bitten Praktikanten, in relevanten Sitzungen mitzuschreiben.“ Das Team der linken Abgeordneten Cornelia Ernst veröffentlicht Mitschriften und Notizen auf ihrer Webseite.

Moritz Körner sagt weiter: „Die Bürger können im Stream die Sitzungen live oder im Nachhinein schauen.“

Wir machen die Arbeit des Parlaments

Damit finden wir uns nicht ab. Wir haben alle Videos heruntergeladen und automatisiert mittels maschinellem Lernen in Text umgewandelt. Wir veröffentlichen an dieser Stelle alle Transkripte: mehr als 380.000 Wörter und 1,7 Millionen Zeichen.

Für uns als kleine Redaktion mit einem Jahresbudget von gut einer Million Euro ist das ein sehr großer Aufwand, aber machbar. Das Parlament hatte 2021 ein Budget von zwei Milliarden Euro.

Staatstrojaner-Untersuchungsausschuss

Diese automatischen Protokolle sind natürlich keineswegs perfekt, sie enthalten Ungenauigkeiten und Fehler. Deshalb haben Emilia, Julien und Tim die Rohversionen noch etwas nachbearbeitet – vielen Dank dafür!

Aber die offiziellen Protokolle sind auch nicht perfekt, wie das Parlament in seiner Haftungsbeschränkung schreibt: „Bestimmte Informationen, darunter die Verdolmetschungen der Reden sowie die auf dieser Website oder über sie zugänglichen Dokumente, können weder als authentische Wiedergabe amtlicher Texte noch als getreues Protokoll der parlamentarischen Debatten betrachtet werden.“

Unsere Arbeit hilft dem Parlament

Vor einem Monat hat die Berichterstatterin Sophie in `t Veld den Entwurf für einen Abschlussbericht vorgestellt. In den nächsten Wochen verhandelt der Ausschuss über die endgültige Version des Berichts. Für diese Arbeit sind schriftliche Protokolle immens wichtig, wie uns Mitarbeiter:innen im Parlament immer wieder sagen.

Aber unser Hauptpublikum ist natürlich die Öffentlichkeit. Deshalb haben wir schon den Geheimdienst-Untersuchungsausschuss im Bundestag protokolliert, wofür wir für den Medienpreis des Bundestags nominiert wurden.

Der Ausschuss-Vorsitzende Jeroen Lenaers dankt uns für diese Arbeit, zumindest indirekt: „Jede Maßnahme, die jemand ergreifen möchte, um die in den Ausschusssitzungen gesammelten Informationen zu verbreiten, ist willkommen.“

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