PlattformregulierungÖsterreich kündigt eigenes Gesetz gegen Hass im Netz an

In den kommenden Tagen will die österreichische Regierung einen Gesetzentwurf gegen Hass im Netz vorstellen. Dieser orientiert sich offenbar am deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz und soll Geldstrafen für Online-Dienste vorsehen, die Hasspostings nicht rasch löschen.

Hallstadt See
Hass gibt es in Österreich zur Genüge, da hilft auch die schönste Landschaft nichts. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Anthony Kind

Noch im Juli will die österreichische Bundesregierung ein Gesetzespaket gegen Hass im Netz vorstellen. Als Blaupause soll das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz herhalten: Ab einer bestimmten Größe müssten Plattformen ihnen gemeldete Inhalte rasch überprüfen und gegebenenfalls löschen. Sonst drohen ihnen Geldstrafen.

Um Details feilscht die türkis-grüne Koalition noch, eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe stellte gestern jedoch den Rahmen des Vorschlags vor. Demnach sollen die Löschfristen bei 24 Stunden beziehungsweise sieben Tagen in unklaren Fällen liegen, berichtet Der Standard. Nicht abschließend geklärt ist, ob lediglich große soziale Netzwerke unter das Gesetz fallen sollen oder auch Foren respektive Kommentarspalten beliebiger Online-Angebote ab einer gewissen Größe.

Betroffene Unternehmen müssten, ähnlich dem NetzDG, einen Zustellbevollmächtigten in Österreich bestellen. Einfache Meldeverfahren sollen für Nutzer:innen die Schwelle für eine Meldung absenken. Die Aufsicht soll bei der Regulierungsbehörde KommAustria liegen.

Anlauf der Vorgängerregierung gescheitert

Über ein solches Gesetz wird in Österreich schon seit geraumer Zeit debattiert. Die türkis-blaue Vorgängerregierung setzte im Vorjahr zu einem ersten Anlauf an, der unter anderem die Anonymität im Internet eingeschränkt hätte, stolperte vor der Verabschiedung allerdings über die Ibiza-Affäre.

Mit dem aktuellen Koalitionspartner unternimmt die ÖVP nun einen erneuten Versuch, der im Koalitionsvertrag bereits grob umrissen wurde. So traf sich im Februar Gerald Fleischmann, Medienbeauftragter von Kanzler Sebastian Kurz, mit dem damaligen deutschen Justizstaatssekretär Gerd Billen.

Damals verlautbarte Fleischmann noch ausdrücklich, das NetzDG werde als Vorbild dienen, was von den Grünen jedoch bestritten wurde. Für den Juniorpartner sitzt die Justizministerin Alma Zadić in der für den Entwurf zuständigen Arbeitsgruppe, neben der ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler. Wie sehr sich die beiden Gesetze letztlich ähneln werden, bleibt abzuwarten.

Deutschland bessert und verschlimmbessert nach

Inzwischen hat Deutschland zwei NetzDG-Novellen auf den Weg gebracht. Eine davon hat der Bundestag erst im Juni beschlossen. Sie beinhaltet eine umstrittene Meldepflicht für soziale Netzwerke, die künftig bestimmte potenziell strafbare Inhalte direkt an das Bundeskriminalamt melden müssen. Die andere geplante Überarbeitung, mit der die Gefahr des „Overblockings“ eingedämmt werden soll, liegt derweil noch im Bundestag.

Das NetzDG diente nicht nur der österreichischen Initiative als Vorbild, Frankreich führte ebenfalls ein ähnlich gelagertes Gesetz gegen Hass im Netz ein. Allerdings wurde das „Avia“-Gesetz jüngst vom französischen Verfassungsgericht kassiert.

Um einen europäischen Wildwuchs bei der Plattformregulierung zu verhindern, arbeitet die EU-Kommission derzeit an einem umfassenden Gesetzesvorschlag, dem „Gesetz für digitale Dienste“. Dieses soll unter anderem EU-weit geltende Regeln schaffen, die den Umgang mit potenziell illegalen oder unerwünschten Inhalten vereinheitlichen. Mit einem ersten Entwurf wird bis Ende des Jahres gerechnet.

Bis dahin könnte der österreichische Aufschlag schon beschlossen sein. „Da europäische Prozesse aber lange dauern, ist es per se nicht schlecht, dass Österreich hier vorgreift“, schreibt Iwona Laub von der Digital-NGO epicenter.works in einer ersten Einschätzung von Anfang des Monats. Zwar hätten die ins Spiel gebrachten Maßnahmen alle „viel positives Potential“, schreibt Laub, könnten jedoch auch gefährlich für die Meinungsfreiheit werden. Nun müsse man die Details abwarten, denn „wie immer wird der Teufel genau dort stecken“.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

3 Ergänzungen

  1. Eine „Telekom-Regulierungsbehörde KommAustria“ gibt es nicht. Es gibt die Kommunikationsbehörde Austria, kurz KommAustria, die für die Aufsicht über und Regulierung von Audiovisuellen Mediendiensten (TV, Radio, vergleichbare Online-Angebote, …) und deren Verbreitung zuständig ist. Dann gibt es eine Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (zu 100% im Bundeseigentum), deren Fachbereich Medien u.a. als Geschäftsstelle der KommAustria fungiert. Und dann gibt es noch die TKK, die Telekom Control Kommission (Abkürzung oder Langfassung enthalten keine Schreibfehler!), die die Regulierungsbehörde für den Telekom-Markt ist und der der Fachbereich Telekom und Post der RTR als Geschäftsstelle dient. Alles gut zum nochmal nachlesen auf http://www.rtr.at.

    1. Lieber Herr Kunigk, danke für die ausführliche Erklärung. Genau deshalb habe ich mich für die (wohl etwas zu) verkürzte Darstellung entschlossen. Ich passe die Passage an.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.