Wir haben ein Experiment gestartet: einen E-Mail-Newsletter, mit dem euch unser Chefredakteur Markus Beckedahl an den Wochentagen auch über den netzpolitischen Tellerrand hinaus bestens informiert hält. Eine Woche ist bits nun alt und wir freuen uns, wenn ihr den Newsletter abonniert und uns Feedback gebt. Schreibt uns, was wir besser machen können, was euch noch fehlt – und gern auch, wenn ihr rundum zufrieden seid.
Dieses Urteil setzt ein Zeichen gegen frauenverachtendes Verhalten
Die Coronakrise verändert unser aller Leben und führt zu einigen Entwicklungen, die besorgt und traurig machen. Auch aus der netzpolitischen Welt gibt es viele solcher Nachrichten. Das können wir nicht beschönigen, genauso wenig möchten wir euch und uns aber deprimiert ins Wochenende entlassen. Es ist schon herausfordernd genug, mit Kontaktverboten, Kinderbetreuung und Krankheitsfällen umzugehen – deshalb beginnt dieser Wochenrückblick mit einer guten Nachricht.
Ein Urteil des Berliner Kammergerichts sendet ein gutes Signal für die Sicherheit von Frauen in der Öffentlichkeit des Netzes. Die Nichtregierungsorganisation HateAid hat gemeinsam mit der Grünen-Politikerin Renate Künast gegen 22 Fälle frauenverachtender Beleidigungen geklagt, in zwölf Fällen hat das Berliner Kammergericht der Klage jetzt Recht gegeben. Bis zu diesem Urteil war es ein langer Weg, erzählt die Geschäftsführerin von HateAid, Anna-Lena von Hodenberg, in einem spannenden Gespräch mit netzpolitik.org
Was man hat, das hat man – Datensammeln in Zeiten von Corona
Die Ausbreitung des Virus scheint sich in Deutschland nach der bekannten Datenlage zu verlangsamen. Zahlen, die Optimismus verbreiten könnten – wenn sie denn stimmen. Das kann getrost bezweifelt werden, wie unsere Recherchen zeigen. Ursachen für die schlechte Datenlage sind womöglich veraltete Formulare und die Kommunikation per Fax zwischen Behörden, Laboren und Ärzt:innen. Politiker:innen, die mit diesen Daten arbeiten müssen, haben in der Krise wahrlich einen schweren Job.
Die Gesundheitsämter sind wegen der umständlichen Verfahren sowieso schon überfordert, sollen aber dennoch eine wachsende Datenmenge auswerten. Hinzu kommen seit dieser Woche Fluggastdaten vermutlich Infizierter, die die Behörden direkt bei der zuständigen Datenzentralstelle abfragen können. Es geht vor allem um die Kontaktdaten der Passagiere, die in Risikogebiete gereist sind oder bei denen aus anderen Gründen vermutet wird, dass sie das Virus übertragen könnten.
Und damit nicht genug: Eine neue Formulierung im überarbeiten Infektionsschutzgesetz erlaubt von nun an auch „technische Hilfsmittel“ für die Kontaktnachverfolgung. Das muss nicht, könnte aber Handystandortdaten meinen, und würde heißen: Noch mehr Daten für die Gesundheitsämter und das Robert-Koch-Institut. Gesundheitsminister Spahn tastet sich vor in Richtung Überwachung der Bewegung Einzelner zum Wohle aller ähnlich wie in Südkorea – mit fraglichem Nutzen für die Eindämmung der Krise.
Diese Woche haben wir in Deutschland eine Politik beobachtet, die mehr und mehr den Anschein von Aktionismus erweckt. Der Blick in andere Länder zeigt aber, dass dort teilweise jegliche Privatsphärebedenken über den Haufen geworfen wurden, im schlimmsten Fall gar jegliche demokratische Prinzipien. Ein prominentes Beispiel für den Aufbau weitreichender Überwachungsstrukturen ist Isreal, noch schlimmer sieht es für ungarische Bürger:innen aus: Der dortige Premier Viktor Orbán hat im Namen der Pandemiebekämpfung kurzerhand die Demokratie abgeschafft. Menschenrechtler:innen weltweit sind in großer Sorge.
Immer Ärger mit diesem Internet
Die Moderationspraxis populärer Plattformen ist ein wichtiges Thema auf netzpolitik.org. In der Coronakrise bekommt eine Kategorie von Inhalten politische Brisanz, die sonst selten kritisch besprochen wird: das Entfernen und strategische Platzieren gesundheitlicher Inhalte. Unser Gastautor Julian Jaursch fragt, ob es wünschenswert sei, dass Unternehmen wie Facebook, YouTube und Instagram allein entscheiden, welche Informationen wie präsentiert werden. Denn anders als Politiker:innen in Demokratien können sie nicht dafür zur Rechenschaft gezogen werden.
Auch EU-Parlamentarier:innen bleiben in der Coronakrise zu Hause. Zweifelsohne ist das eine sinnvolle Maßnahme ganz im Sinne des sogenannten Social Distancing. Zweifelhaft allerdings ist die angepasste Organisation von Parlamentsabstimmungen: Die sollen jetzt nämlich via E-Mail laufen. Die Integrität der Parlamentsabstimmungen steht auf dem Spiel, denn sicher ist das Verfahren leider nicht.
Verordnungen und Entscheidungen wie diese stehen symbolisch für die Überforderung europäischer Politiker:innen, mit der Krise umzugehen. Corona hatte es leicht im schlecht vorbereiteten Europa. Das hätte es aber gar nicht sein müssen: Der Wissenschaftsjournalist Volker Stollorz erzählt im Interview, dass er und seine Kolleg:innen schon seit Januar vor der Ankunft des Virus warnten. Jetzt ist die Lage verworren und bedrohlich und sorgfältige Berichterstattung umso wichtiger. Stollorz erklärt, worauf es im Journalismus in der Coronakrise ankommt.
Politik abseits von Corona
Die Bundesregierung arbeitet mit dem Rüstungskonzern Airbus zusammen, um Abwehrsysteme gegen Drohnen an Flughäfen zu entwickeln. Airbus und die Bundeswehr testen derzeit gemeinsam verschiedene Technologien. Darunter eine, die Drohnen mit an Quadrokoptern befestigten Fangnetzen im Flug aus der Luft fischt. In einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage steht, dass sie dafür 420 Millionen Euro ausgibt. Eine beachtliche Summe, die hier wieder einmal Rüstungsfirmen zur Verfügung gestellt wird.
Justus Dreyling von der Wikimedia Foundation berichtet über die Sitzung der UN-Organisation für geistiges Eigentum (WIPO). Verhandelt wurde, ob und in welcher Form internationale Lizenzregelungen kommen könnten. Bisher fehlen solche internationalen Vereinbarungen, obwohl Menschen aus aller Welt längst Medien untereinander teilen. Stattdessen haben alle Staaten eigene Vorstellungen vom Urheberrecht. So kommt es oft zu Uneinigkeiten und Problemen. Die WIPO möchte dem in diesem Jahr begegnen.
Der Fernsehrat scheut die Öffentlichkeit – unsere Rubrik „Neues aus dem Fernsehrat“ ist einer der wenigen Einblicke in seine Arbeit. Wo es in Sachen Transparenz noch hapert, zeigt eine neue DGB-Studie. Unser Autor Leonhard Dobusch, der für uns regelmäßig aus dem Fernsehrat berichtet, hat Verbesserungsvorschläge. Wie wäre es zum Beispiel mit öffentlichen Sitzungen?
Programmieren, Basteln, Tanzen gegen den Virus
Mundschutze werden jetzt chic. Das ist zumindest das Ziel einer Kampagne von und mit Deutschlands Internetprominenz, von Musikern Joy Denalane bis hin zu YouTuber Rezo. Sie werben für selbstgemachte Atemschutzmasken, denn die Masken für Mediziner:innen werden knapp. Wir haben für euch die kreativsten Anleitungen zusammengestellt und außerdem die Linken-Bundestagsabgeordnete und Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg dazu interviewt, wie man Gesichtsschutzvisiere mit dem 3D-Drucker herstellen kann.
Um die Philosophie der Maker-Kultur – einfach selbst machen! – drehte sich auch alles beim Hackathon „WirVsVirus“, den die Bundesregierung spontan ins Leben rief. Die Teilnehmenden entwickelten innerhalb kürzester Zeit Ideen zur Bekämpfung des Coronavirus. Vier von ihnen berichten für netzpolitik.org von kreativem Chaos, guter Stimmung und vielversprechenden Ideen, aus denen hoffentlich erfolgreiche Projekte wachsen.
Und zum Schluss möchten wir etwas sagen, das ihr so von uns noch nie gehört habt: Wir wollen mehr Liebe für „Staatstrojaner“! Nein, wir meinen nicht die Spionagesoftware. „Staatstrojaner“ ist der Titel der zweiten Single der Band Systemabsturz, die über netzpolitische Themen singen und jetzt ein – natürlich ironisches – Liebeslied an Spionagesoftware geschrieben haben. Sehr zu empfehlen, vor allem in diesen Zeiten, in denen der letzte Clubbesuch nur noch eine verschwommene Erinnerung ist.
An dieser Stelle möchten wir euch noch auf unsere Rubrik „Was vom Tage übrig blieb“ hinweisen. Jeden Tag bleiben im Chat unserer Redaktion zahlreiche Links liegen. Doch die sind viel zu spannend, um sie nicht zu teilen. Darum sammeln wir sie und veröffentlichen sie jeden Abend samt aktuellem Ausblick – normalerweise zeigt dieser den Fernsehturm, da wir aber die zweite Woche in Folge aus dem Homeoffice arbeiten, ist das Bild zur Zeit jeden Tag eine Überraschung.
Wir wünschen euch ein schönes Wochenende!
Wer positiv auf das neuartige Coronavirus getestet wird, dessen Daten werden beim zuständigen Gesundheitsamt hinterlegt. Die Polizei in Baden-Württemberg nutzt diese Daten derzeit pauschal, um sich bei Einsätzen schützen zu können. Das erklärte das Landesinnenministerium. Drei Gesundheitsämter haben dem SWR bereits bestätigt, dass sie Listen mit Klarnamen von Infizierten an die Polizei weitergegeben haben: Calw, Aalen und Böblingen.
Das aber sei unzulässig, stellt das Sozialministerium jetzt in dem Schreiben an alle Gesundheitsämter klar. Sie seien nicht befugt, die sensiblen Daten an die Polizei zu geben. Das Ministerium unterstützt dabei die Kritik des Landesdatenschutzbeauftragten: Das Infektionsschutzgesetz erlaube so einen pauschalen Rückgriff auf die Listen nicht. „Wir teilen die Bedenken“, sagte ein Sprecher des Sozialministeriums dem SWR. Mit der Auffassung stellt sich das Haus von Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) klar gegen das CDU-geführte Innenministerium von Thomas Strobl.
Quelle: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/gesundheitsdaten-corona-infizierte-100.html
Kommen da auch Krankschreibungen (ohne Test) für Erkältungen hinzu?
Laut Pressekonferenz vom Markus Söder (CSU) schickt Bayern Polizisten in die Gesundheitsämter, um diese bei der „Nachverfolgung“ von Infizierten-Kontakten zu unterstützen.
Glaubt man anderen Quellen, etwa Polizei-Gewerkschaften, so leidet die Polizei an Personalmangel.
Niemand jedoch traut sich einen klassischen Interessenkonflikt bezüglich der Begierde nach Personen-Daten zu artikulieren, auch wenn dabei geltendes Recht gebrochen wird.
Bei Korruption und Bestechung sollte auch schon der Anschein vermieden werden. Dieser Grundsatz ist in der Krise jetzt schon abhanden gekommen.