Netzpolitischer Wochenrückblick KW 34: Die rettenden Zehn

Diese Woche beschäftigten wir uns insbesondere mit Merkels neuem Prestigegremium Digitalrat und dem Einsatz von Überwachungstechnologien gegen Minderheiten in China. Darüber hinaus haben wir viele interessante Lesetipps und Eventhinweise zu vermelden.

– Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Ray Hennessy

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Seit dieser Woche kennen wir endlich die Gesichter, die die Bundesregierung künftig in Sachen Digitalpolitik beraten dürfen. Der seit einem Jahr erwartete Digitalrat soll Impulse geben, antreiben und „unbequeme Fragen stellen“. Wir haben die zehnköpfige Besetzung kritisch unter die Lupe genommen und erwartungsgemäß festgestellt, dass neben Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft die zivilgesellschaftliche Perspektive nicht vertreten ist.

Minderheiten im Visier

Auch diese Woche beschäftigen wir uns mit staatlicher Überwachung. Die chinesische Zentralregierung erweitert die Überwachung von religiösen sowie ethnischen Minderheiten und wartet mit immer neuen Technologien auf. Nach einem Medienbericht nutzt die Regierung zur Beobachtung sogar vogelähnliche Drohnen, deren Flugbewegungen so realistisch wirken sollen, dass selbst echte Vögel an ihrer Seite fliegen. Die muslimische Minderheit der Uiguren ist besonders von staatlicher Repression betroffen. So werden Uiguren zum Beispiel vor der Pilgerreise nach Mekka und Medina mit GPS-Trackern versehen und müssen der Kommunistischen Partei Chinas die Treue schwören. Trotz alledem werden sie auf der Reise von Vertretern der chinesischen Regierung begleitet. Es gibt für sie keine Möglichkeit, sich der ständigen Überwachung zu entziehen.

In Deutschland hat das Bundesinnenministerium die aktuellen Zahlen für die Telekommunikationsüberwachung mitgeteilt. Die Nutzung digitaler Fahndungsmethoden befindet sich weiterhin auf einem hohen Niveau. Dies geht aus einer Kleinen Anfrage im Bundestag hervor. Ziel der Anfrage war das Abfragen der Zahlen für sogenannte Stille SMS, IMSI-Catcher und Funkzellenabfragen im ersten Halbjahr 2018 und Einsätze durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei.

Migration und Technologie

Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte, die ihre Identität nicht belegen können, müssen in Deutschland massive Eingriffe in ihre Privatsphäre in Kauf nehmen. Neben dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dürfen auch die Ausländerbehörden Telefone von Menschen ohne Papiere durchsuchen. Allein in Berlin gab es in den letzten Jahren bereits 40 Fälle. Dies ergab eine Kleine Anfrage von Niklas Schrader (Die Linke).

Zusätzlich zur Telefondurchsuchung wird seitens des Bundesamts für Migration und Flüchlinge auch Sprachanalysesoftware eingesetzt. Die Software soll anhand einer Analyse des Dialekts Rückschlüsse auf das Herkunftsland ermöglichen. Obwohl die Fehlerquote der Software bei 20 Prozent liegt, wird dem scheinbar „objektiven“ Verfahren blind vertraut – wir kommentierten.

Gerichtsurteile gegen Reality Winner und für Zwiebelfreunde e.V.

Die US-Whistleblowerin Reality Winner, die geheime Informationen über Hackerangriffe auf Wahlsoftware während des US-Wahlkampfs 2016  weitergab, wurde zu fünf Jahren Gefängnishaft verurteilt. Dies ist die wohl bisher höchste Strafe eines zivilen US-Gerichtes für die Weitergabe geheimer Dokumente an Journalisten.

Ein weiterer Gerichtsentscheid betraf den netzpolitischen Verein Zwiebelfreunde. Die Behörden durchsuchten Ende Juni das Vereinslokal sowie die Wohnungen von Mitgliedern und beschlagnahmten Unterlagen und Geräte. Die Aktion sorgte weit über netzaktivistische Kreise hinaus für Aufsehen, denn die Begründung der Behörden dafür schien an den Haaren herbeigezogen. Das Landgericht München hat nun den Durchsuchungsbeschluss für rechtswidrig erklärt und die Herausgabe der beschlagnahmten Sachen angeordnet.

Expertenbericht warnt vor autonomen Waffensystemen

Human Rights Watch und das Menschenrechtszentrum der Universität Havard kommen in einem Bericht zu dem Schluss, dass autonomes Kriegsgerät die Normen internationaler Verträge verletze. Der Bericht fordert das völlige Verbot der Entwicklung und des Einsatzes von Killer-Robotern. Laut einer Waffenexpertin von Human Rights Watch brauche es nun eine explizite Verzichtserklärung aller Staaten, um die breite Verwendung solcher Waffensysteme zu verhindern. Auf der UN-Ebene sprechen sich bisher 26 Staaten für ein Verbot von Killer-Robotern aus. Dennoch arbeiten zahlreiche Staaten weiter an der Einwicklung von vollautomatischem Kriegsgerät.

Twitter sperrt Satirekonto, warum ist unbekannt

Auf Twitter waren wieder die Sperrteufel am Werk: Der Kurznachrichtendienst nahm ein Satire-Konto (@lkasachsen), das das Landeskriminalamts Sachsen parodiert, am Donnerstag für mehrere Stunden vom Netz. Wieder einmal blieb für die Öffentlichkeit unklar, warum diese Sperrung erfolgte.

Wissenswertes

In unserem Netzpolitik.org Podcast 149 sprachen wir mit dem Anthropologen und Dokumentarfilmer Adam Fish über die Potenziale und Möglichkeiten, die der Einsatz von zivilen Drohnen bietet. Dabei berichtet Adam Fish von Drohnenprojekten auf verschiedenen Kontinenten. Fish wirft die Frage auf: Wem gehört eigentlich der Himmel, in dem die Drohnen fliegen?

Radfahrerinnen und Radfahrer müssen in Berlin allzu oft ohne Radwege auskommen, deshalb sind sie oftmals waghalsigen Überholmanövern von Autos ausgesetzt. Ein Projekt des Tagesspiegel soll mit handfesten Zahlen deutlich machen, wie gefährlich das Radeln in Berlin wirklich ist. Aufgrund dessen sucht die Zeitung 100 Tester für ihren Radmesser, der dem Projekt neue Daten über den tatsächlichen Abstand von Autofahrern bei Überholmanövern liefern soll.

Außerdem kann man diesen Sonntag in verschiedenen deutschen und europäischen Städten gegen drohende Uploadfilter und für netzfreundliche Urheberrechtsreformen demonstrieren. Anfang Juli gab es für die umstrittene Urheberrechtsreform überraschenderweise keine Mehrheit im Europäischen Parlament, doch am 12. September wird es erneut eine Abstimmung geben. Wie die Abstimmung dann ausfallen wird, ist noch unklar, denn einige Parlamentarier haben noch Diskussionsbedarf und haben sich noch nicht auf eine Position festgelegt.

Informieren, verteidigen, angreifen. Unter diesem Motto findet die Konferenz „Das ist Netzpolitik“ am 21. September in der Volksbühne in Berlin statt. Die Liste der Sprecher*innen ist bereits online und wird ständig erweitert, das vielseitige Programm mit Vorträgen, Diskussionen und interaktiven Workshops wird in den nächsten Tagen veröffentlicht. Sichert euch jetzt ein Ticket!

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