Netzpolitischer Wochenrückblick KW 46: Verbraucherfreundliche Netzsperren

Das EU-Parlament hat für Netzsperren zur Durchsetzung von Verbraucherinteressen gestimmt. Auf UN-Ebene wird über ein Verbot von autonomen Kampfrobotern diskutiert. Das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz soll durch eine Jamaika-Koalition reformiert werden. Die Themen der Woche im Überblick.

Ein kritisches Flusspferd CC-BY-NC-ND 2.0 Maureen Barlin

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EU will Verbraucherschutz stärken und führt Netzsperren ein

Das EU-Parlament hat ein umfangreiches Maßnahmenpaket verabschiedet, um europäische Verbraucher besser zu schützen. Allerdings wurden auf den letzten Metern das umstrittene Zensurinstrument der Netzsperren hineinverhandelt.

Der Datenschützer Maximilian Schrems will mit einer Sammelklage gegen Facebook Verbraucherrechte stärken. Nun hat der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs bestritten, dass Sammelklagen zulässig seien. Das Urteil steht noch aus.

Im Fall des mysteriösen Followerschwunds beim Facebook-Profil des Türkei-Kritikers Kerem Schamberger bleibt weiterhin vieles unklar. Er kann seine Daten bis jetzt nicht herunterladen. Unsere Crowd-Recherche zeigt, dass es bei anderen Nutzern im Schnitt 14 Minuten dauert, bis die Daten zur Verfügung stehen. Facebook erklärt den Skandal um mysteriösen Followerschwund für beendet. Der wesentliche Teil der verlorenen Accounts sei wegen „Verstößen gegen die Geschäftsbedingungen“ deaktiviert worden. Eine Entfreundung von Profilen habe es nicht gegeben. Doch es gibt neue Fragen. Wurden die Profile in Folge einer intransparenten Terror-Bekämpfungsstrategie gelöscht?

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), auch unter Hate-Speech-Gesetz bekannt, soll laut den schwarz-gelb-grünen Sondierungsgesprächen grundlegend überarbeitet werden. Das Problem der eingeschränkten Meinungsfreiheit könnte enstschärft werden. Abschaffen will es aber wohl niemand der vier Parteien.

Wissenschaftler befragen nun Kunden von Internetanbietern, nachdem laut Bundesnetzagentur nur jeder achte Nutzer auch die versprochene Bandbreite erhält.

Weltweite Internetfreiheit wird weiter eingeschränkt

Aus dem aktuellen Net Report geht hervor, dass Desinformation und Manipulation weltweit im Internet zunehmen, während die mobile Internetnutzung eingeschränkt wird.

Der Wissenschaftsverlag Springer Nature übte Selbstzensur und sperrte Fachartikel, die sich kritisch mit China oder Themen wie dem Tiananmen-Massaker auseinandersetzen.

EU will Verkauf von Spähsoftware regulieren

In einem Gastbeitrag schreibt Daniel Moßbrucker über Spähsoftware, die europäische Firmen auch an Regime verkaufen, die damit Oppositionelle überwachen. Ein Vorstoß der EU-Kommission zur stärkeren Kontrolle des Handels soll demnächst verhandelt werden, doch Industrieverbände und Mitgliedsstaaten wie Deutschland wehren sich dagegen.

Ein weiteres Verhandlungsthema auf internationaler Ebene sind autonome Kampfroboter. Eine UN-Expertenkommission berät über ein Verbot, für eine effektive Umsetzung müssen völkerrechtliche Regeln gefunden werden. Die großen Wirtschaftsmächte treiben die Entwicklung von Tötungsrobotern und robotischen Waffen voran. Die zukünftige Verbreitung dieser Waffen wird auch von den Ergebnissen der Kommission abhängen.

In Kassel soll die Videoüberwachung der Innenstadt ausgebaut werden, ohne dass es dafür gute Gründe gibt, so ist die Kriminalität dort auf einem langjährigen Tiefstand.

Algorithmen als Manipulationswerkzeug

In einem Vortrag, den wir jetzt auf Deutsch aufbereitet haben, erklärt die Techno-Soziologin Zeynep Tufekci, wie eine digitale Überwachungsstruktur mit riesigem Missbrauchspotential entsteht, die ursprünglich nur effektiver Werbung dienen sollte. Sie nennt Beispiele für Manipulation und spricht Dinge an, die sich dringend ändern müssen.

Mit einer Ethik der Algorithmen beschäftigt sich auch Konrad Lischka, mit dem wir auf unserer letzten „Das ist Netzpolitik“-Konferenz ein Interview geführt haben.

Passend dazu haben wir eine Kurzgeschichte von Tom Bell bei uns veröffentlicht.

Audiorückblick über Snowden-Enthüllungen

Das jetzt fertiggestellte Projekt Now You Know über die Snowden-Enthüllungen sei jedem empfohlen, der noch einmal in die Thematik einstiegen möchte. Für den etwa fünfstündigen Audiorückblick haben mehr als 40 Freiwillige Zeitungsartikel eingesprochen. Die Audioclips stehen kostenlos in verschiedenen Formaten unter nowyouknow.eu zur Verfügung.

Nachzuhören ist auch die von Deutschlandfunk und Bundeszentrale für Politische Bildung und Bundespressekonferenz ausgerichtete Konferenz „Formate des Politischen“. Sie untersuchte die Vetrauenskrise zwischen Medien, Politik und Bürgern und beriet über Alternativen.

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2 Ergänzungen

  1. Dieses Mal sind es nicht die Sozialdemokraten. Nur die Sondierer sind heute dazu fähig.

    Ein Beispiel des Verrats am heutigen Sonntag:

    Die Grünen wollen unbedingt mitregieren, also verkaufen sie ihre „heiligen“ Positionen. Teuer, versteht sich. Die Grünen bekennen sich nun zur Obergrenze. Überraschung?

    Da darf man doch gleich fragen, wie ist es bestellt, mit den anderen Positionen. Etwa mit der geforderten Abschaffung Vorratsdatenspeicherung, um ein Thema zu nennen, was Leser hier bewegt.

    Oder wofür wird die FDP die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung opfern, verkaufen, eintauschen, verschachern? Die jungen Wilden der FDP haben größeres vor. Bürgerrechte dienen da nur noch als wertvolle Verhandlungsmasse, als ein Erbstück der aufrechten FDP-Rentner.

    Sollen doch die Sondierungen scheitern. Es wäre ein Gewinn für die Demokratie in unserem Land. Der Verrat hätte ein Ende, wenn in einer Minderheitsregierung jedes Sachthema seine eigene Mehrheit finden würde.

    Der Bundestag könnte ein bisschen mehr Demokratie wagen. Neuwahlen sind keine Lösung. Die Wähler haben ihren Auftrag am Wahltag gegeben. Nun kann man nicht hergehen und solange weiter wählen bis einem das Ergebnis in den Kram passt. Wenn die Politiker Neuwahlen ernsthaft erwägen sollten, dann sollen sie sich doch ein anderes Wahlvolk suchen!

    1. Doch, Neuwahlen sind eine Lösung. Zumindest für die paar Wochen während der Wahl eine Arbeit zu haben, bedeutet manchen Menschen sehr viel. Und für manche sind die 50 Euro Erfrischungsgeld am Wahltag genau das Geld, das einen kleinen Lichtblick im tristen Alltag bietet. 100 Millionen soll die Neuwahl kosten, heißt es. Ich glaube, das können wir uns leisten. Und wenn es sein muß, auch ein zweites oder drittes Mal. Dann reicht es vielleicht sogar für ein paar warme Winterschuhe im nächsten Jahr. Oder hat jemand eine bessere Idee?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.