EU-Terrorismusrichtlinie: Geleaktes Ratsdokument sieht Netzsperren und Staatstrojaner vor

Die Europäische Union plant weiterhin, Netzsperren zur Terrorismusbekämpfung einzusetzen. Das zeigt ein geleakter Entwurf der EU-Terrorismus-Richtlinie. Auch ein Staatstrojaner soll EU-weit zum Einsatz kommen.

Der Staatstrojaner könnte bald europaweit Einzug halten.
Der Staatstrojaner könnte bald europaweit Einzug halten. – CC BY-NC-ND 2.0 via flickr/hsing

Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) könnten in Zukunft leichter Internetseiten zensieren. Das geht aus einem geleakten Entwurf der EU-Terrorismus-Richtlinie hervor. Auch der Einsatz von Staatstrojanern auf EU-Ebene ist geplant.

Die EU-Terrorismus-Richtlinie entstand letztes Jahr als Reaktion auf die Anschläge in Paris. Die EU-Kommission brachte die Richtlinie im Schnellverfahren auf den Weg und hat dabei auf sonst übliche Notwendigkeiten wie eine Folgenabschätzung verzichtet. Eine solche Folgenabschätzung gleicht den Gesetzesentwurf mit empirischen Befunden ab und zeigt mögliche Alternativwege auf. Dies ist üblicherweise für alle Gesetzesvorschläge notwendig.

Netzsperren sind leichter durchzusetzen

Der geleakte Entwurf sieht vor, dass Inhalte, die öffentlich zu einer terroristischen Straftat aufrufen, von den Mitgliedsstaaten zu löschen sind. Können diese Inhalte nicht gelöscht werden, steht es den Mitgliedsstaaten frei, den Zugang zu den Inhalten zu blockieren. In einer früheren von der CSU-Abgeordneten Hohlmaier vorgeschlagenen Fassung war noch von verpflichtenden Netzsperren die Rede. Dieser Vorschlag musste jedoch nach heftigen Protesten der Zivilgesellschaft zurückgezogen werden.

1. Mitgliedsstaaten sollten die erforderlichen Möglichkeiten ergreifen, um die umgehende Löschung von auf ihrem Territorium gehosteten Online-Inhalten zu gewährleisten, die öffentlich zu einer terroristischen Straftat aufrufen, gemäß Artikel 5. Sie sollten sich ebenfalls bemühen, die Löschung solcher Inhalte zu erzielen, die außerhalb ihres Territoriums gehostet sind.

2. Wenn die Löschung solcher Inhalte an ihrer Quelle nicht umsetzbar ist, dürfen Mitgliedsstaaten Maßnahmen ergreifen, um den Zugang zu dem Inhalt zu blockieren.

Zudem setzt der Entwurf auf eine weiterhin freiwillige, privatisierte Rechtsdurchsetzung.

In diesem Zusammenhang ist die Richtlinie ohne Verbindlichkeit für freiwillige Aktionen, die von Internetunternehmen unternommen werden, um den Missbrauch ihrer Dienste zu verhindern, oder die Unterstützung für solche Aktionen durch Mitgliedsstaaten, wie das Erkennen und Markieren von terroristischen Inhalten.

EU-weiter Einsatz von Staatstrojanern

Um terroristische Aktivitäten aufzuklären, sollen EU-Staaten „effektive“ Methoden einsetzen. Dazu zählen unter anderem Telekommunikations- und Videoüberwachung. Die drastischste Maßnahme ist allerdings der europaweite Einsatz von Staatstrojanern.

(15a) Wo angebracht, sollten solche Werkzeuge […] beinhalten, zum Beispiel, die Suche nach jedem persönlichen Besitz, die Überwachung von Kommunikation, verdeckte Überwachung einschließlich der elektronischen Überwachung, die Aufnahme und Bearbeitung von Audio-Aufnahmen in privaten und öffentlichen Fahrzeugen und Plätzen und von visuellen Bildern von Personen in öffentlichen Verkehrsmitteln und Plätzen und finanzielle Untersuchungen.

Richtlinie bedroht Internetfreiheit

Der vom EU-Ministerrat ausgearbeitete Entwurf bestätigt die Kritik an der Richtlinie.

Die Beschreibung, welche Websites zensiert werden dürfen, bleibt vage. Es ist lediglich von „terrorist content“, also terroristischem Inhalt, die Rede. Solche Gummiparagrafen könnten schnell zur Blockierung von unliebsamen Websites führen, etwa von zivilgesellschaftlichen Protesten wie „Occupy“. Auch für den Einsatz von Staatstrojanern gibt es bloß vage Beschreibungen.

Kirsten Fiedler, Geschäftsführerin bei „European Digital Rights“, hielt auf der diesjährigen „Das ist Netzpolitik!“-Konferenz einen Talk zu der geplanten Richtlinie. Sie resümiert, dass die geplante Terrorismus-Richtlinie einen Angriff auf den Rechtsstaat, das Internet, die Privatsphäre und die sichere und verantwortungsbewusste Digitalisierung darstellt.

20 Ergänzungen

  1. Sie raffen’s einfach nicht! Sie kapieren nicht, wollen oder können nicht begreifen oder ist es vielleicht Absicht, dass solche Gesetze möglichen künftigen Regierungen alles(!!) gegen die eigene Bevölkerung erlauben werden. Sie können es nicht lassen… Was sagte Victoria Nuland über die EU doch mal in einem anderen Zusammenhang?

  2. sie raffen es leider sehr genau! Sie verbarrikadieren sich! Denn sie wissen, dass, wenn sie weiterhin nur Lobbykratie und Selbstbereicherung betreiben, werden ‚wir‘ ihnen irgendwann auf’s Dach steigen. Ein ‚Europäischer Frühling‘ muss mit allen Mitteln ver´hindert werden. Keine Leaks mehr wegen erschlichener Doktortitel, Korruption vor, während und nach der Mandats- oder Amtszeit und vor Allem keine Verabredung über das Netz zum Aufstand. Und falls dass doch passiert – dann darf die Bundeswehr auf uns schießen … aber nein, idealerweise kommt dann die franz. Eingreiftruppe nach Berlin … damit kein Deutscher auf einen Deutschen schießen muss. Er käme ja noch auf die Idee, diesen Dienst an der Waffe zu verweigern. Die Diktatur ruft!

    1. Zur NSA-Selektorenliste, veröffentlichte ich auf meinem Konto beim Twitter ähnliche Nachricht. Dafür gab es für mein Konto eine automatische Sperre. Jetzt verlangt Twitter die Überprüfung meiner Telefonnummer. Das heißt, die Dienste wollen es wissen?
      Von der anderen Seite, eine Sperre auf Twitter ist ja gut zum Nachzählen der Roboter, die man unbewusst folgte. Nach der Sperre blieb auf meinem Konto nur 1279 Beobachtern, mehr als 70 Roboter verabschiedeten sich automatisch von meinem Konto.
      Ich twittere kaum auf Deutsch, aber seit 2 Jahren auf Polnisch, English und Japanisch.
      Darum habe ich im Verdacht 2 meine letzten Tweets auf Deutsch.
      https://twitter.com/aktwolinarodu/status/798490476815020032
      „Ich vermute, die Schummelsoftware bei #Dieselgate wurde dank der #Selektorenliste und der Spionage der BND f. NSA gegen Deutschland entdeckt.“
      und
      https://twitter.com/aktwolinarodu/status/798476424776552448
      #NSA-Selektorenliste Das BVG: Die Belange von Deutschland weniger wichtig, als die Spionage-Aufträge der USA gegen Deutsche! #Überwachung
      Schöne Grüße aus dem Zombieland

      1. Man man man, in US-geführten sozialen Netzen würde ich solche Informationen niemals niederschreiben. Benutz Tor und macht das anderweitig, sonst hast Du die ganz schnell am A.

        Das da drüben ist Skynet, dort musst Du immer brav sein, niemals vergessen zu deiner eigenen Sicherheit. Deine Meinung ist da zudem unerwünscht, niemand lässt sich seinen Palanthir wegnehmen, wenn er erstmal die Vorteile begriffen hat.

  3. gut gemacht, der bürger nun selbst ruft nach dem starken staate!

    orwell läßt grüßen.

    auch die jetzt bald auf bundesstraßen etablierten mautstellen, (toll collect) sind wohl schon das größte überwachungsinstrument, für personen und fahrzeuge.

    auf in den überwachungsstaat.

  4. Rein technisch, wie wollen die das Netz sperren? Da gebe ich dem Tor-Browser vor, Russe, Chenese und Inder zu sein und schon ist die Sperre ausgehebelt. Die können die Netze höchstens ganz abschalten. Das ist heutzutage nicht mehr so einfach, weil Karl Pappnase dann keinen Fernsehempfang hätte. Das wäre genauso schlimm, wie ein Bierverbot. Damit kriegt man die Leute garantiert auf die Straße. Die FE-Netz-Pferdchen wurden bisher noch nicht gesichtet. Das wird wieder ein Gaudi für Leute, die was von reverse engeneering verstehen. Solche Ansinnen zeigen nur, wie dämlich die Typen sind, die sowas verabschieden wollen.

    1. Geht leider schon. Man könnte einfach komplett alles sperren bis auf http Traffic. Diesen filtert man dann. Michel hat noch sein TV und Spiegel und beschwert sich nicht! Wenn dann 1% der technisch versierten Leute das umgehen ist es auch egal.
      Schau einfach mal nach China außerhalb der Wirtschaftszonen. Dort kannst du kein VPN und kein Tor benutzen. Aller Traffic wird gefiltert und viele Seiten außerhalb Chinas sind einfach geblockt.

  5. Die EU-Kommission im Schnellverfahren. Nicht der Terrorismus ist die grösste Bedrohung für den Rechtsstaat und die Menschenrechte, sondern dieses demokratiefeindliche Gremium im Herzen der EU.

  6. Man, was für Dilletanten. Tor und VPNs bitte verbieten, ebenso alternative DNS-Server. IM NAMEN DER FREIHEIT! WIR SIND DIE GUTEN!

  7. „Die EU-Kommission…hat…auf sonst übliche Notwendigkeiten…verzichtet…Dies ist üblicherweise für alle Gesetzesvorschläge notwendig.“
    :-))

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.