#netzrückblick: Unser Wunschzettel für 2016

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Weil es dieses Jahr netzpolitisch nicht ganz so rosig aussah, haben wir darüber nachgedacht, was wir uns für das nächste Jahr in netzpolitischer Sicht wünschen würden. Wir wissen, das ist nicht alles realistisch. Aber es ist ja Weihnachten und da wird man ja noch wünschen dürfen.

Statt eines Jahresrückblicks in Buchform gibt es dieses Jahr jeden Tag im Dezember einen Artikel als Rückblick auf die netzpolitischen Ereignisse des Jahres. Das ist der 24. Beitrag in dieser Reihe. netzpolitik.org finanziert sich über Spenden. Wenn euch unsere Berichterstattung in diesem Jahr gefallen hat, freuen wir uns über ein kleines Weihnachtsgeschenk für unseren Blog.

  1. Ausbau von Überwachung stoppen – Wenn die reflexartigen Forderungen nach Überwachung endlich aufhören würden, könnten wir uns endlich einmal mit etwas anderem beschäftigen, als gegen neugeforderte und -eingeführte Überwachungsmaßnahmen anzukämpfen. Wir wünschen uns, dass die politischen Phrasen aufhören, die versuchen, weitreichende Überwachungsmaßnahmen mit dem Anti-Terror-Kampf zu legitimieren und dadurch dpch nicht zu mehr Sicherheit führen.
  2. Echte, wirksame Regeln zur IT-Sicherheit – Das IT-Sicherheitssimulationsgesetz hat im Juli den Bundesrat passiert. Mehr IT-Sicherheit wird uns dabei kaum erwarten, das Gesetz ist voller schwammiger „Definitionen“, gilt nur für den kleinen Bereich der „Kritischen Infrastruktur“ und lässt wirksame Durchsetzungs- und Kontrollmechanismen vermissen. Auf EU-Ebene ist eine eigene Richtlinie verabschiedet worden, die schon etwas besser ist, enthält aber immer noch Lücken und gilt nicht für kleine und mittelständische Unternehmen.
    Wenn Deutschland zum „Verschlüsselungsstandort Nr. 1“ werden soll, ist es noch ein langer Weg. Es ist an der Zeit, Verschlüsselungs- und Sicherheitssoftware zu fördern und die sinnlosen Forderungen nach Hintertüren für Strafverfolger zur Entschlüsselung vertraulicher Kommunikation fallen zu lassen.
  3. Vorratsdatenspeicherung wieder abschaffen – Am 18. Dezember ist das „Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“ in Kraft getreten, nachdem der Bundestag es am 16. Oktober verabschiedet hat. Damit hätten wir Anfang des Jahres noch nicht gerechnet, aber Justizminister Heiko Maas hat sich in Rekordzeit vom Vorratsdatenspeicherungsgegner zur treibenden Kraft in der Wiedereinführung der anlasslosen, massenhaften Speicherung unserer Kommunikationsdaten verwandelt.
    2010 und 2014 gab es höchstrichterliche Urteile, die die deutsche Umsetzung bzw. die europäische Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für unrechtmäßig erklärt haben. Wir sind optimistisch, dass dies wieder gelingen kann und blicken hoffnungsvoll auf Verfassungsbeschwerden gegen die neue deutsche Gesetzesregelung – auch wenn die Mühlen der Verfassungsgerichte sicherlich mehr als ein Jahr brauchen werden, um zu einem Urteil zu gelangen.
  4. Netzneutralität retten – Die Abstimmung der EU-Verordnung in den EU-Institutionen zur Netzneutralität war eine Katastrophe. Statt gesetzlich festgelegter Regeln, die ein diskriminierungsfreies Internet sichern, sind Tür und Tor für ein Zwei-Klassen-Netz, Spezialdienste und die weitere Kommerzialisierung des Internets geöffnet.
    Doch es ist nicht die Zeit, den Kopf in den Sand zu stecken. Es kommt nun auf die inhaltliche Ausgestaltung der Verordnung an und die liegt derzeit in der Hand von BEREC, der EU-Behörde für Regulierungsfragen im Telekommunikationssektor. Daher braucht es weiter und mehr als zuvor öffentliche Aufmerksamkeit und starke Forderungen aus der Zivilgesellschaft, um die Netzneutralität (zurück) zu retten.
  5. Gesetzlicher Schutz von Whistleblowern – Die Ermittlungen gegen Markus und Andre wegen Landesverrats wurden eingestellt, die Ermittlungen gegen die Quelle(n) laufen weiter. Wir brauchen einen gesetzlichen Schutz von Whistleblowern und keine weitere Erschwerung für die, die verantwortungsvoll Missstände an die Öffentlichkeit bringen wollen.
  6. Mehr Aufklärung im NSA-Untersuchungsausschuss – Je weiter der NSA-Untersuchungsausschuss voranschreitet, desto klarer wird, wie sehr unsere deutschen Geheimdienste im Sumpf rechtswidriger Massenüberwachung mit NSA und Co. stecken. Die größten Enthüllungen betrafen die Selektoren, mit denen der BND für die NSA und sich selbst auch europäische Regierungen und „befreundete“ Ziele ausspionierte.
    Bundeskanzleramt und BND versuchen ihrerseits, Aufklärung bestmöglich zu verhindern, doch es wird kaum gelingen, alles unter den Teppich zu kehren. Stück für Stück werden neue Erkenntnisse zu Tage fördern, wie Geheimdienste außer Kontrolle geraten sind. Es bleibt zu hoffen, dass aus den Erkenntnissen des Ausschusses mehr als eine bedeutungslose Geheimdienstreform folgt, die Rechtsauslegungen wie die Weltraumtheorie legalisiert.
  7. Kein neues (Un-)Safe Harbor – Einer der größten Erfolge in diesem Jahr war das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Ungültigkeit der Safe-Harbor-Entscheidung. Damit entfällt die pauschale Rechtsgrundlage für Datenübermittlungen in die USA. Dinge müssen neu geregelt werden und wir müssen darauf achten, dass die EU-Kommission nicht einfach ein neues Safe Harbor etabliert, sondern für den Datentransfer in die USA die gleichen Regeln gelten müssen wie für den Rest der Welt.
  8. Zeitgemäße Regelungen zum Urheberrecht – Was wir brauchen ist ein modernes Urheberrecht. Mit einem Recht auf Remix und Möglichkeiten, kreativ mit vorhandenen Werken umzugehen und weniger Beeinflussung durch große Lobby-Verbände. Und wir müssen endlich das gescheiterte Gesetz zum Leistungsschutzrecht in Deutschland loswerden.
  9. Mehr offene Daten, mehr Informationsfreiheit – Deutschland ist Open-Data-Entwicklungsland, es sind kaum Daten von Behörden und anderen öffentlichen Stellen offen verfügbar. Bei Informationsfreiheitsanfragen stoßen wir immer wieder auf Widerstand, Anfragen werden abgelehnt oder mit nichtssagenden Antworten abgespeist. Wir wünschen uns mehr Eigeninitiative von öffentlichen Stellen beim Verfügbarmachen von offenen Daten und mehr Antworten auf Informationsfreiheitsanfragen.
    Ihr könnt mitmachen und eure Informationsfreiheitsrechte gebrauchen. Stellt Anfragen auf fragdenstaat.de oder involviert euch in Projekte mit Offenen Daten. Die Open Knowledge Foundation ist ein guter Anlaufspunkt dafür.
  10. Unsere Arbeit fortsetzen – Wir haben dieses Jahr zwar viele netzpolitische Rückschläge erlitten, aber vor allem durch die Landesverratsaffäre haben wir Leser dazugewonnen, durch die wir noch mehr Menschen erreichen. Also: Wir werden weitermachen, Dokumente veröffentlichen, über wichtige netzpolitische Zusammenhänge schreiben, auch wenn sie nicht gerade viele Klicks generieren. Ihr könnt uns dabei unterstützen, sei es durch Spenden, Dokumente oder Weitererzählen.

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Eine Ergänzung

  1. Netzpolitk.org ist als Klärasiel gegen alle Arten von gewissenloser, gewollt schlechter Politik mit teilweise kriminellem Getue in Hinterzimmern unverzichtbar geworden. Da es sich meistens um schleichende Prozesse mit verdeckten zielgerichteten unguten Vorhaben gegen das Volk handelt, sind stete Beobachtung und verbundene Ausdauer gefragt. Ich bewundere das zähe Nerven zehrende Verfolgen durch Euch bei so manchem Endloskaugummi. Damit wird die politische Taktik des Einschläfern und Aussitzen verhindert.
    Weiterhin viel Erfolg.
    mfg R.K.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.