Datenhehlerei? Justizminister Heiko Maas will ein Anti-Whistleblower-Gesetz durch den Bundestag schmuggeln

Ulf Buermeyer kommentiert in der Süddeutschen Zeitung den in der geplanten Vorratsdatenspeicherung versteckten Paragraphen, der „Datenhehlerei“ kriminalisiert und massive Auswirkungen auf die Pressefreiheit haben könnte:

Womöglich zielt das Gesetz auf etwas ganz anderes ab. Tatsächlich handelt es sich um den eindeutigen Versuch, den Umgang mit Daten, wie sogenannte Whistleblower ihn pflegen, möglichst weitgehend zu kriminalisieren. Denn welches Verhalten wird künftig klar unter Strafe gestellt? Zum Beispiel, dass ein Journalist Daten, die er auf vertraulichem Weg von einem Whistleblower erhalten hat, vertraulich an Experten zur Prüfung oder an einen Zeitungsredakteur zur Einschätzung übergibt. Es reicht aus, dass Experte und Redakteur sich die Daten, zum Beispiel eine Word- oder PDF-Datei, auf einen USB-Stick überspielen – schon haben sie sich künftig strafbar gemacht.

Für unsere journalistische Arbeit könnte das zu einem Damoklesschwert werden, da wir bei investigativen Recherchen oft kollaborativ mit Experten zusammen arbeiten, die keine berufsmäßigen Journalisten sind. Vielen anderen Journalisten dürfte das ähnlich gehen.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

25 Ergänzungen

  1. @ Markus Beckedahl:

    Lösung des Problems?

    Alle Experten, die für Euch arbeiten, aber keine berufsmäßigen Journalisten sind, erklärt Ihr einfach als Vereinsmitglieder von netzpolitik.org e.V. Das sind dann quasi Redaktionsmitarbeiter und nicht irgendwelche Externen.

    Was sagt das Bauchgefühl?

    1. Dann wären Name und Anschrift bekannt & die Quellen nicht mehr anonym. Liefe also dem Sinn des Quellenschutzes eher zuwider.

  2. Weder Journalisten noch ggf. hinzugezogene Experten machen ihre Arbeit um sich „zu bereichern oder einen anderen zu schädigen“. Deswegen dürfte die Regelung in der hier unterstellten Konstellation gar nicht anwendbar sein. Man agiert hart an der Grenze, aber irgendwo muss eine Grenze existieren. Niemand verbietet Berichte, doch auch für eine Story über bspw. Waffengeschäfte darf man nicht beliebig mit den gefundenen Waffen agieren, Drogen usw.

    1. Natürlich können zugezogene Experten handeln, um sich zu bereichern – jedenfalls sobald sie ihr Geld damit verdienen. Das dürfte z.B. auf alle Anwälte und IT-Experten zutreffen, die JournalistInnen unterstützen.

      1. Wenn der primäre Wille die Öffentlichkeit zu informieren nicht ausreicht um die Bereicherung aufzulösen, weil die Veröffentlichung über einige Ecken auch Geld einbringt, sollten Gehilfen über den Verweis auf § 53 Abs. 1 Nr. 5 außen vor sein. Dort heißt es jedenfalls „Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung … berufsmäßig mitwirken“, also nicht nur der Autor, sondern auch ein hinzugezogener IT-Experte.

  3. Angesichts der hohen Anforderungen an die technische Ausstattung und die notwendige Fachkunde der Ermittlungsbehörden in den zu erwartenden Ermittlungs- und Strafverfahren, dürfte das zu einer erheblichen Mehrbelastung der die Durchführung von Strafverfahren primär zuständigen Strafverfolgungsbehörden führen. Angesichts knapper Ressourcen und Finanzmittel muss mit einer nennenswerten Quote von Verfahrenseinstellungen gerechnet werden. Es dürfte ein noch nicht abschätzbares Risiko für Hoster und Provider bestehen, da auch diese wegen etwaiger Beteiligung am herangezogen werden könnten.
    Es fehlen weiterhin Expertisen, inwieweit der Tatbestand bei nachlässiger/fehlender Sicherung der Daten oder verlorengegangener Schlüssel anwendbar ist.
    Der „Datenhehlerei“ nach vorliegender Definition wäre prinzipiell auch bei „Steuer-CDs“ oder anderen staatlichen Eingriffen in die Privatsphäre (z.B. G10-Verfahren oder Staatstrojaner) von Bürgern gegeben. Es dürfte schwer vermittelbar sein, dass dem Staat Handlungen dieser Art erlaubt sein sollen.
    Die Werbewirtschaft im Internet betreibt Ausspähung und Abfangen von Daten in großem Umfang, sie stellen Angriffe gegen die Integrität, Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme und Daten dar, die mit Bereicherungsabsicht auf gewerbsmäßiger Ebene betrieben wird. Auf darauf basierenden Geschäftsmodellen dürften schwer abschätzbare Risiken zukommen.

  4. Mich interessiert, weshalb der Straftatbestand der Datenhehlerei keine Firmen betrifft, die halblegal (unter Ausnutzung von Gutgläubigkeit) bis illegal Daten von Privatpersonen erheben, um sich selbst zu bereichern – wie Medusa schon andeutete. Oder betrifft es sie doch?

    Und ein weiterer Gedankengang; das Grundgesetz sieht vor, dass gegen unrechtmäßige Entwicklungen innerhalb des Staates Maßnahmen zur Aufklärung oder Korrektur möglich sein sollen, wenn ich mich richtig erinnere. Lässt sich aus der Kriminalisierung von Whistleblowern nicht ein Grundgesetzverstoß herleiten?

      1. So sieht das aus:

        ***
        (3) Absatz 1 gilt nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmä-
        ßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen. Dazu gehören insbesondere sol-
        che Handlungen von Amtsträgern oder deren Beauftragten, mit denen Daten aus-
        schließlich der Verwertung in einem Besteuerungsverfahren, einem Strafverfahren
        oder einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zugeführt werden sollen.“
        ***

  5. Besorgniserregend, welche Richtung das Ganze nach Juni 2013 inzwischen einschlägt. Auch die Geheimdienste und die Mächte hinter der Politik haben aus den Affären gelernt und sind ganz offensichtlich dabei, das Gelernte konsequent umzusetzen. Unsere Proteste dürfen nicht aufhören und unsere Stimme muss noch lauter werden!

    1. „Auch die Geheimdienste und die Mächte hinter der Politik haben aus den Affären gelernt und sind ganz offensichtlich dabei, das Gelernte konsequent umzusetzen.“

      Dafür sind die Untersuchungsausschüsse ja da!
      Da kann man gucken wie man die Gesetze hindengeln muss, damit das beklagte Gehampel gerade noch legal ist.

  6. Eine Einschätzung, ob es sich politisch über den Bundesrat oder per Klage vorm Verfassungsgericht verhindern lässt, wäre jetzt hilfreich.

    1. Nach offizieller Einschätzung der Bundesregierung ist das VDS-Gesetz nicht bundesratspflichtig, Verfassungsbeschwerde wird folgen.

    2. Heiko Maas ist der Umfaller des Jahres bezüglich der VDS. Jetzt strickt er auch noch Anti-Neutralitätsmuster ins Gesetz. Was soll man von der Verräterpartei noch erwarten, die ihre Relevanz nur noch dadurch sichern kann, indem sie sich in Lobbyistenhörigkeit übt?
      Das wird erst dann ein Ende haben, wenn die SPD dem Pfad der FDP gefolgt ist.

      Juristen trifft man vor Gericht ins Schienbein.

  7. Heiko!
    Schon realisiert?
    WIR sind inzwischen auch informiert!
    Was vor 20 Jahren noch lief, geht heute NICHT mehr!

    Übrigens:
    Ihr Typen werdet von UNS bezahlt!

    1. > Was vor 20 Jahren noch lief, geht heute NICHT mehr!
      Meine Wahrnehmung ist eine andere. Was sich vor 20 Jahren niemand traute, wird heute mit Achselzucken schamfrei durchgezogen.

  8. Ja, dass ist dann wohl das Ende der Steuer-CD’s. Und wenn ich meine Krankenkasse oder Bank dabei erwische meine Daten an Dritte weiterzugeben, erfolgt eine Anzeige. Dito für das Einwohnermeldeamt.
    Auch diverse Firmen können sich dann warm anziehen, wenn ich pötzlich SPAM auf eine Mail-Adresse bekomme, die ich nur für den Anmeldungszweck verwendet habe.

    1. Frage an alle. Kann man den BND auch Anzeigen, wenn er Daten an den NSA liefert. Ist doch auch sicher Datenhehlerei.
      Auch bin ich blöd, die stehen ja neben, über oder unter dem Gesetz. Je nachdem wie es gerade passt.

      1. Das geht, wenn man persönlich betroffen ist. Allerdings scheiterten Privatpersonen stets damit, gerichtsfeste Beweise vorzulegen. Schwammige Vermutungen reichen nicht aus. Betroffene Personen des öffentlichen Lebens hingegen haben bislang vermieden, den Gerichtsweg zu beschreiten. Auch wurden so manche Ermittlungsverfahren plötzlich oder aber mangels Aussicht auf Erfolg eingestellt.

  9. Das alles ist imo nur der Rattenschwanz von Rechtsunsicherheiten den wir aufgrund eines effektiven Informantenschutz(Gesetzes) beobachten. Läge der BR das wirklich am Herzen, sollten etwaige Gesetzestexte bereits auf dem Weg sein aber …

    Hat eigentlich schon jemand etwas von der BR zur G36 Lieferung nach Mexiko gehört, etwa Konsequenzen aus dem Wirtschatsministerium etc.

    KBs?

    1. Die deutsche Botschaft in Mexiko war mit Expertise behilflich. Weitere Fragen beantwortet das BAM.

  10. Ganz eindeutig will man den Kreis derer die sich strafbar machen erweitern, damit sich jeder überlegt solche überhaupt Daten anzunehmen.
    Aber ist das nicht auch eine Vorlage für erleichterte Haus- und Arbeitsplatzdurchsuchungen? Schließlich müssen ggf. Beweismittel gesichert und beschlgnahmt werden und wer weiß was man dabei noch so alles findet.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.