Netzpolitischer Wochenrückblick 12/2014

Klick für die Hörversion. Ein weiteres Mal vielen Dank an Tim Thaler von bln.fm für die Aufzeichnung!

Liebe Leute,

diese Woche war mal wieder ein großer Spaß für die Freunde anlassloser Massenüberwachung. So hat Le Monde enthüllt, dass der ehemalige französische Präsident Nicolas Sarkozy mit einer auf einen fremden Namen registrierten SIM-Karte versucht hat, sich gegen die von ihm selbst eingeführte Telekommunikationsüberwachung zu schützen. Anlass für ihn waren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu den genauen Hintergründen seiner Wahlkampffinanzierung. Ein besonders zynischer Fall, hatte sich doch gerade Sarkozy 2011 als leidenschaftlicher Befürworter der Vorratsdatenspeicherung zur Verbrechensbekämpfung hervorgetan.

Und wo wir gerade bei der Vorratsdatenspeicherung sind: In einer 29-seitigen Stellungsnahme nahm der AK Vorrat diese Woche die Stellungsnahme des EuGH-Generalsanwaltes Cruz Villalón auseinander. Sie kritisierten, dass in der Empfehlung von Villalón trotz klarer empirischer Daten keine Absage an die anlasslose Vorratsdatenspeicherung vorkommt. Außerdem hat sich über Recherchen der Washington Post heraus gestellt, dass der NSA seit 2011 im Rahmen des MYSTIC-Progamms flächendeckend alle Telefonate eines Landes für einen Monat speichern kann. Ein weiteres Teil im Puzzle der NSA-Überwachung kam diese Woche dann überraschend vom hauseigenen Anwalt Rajesh De, welcher während einer Anhörung des amerikanischen Privacy and Civil Liberties Oversight Board angab, dass die großen Internetunternehmen nicht nur von den NSA-Überwachungsprogrammen gewusst haben sollen, sondern diese auch vollmundig unterstützt haben. Dass jetzt ebenfalls bekannt wurde, dass Microsoft in den E-Mails von Kunden herumwühlt macht die Lage nicht übersichtlicher.

Auf europäischer Seite hat der Industrieausschuss im EP leider mit 34 zu 22 Stimmen für die Empfehlung der Kommission und damit gegen die Netzneutralität gestimmt. In zwei Wochen wird die Abstimmung im Europäischen Parlament stattfinden. Dies wird erst einmal die letzte Chance sein, für ein offenes europäisches Internet zu streiten. Hintergrundinformationen und Beteiligungsmöglichkeiten findet ihr auf SavetheInternet.eu.

In Deutschland hat der Bundestag einstimmig für einen NSA-Untersuchungsausschuss gestimmt, allerdings liegt die Transparenz der Ausschüsse allgemein weiterhin im Argen. Der Internetausschuss wird weiterhin hinter verschlossenen Türen tagen. Währenddessen schaut das BKA sehr aufmerksam zur katalanischen Polizei, welche die Twitter-Aktivitäten unliebsamer Personen zur Erstellung umfangreicher Dossiers auswertet.

Zum Abschluss ein Ausblick: In der Türkei wurde nun Twitter abgeschaltet. Der Twitter-User @meta_bene fand dazu die richtigen Worte: Wer das Zwitschern verbietet, kann den Frühling damit nicht verhindern. Damit wünschen wir euch ein schönes Wochenende und hoffentlich einen genauso schönen Frühlingsbeginn!

PS: In Köln könnte es, je nachdem wie trollresistent die Verwaltung ist, bald eine Edward-Snowden-Straße direkt vom Verfassungsschutz geben

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Eine Ergänzung

  1. Noch ein paar Schlagzeilen …

    „Deutschland fällt im Breitband-Wettbewerb zurück“

    „Snowden-Enthüllung: Frankreichs Geheimdienst soll Zugriff auf alle Telefonate haben“

    „YouTube ignoriert Erdoğans Zensurwünsche“

    „Snowden-Enthüllung: NSA spionierte Chinas Staatsführung und Konzerne aus“

    „Mein Auto weiß Bescheid“

    „Türken umgehen Erdogans Sperre – und twittern mehr denn je“ [internet]

    Quellenhinweise sind leider dank LSR inzwischen rechtlich problematisch.

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