Wie an dieser Stelle bereits angekündigt, hat der Bundestag heute über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses zum Überwachungsskandal beraten und entschieden. Nachdem es kurz zuvor bei der Debatte um die aufgehobene Immunität von MdBs der Linken, die vor drei Jahren einen Nazi-Aufmarsch in Dresden mit-blockiert hatten, hitzig herging, begrüßten die Redner der Koalitionsparteien ebenso wie die von Linken und Grünen recht einhellig den Wert der Geschlossenheit bei der Einrichtung des Ausschusses.
Auch deutsche Dienste unter die Lupe nehmen
Die Debatte eröffnete Patrick Sensburg, zukünftiger Obmann im Ausschuss für die Unionsfraktionen. Er erklärte, dass man erkennen müsse dass wir am Anfang einer Zeit seien, in der wir realisieren, dass das Internet und die neuen Medien große Chancen bieten, aber kein schrankenloser Raum sein dürften. Interessant, die „Internet-darf-kein-rechtsfreier-Raum-sein“-Rhetorik mal auf staatliche Institutionen gewendet zu hören. Sensburg meinte ausserdem, die verdachtsunabhängige Speicherung durch die Geheimdienste sei nicht hinnehmbar. Das gelte auch, wenn staatliche Institutionen dies in Deutschland machten. Es könne ausserdem nicht die einzige Aufgabe sein, zu schauen, was passiert sei. Vielmehr müsse man auch Schlüsse ziehen, um zu beantworten, wie das Recht auf Privatsphäre wieder garantieren könne. Vorbildwirkung für andere Länder. Letzteres sind erstaunliche Worte von jemandem, der in der Vergangenheit unter anderem durch unsägliche Kommentare zur Vorratsdatenspeicherung aufgefallen ist.
Martina Renner von der Linken meinte, dass es sich um eine einmalige Chance zur Aufarbeitung handle. Man dürfe sich nicht von den Beteuerungen beruhigen lassen, dass nur Metadaten und keine Inhalte gespeichert würden, dafür seien erstere auch zu aussagekräftig. Man müsse auch Verfassungsschutz, BND und den Militärischen Abschirmdienst (MAD) unter die Lupe nehmen. Die „Geheimdienstphilosophie“, der zufolge mehr Überwachung immer besser sei, müsse nicht nur untersucht, sondern auch beendet werden. Renner kündigte an, auch Aussenminister Frank-Walter Steinmeier befragen zu wollen, der Kenntnisse zur Zusammenarbeit mit der NSA seit Beginn des Jahrtausends haben müsste.
Wichtig sei, so transparent und öffentlich wie möglich zu arbeiten. Edward Snowden müsse es möglich gemacht werden, in einer Form, die seine Sicherheit nicht gefährdet, aussagen zu können. Das Ausmaß der Überwachung auch durch Austauschprogramme mit den USA wie Fluggastdaten (PNR) und SWIFT müsse ebenfalls überprüft werden.
„Kernschmelze von Rechtsstaatlichkeit“
Eva Högl von der SPD freute sich, dass es nun endlich gelungen sei, einen gemeinsamen Antrag zu formulieren und den Ausschuss einzusetzen. Nicht nur gegenüber der Bundesregierung sondern auch gegenüber den Geheimdiensten müsse man klarmachen, dass keine Partikularinteressen geschützt würden. Was sie nicht wolle sei diffuse und pauschale Abneigung gegenüber der Arbeit der Geheimdienste.
Konstantin von Notz von den Grünen hob nochmals die besondere Bedeutung Edward Snowdens hervor. Ihm habe man die Erkenntnisse zur „Kernschmelze von Rechtsstaatlichkeit“ und der „Erosion der Werte Europas und der gesamten freien Welt“ zu verdanken. Die enthüllten Programme stünden für die Abkehr von Demokratie und die Hinwendung zur Überwachungsgesellschaft. Zumindest habe man erkannt, dass das von der Bundesregierung gepushte No-Spy-Abkommen ein Irrweg gewesen sei. Das Ziel sei nicht, einem Minister oder der Bundeskanzerlin am Stuhl zu sägen, sondern um das Wiederherstellen verfassungsgemäßer Zustände.
Verschlossene Türen? Na klar!
Der zukünftige Vorsitzende des Ausschusses Clemens Binninger (CDU) erklärte wie zuvor bereits sein Fraktionskollege Sensburg zu Beginn seiner Rede das Internet: Jeder von uns könne den anderen googlen, jeder könne recherchieren. In diese technische Entwicklung hinein sei der 11. September und anderes mehr gekommen. Er sei überhaupt kein Gegner von Nachrichtendiensten, aber klar sei, dass der Ausschuss die Strategie, die sich bei Amerikanern und Briten eingebürgert habe, auf Verdacht alles zu sammeln, und erst hinterher den Verdacht zu generieren, rundherum abgelehnt werden müsse. Dies sei mit seinem Verfassungsverständnis nicht vereinbar.
"Ich bin kein Gegner von Nachrichtendiensten", sagt Binninger, "Wir brauchen sie und die internationale Zusammenarbeit." #NSAUA
— Das Hauptstadtstudio (@DLF_Berlin) 20. März 2014
In Bezug auf die Transparenz der Arbeit des Ausschusses widersprach er Martina Renner: Ob man öffentlich oder auch mal geheim tagen müsse, ließe nicht darauf schließen, ob man etwas vertuscht. Es werde durchaus Veranstaltungen hinter verschlossenen Türen geben müssen. Hans-Christian Ströbele (Grüne) meinte, für jemand „der es wissen müsse“, habe ihm gesagt, dass das Problem für die US-Seite bereits erledigt sei und es auch keine Gespräche mit der Bundesregierung mehr zu diesem Thema gebe.
„Keine Klamauk-Veranstaltung“
Christian Fliesek von der SPD versuchte anschließend, dafür zu werben die Überwachung in Zusammenarbeit mit den amerikanischen Geheimdiensten zu überprüfen. Man dürfe den Partnern gegenüber nicht „mit Schaum vor dem Mund“ agieren und sei auf die Zusammenarbeit angewiesen.
Der Bundestag hat in die #NSAUA-Debatte nicht gerade die erste Riege des Parlaments geschickt. Und die Regierungsbank ist ebenfalls leer.
— Das Hauptstadtstudio (@DLF_Berlin) 20. März 2014
Als letzter Redner kam Stephan Harbarth von der CDU zu Wort. Er philosphierte ein wenig zum Verhältnis von Freiheit und Sicherheit und meinte, dass es angemessen sei, sich auf wenige Länder bei der Untersuchung zu konzentrieren. Ausserdem dürfe der Ausschuss „keine Klamauk-Veranstaltung“ werden.
Wenn am Ende dieser Aktion das G-10 Gesetz so reformiert wird, dass es tatsächlich unsere Menschenrechte schützt, dann könnte sich der Zeitaufwand lohnen. Aber ich glaube nicht, dass die Leute in dem Ausschuss die politische Weitsicht haben das Problem anzugehen.
ich gehe mal davon aus, dass der ermittlungsauftrag so formuliert wird, dass bis auf das eine handy in berlin und die mögliche einmalige weitergabe durch den bnd nicht viel nach oben blubbert.
besonders nicht die rechtlichen und vertraglichen grundlagen der staatlichen totalüberwachung. die rolle der geheimdienste wird sicher sein, sich an recht und gesetz zu halten und diese nur zu brechen, um sie zu schützen. welches gesetz genau ist sicher geheimschutzbedürftig.
.~.
Er erklärte, dass man erkennen müsse dass wir am Anfang einer Zeit seien, in der wir realisieren, dass das Internet und die neuen Medien große Chancen bieten, aber kein schrankenloser Raum sein dürften.
Immer stehen wir am Anfang, die neuen Medien als Chance und Bedrohung zugleich erkennen zu müssen.
Seit zehn Jahren. Mindestens.
Viel weiter vom Fleck gekommen sind wir anscheinend noch nicht.