Die EU-Kommissarin für die Digitale Agenda eiert noch immer um eine gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität herum. Das geht aus ihrer Antwort auf einen Protest-Brief von Verbraucherschutz- und Digital Rights-Organisation hervor. Unterdessen hat das Parlament in einem Bericht beiläufig das Prinzip der Netzneutralität bekräftigt.
Im April haben über 80 Bürgerrechts- und Verbraucherschutzorganisationen um die europäischen Dachverbände European Digital Rights (EDRi) und die europäische Verbraucherschutzorganisation (BEUC) die EU-Kommission aufgefordert, endlich EU-weit das Prinzip der Netzneutralität zu sichern.
Jetzt hat EDRi die Antwort der Kommissarin Neelie Kroes veröffentlicht:
As you know I have constantly emphasised the importance of an open and neutral Internet. I want users to be able to access the full Internet and to have a large choice to find the Internet product they prefer. As you acknowledge, some traffic management is necessary to ensure efficiency of networks. However, I am convinced that the future of the Internet is in innovation, investments and competition. Traffic management should not be used to limit consumer choice, Rather, I want every ISP to offer full, best effort Internet access products to its customers.
A common European approach is needed as divergent national measures would increase the risk of fragmentation of the Single Market, In this regard, I note that there are still recent examples of blocking of competing Services on discrimination in favour of own Services.
The European Commission is, therefore, preparing substantial recommendations which will address transparency and switching issues will also address specifically the responsible use of traffic management practices.
EDRi kommentiert:
Neelie Kroes bleibt unverbindlich über die politische Richtung ihrer angekündigten Empfehlungen. Die extreme Unbestimmtheit der Sprache könnte ein Hinweis sein auf erhitzte interne Diskussionen in der Europäischen Kommission.
Einerseits könnte ihr „Champagner“-Ansatz bedeuten, dass sie kastrierte Internet-Zugänge erlauben könnte, so lange es auch andere gibt. Das würde jedoch den Grundsatz unterlaufen, dass alle Internet-Inhalte auch allen Internet-Nutzer/innen zur Verfügung stehen – „eine katastrophale und unnötige Einschränkung des Grundrechts auf die Freiheit, Informationen zu vermitteln.“
Zudem scheint sie mit Transparenz und Anbieter-Wechsel noch immer auf den Markt zu setzen. Der uns diese Situation aber erst einbringt. Daher fordert EDRi, wieder und wieder, eine gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität auf EU-Ebene, wie es die Niederlande und Slowenien vorgemacht haben.
Außerdem hat heute das Europäische Parlament den Bericht über die EU-Charta: Normensetzung für die Freiheit der Medien in der EU mit 539 zu 70 Stimmen angenommen.
Damit haben sich die Abgeordneten mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, dass auf EU-Ebene der staatliche Einfluss auf die Medien in Zukunft besser überwacht werden soll. Darüber hinaus befürwortet der angenommene Text die Ausweitung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, um die uneingeschränkte Wahrung von Pressefreiheit und Medienvielfalt zu gewährleisten.
Auf Antrag des sozialdemokratischen Abgeordneten Josef Weidenholzer aus Österreich wurden „nicht nur die traditionellen Medien, sondern auch die Medienfreiheit im Internet“ einbezogen:
Für den SPÖ-Europaabgeordneten ist das auch eine Frage des Zugangs. Zur Medienfreiheit gehöre es auch, dass alle Menschen Zugang zu Medien haben und zu erschwinglichen Preisen effektiv über Internetverbindungen verfügen bzw. Zugang dazu haben. “Die bewusst herbeigeführte Drosselung der Flatrate wie dies gegenwärtig die deutsche Telekom praktiziert, stellt einen inakzeptablen Angriff auf die Netzneutralität dar”, sagt Weidenholzer.
So heißt es in dem Bericht in Punkt 12:
Das Europäische Parlament […] bekräftigt das Prinzip der Netzneutralität, welches gewährleisten soll, dass das Internet eine freie und offene, demokratische Kommunikation fördernde Technologie bleibt;
Für den fraktionslosen Abgeordneten Martin Ehrenhauser (ebenfalls aus Österreich) reicht das nicht:
Das Thema Netzneutralität wird in dem Bericht lediglich beiläufig behandelt, ein klares Bekenntnis zu einer EU-weiten Verankerung der Netzneutralität findet sich im Bericht nicht. Der fraktionsfreie EU-Abgeordnete Martin Ehrenhauser erklärt dazu: „Wir leben in einer digitalen Gesellschaft. Zeitungen und Bücher im herkömmlichen Sinn werden früher oder später verschwinden. Das Publizieren und Konsumieren von Medien wird sich zunehmend digitalisieren. Die Frage der Netzneutralität, sprich die Frage der Gleichbehandlung aller Daten im Netz, ist somit eine entscheide Frage der Freiheit der Medien. Ohne Netzneutralität werden große Netzbetreiber enormen Einfluss darauf haben, zu welchen Informationen wir Zugang erhalten und welche uns vorenthalten werden. Daher müssen wir das Prinzip der Netzneutralität europaweit rechtlich verankern. Ein zaghaftes Bekenntnis ist keinesfalls ausreichend.“
Das durfte er auch im Plenum des Europäischen Parlaments sagen – vor circa zwei Leuten:
Bin gerade ein bisschen eingedöst und habe geträumt: sämtliche Wasserversorgung ist privatisiert und man hat die Bestimmungen zur Wasserqualität (Anzahl der Keime, max. Schadstoffbelastung etc.) abgeschafft. Weil ja genug Wettbewerb vorhanden ist und wenn man mit dem Wasser nicht zufrieden ist, kann man ja den Anbieter wechseln… Zum Glück war das nur ein Traum.