Koalitionsvereinbarungen zu Internet und Bürgerrechten

Die Linkspartei hat irgendwie den Originaltext der Koalitionsvereinbarungen zum Thema Internet bekommen:

Wer den Text der Koalitionsvereinbarungen (aus Kapitel I) zu Informationsgesellschaft und Medien nachlesen will, kann das hier tun. Stand ist: 20.10.2009, 13.00 Uhr. Einzig strittiger Punkt war zu diesem Zeitpunkt offenbar noch: Überprüfung des Medienkonzentrations- und Pressekartellrechts/keine weiteren Werbebeschränkungen (Z. 2558–2561).

Auch Malte Spitz von den Grünen liegen die relevanten Teile offenbar vor, dazu auch noch die Teile zur Innenpolitik und Rechtspolitik. Er hat das mal im Detail auseinander genommen. Sein Fazit:

In Hinblick auf die digitale Zukunft Deutschlands und die Stärkung der Bürgerrechte und des Datenschutzes ist von einer schwarz-gelben Bundesregierung nichts zu erwarten. Es mangelt dieser Koalition an einem Verständnis der Herausforderungen, die vor uns stehen. Man verliert sich in ewig langen Füllsätzen, ohne einmal konkret aufzuzeigen wo es eigentlich hingehen soll und warum. Es fehlt das gemeinsame Verständnis für die digitale Entwicklung und die Möglichkeiten die daraus entstehen. Das Internet wird – nach CDU-Manier – primär als Gefahrenquelle betrachtet, welche es zu beobachten und zu regulieren gilt. Von Überwachung möchte aber niemand sprechen. Das beste Beispiel dafür, wie ziellos diese neue Bundesregierung bei diesen Themen ist, ist die Häufigkeit der gewünschten Evaluierung. Es drängt einem schon fast auf, das es bald ein Evaluierungsministerium gibt. Alles wird erstmal evaluiert und dann schaut man mal weiter, von Internetsperren, über Datenschutz, über die Rechtspolitik bis zur Netzneutralität. Evaluierung ist notwendig – aber sie kann ein politisches Konzept und ein politisches Ziel nicht ersetzen. Davon ist bei Schwarz-Gelb aber nichts zu erkennen, schon gar nichts Liberales. Die Chance eines Aufbruchs nach den verlorenen vier Jahren Große Koalition wird nicht wahrgenommen. Es ist so überhaupt kein Aufbruch bei der Netzpolitik zu spüren, das es einem schon fast vorkommt, das man noch am Anfang des Jahrzehnts steht.

Zu den neuen Ministerposten möchte man sich ja fast die Zunge abbeissen. Die einzige Hoffung aus Sicht der Bürgerrechte bleibt Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, deren gleichzeitig starke Stellung bei der Reform des Urheberrechts uns aber nicht wirklich freuen kann. Sie hat sich übrigens auch unter Kohl damals nicht gegen den Innenminister durchsetzen können und dann per Rücktritt beim großen Lauschangriff ihre individuelle Glaubwürdigkeit gesichert, ohne dass das auf die gesamt-FDP einen relevanten Einfluss gehabt hätte.

Der neue Innenminister Thomas de Maiziere ließ im Interview mit der Rheinischen Post bereits vor zwei Wochen durchscheinen, was er sich unter Internetregulierung vorstellt:

Der Vorstoß der Bundesregierung gegen Kinderpornografie im Internet hat viele Kritiker der Online-Szene auf den Plan gerufen. Die fürchten Zensur des Staates.

Ein unberechtigter Vorwurf. Hier steht doch vielmehr die grundsätzliche Frage: Kann das Internet völlig frei sein? Müssen wir nicht die Menschen vor Denunziation, Entwürdigung oder unseriösen Geschäften schützen wie im Zivilrecht? Ähnlich wie auf den Finanzmärkten brauchen wir mittelfristig Verkehrsregeln im Internet. Sonst werden wir dort Scheußlichkeiten erleben, die jede Vorstellungskraft sprengen. Vieles geht da übrigens nicht nur national.

Wir brauchen also demnächst Internetsperren gegen Beleidigungen, sonst ist die Weltwirtschaft in der nächsten Krise? Da schießt sich schon jemand auf die FDP ein, so scheint mir.

Ach ja, Wolfgang Schäuble ist jetzt als Finanzminister übrigens unter anderem für die Steuer-ID und die Kontenüberwachung zuständig.

Es bleibt also weiterhin viel zu tun für die inner- und außerparlamentarische Opposition.

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29 Ergänzungen

  1. Das war auch nicht anders zu erwarten, vermutlich werden die erst reagieren wenn die Piratenpartei 25.000 Mitglieder hat oder irgendwo in die Landtage einzieht.

    Mit friedlichem Protest erreicht man da nichts denn solange die Machtbasis der Politiker nicht in Gefahr ist brauchen sie sich nicht kümmern. das werden sie genauso irgnorieren wie die 134.000 Unterzeichner der Petition.

    Die Werden erst dann aufmerksam wenn sie Angst haben müssen das sie Abgeordneten Plätze im Parlament an eine neue Partei verlieren. Oder sich völlig neue koalitionsmöglichkeiten ergeben die einen Machtverlust für sie selber bedueten.

  2. an Admin:

    Schreibe endlich mal groß und fett dazu, dass du ausschließlich Lobbyarbeit für die Partei „Die Grünen“ machst!

    Dann können deine Einlassungen auch richtig eingeordnet werden.

    1. @ Untergrund: Wen meinst du mit „Admin“? Wenn das an mich gerichtet sein sollte: Ich habe nur Autorenrechte hier.

      Und ich mache keine „Lobbyarbeit“ für die Grünen – Parteien machen normalerweise keine Lobbyarbeit, sondern werden eher von Lobbyisten belagert. Ich arbeite seit ein paar Wochen als wissenschaftlicher Mitarbeiter für einen grünen Abgeordneten im Europaparlament, das ist auch weböffentlich und kein Geheimnis. Daher blogge ich hier auch nicht über Sachen, wo er involviert ist, was manchmal echt schade ist, z.B. aktuell beim Telekom-Paket, wo es viel zu sagen gäbe.

      Ich bin aber weiterhin völlig selbständig noch außerparlamentarisch aktiv, etwa im AK Vorrat, im AK Zensur oder bei EDRi.org. Und eben als Autor hier. Das mache ich in meiner Freizeit und kriege es nicht bezahlt.

      Der Hinweis auf die Einschätzung der schwarzgelben Koalitionsvereinbarungen durch Malte Spitz in einem Blogpost, der als erstes auf die Linkspartei verweist, ist nach meiner Meinung allerdings eh des „Lobbyismus“ recht unverdächtig. Dass Malte bei den Grünen ist, zählt doch dabei viel mehr für die Einschätzung seiner Meinung, und das habe ich ja geschrieben. Sein Text ist übrigens inzwischen sogar bei Carta.info zweitveröffentlicht worden, so schlecht oder tendenziös kann er also gar nicht sein.

    2. @Untergrund: Deshalb mag ich es, wenn unter politischen Texten noch ein kurzes Profil zum Autor steht mit 2-3 Sätzen, was der macht. Bei Beckedahl könnte man z.B. auf diesem Blog schreiben: „Markus Beckedahl ist neben seiner Tätigkeit für die newthinking […] auch Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen und engagiert sich in den Vereinen soundso“… Dann wüsste man gleich, warum in welchem Text bestimmte Aussagen vorkommen.

      Wobei es bei so einem Blog nicht unbedingt sinnvoll ist, da man den Autor noch eher kennt als bei einer großen Zeitung.

  3. Dass sich jetzt die Grünen als Verteidiger der Bürgerrechte aufspielen wundert einen doch sehr, nachdem sie nicht mal gegen die Internetzensur gestimmt haben, ganz zu schweigen von dem Unheil, das unter Rot-Grün angerichtet wurde. Wenn jetzt auch noch die FDP in dieser Koalition versagt, zieht die Piratenpartei 2013 in den Bundestag ein.

    1. @ bender: 33 grüne Abgeordnete haben gegen das Zugangserschwerungsgesetz gestimmt und 15 haben sich enthalten. Niemand hat dafür gestimmt. Soweit die Fakten.

      Aber auch durch die Enthaltungen haben die Grünen sicherlich immer noch ein recht großes Glaubwürdigkeitsdefizit bei den Bürgerrechten. Die Schily-Pakete sind übrigens auch noch nicht vergessen. Die FDP hat allerdings auf Landesebene auch der Online-Durchsuchung und anderen Sachen zugestimmt. Mal sehen, wie das also im Bundestag wird.

      Ich habe inzwischen für mich den Schluss gezogen, dass man einer Partei eh nicht pauschal vertrauen kann, sondern bestenfalls einzelnen Personen.

  4. Man beachte den Satz in den Zeilen 2536-2538 „Wir streben ein eigenes Leistungsschutzrecht für Verlage zum Schutz der Presseprodukte im Internet an.“

    Da hat sich die Lobbyarbeit eines Herrn Burda ja richtig gelohnt. Und für alle anderen Interessierten wird deutlich, wo der Hase in den nächstn Jahren hinlaufen wird.

    Es wird aber auch sehr deutlich, dass die neue Regierung keine Ahnung vom digitalen Wandel hat.

    Gute Nacht Deutschland.

  5. Dass Ralf Bendrath für die Grünen arbeitet, ist für mich nicht das Problem, und ich erwarte auch nicht dass er das überall hinschreibt.
    Aber:
    „Die Linkspartei hat irgendwie den Originaltext der Koalitionsvereinbarungen zum Thema Internet bekommen“
    klingt als wäre diese völlig indifferent zum Inhalt und nur Malte Spitz von den Grünen würde Kritik üben.
    Sorry Ralf, aber da ist die Tendenz nicht zu übersehen.
    Und dieses reflexartige „aber die FDP is doch auch nich besser“ sobald man Kritik an den Grünen übt, erinnert mich irgendwie an den Wahlkampf 2002. Wenn man da Kritik an Rot-Grün geübt hat, dann kam von den Grünen-Anhängern meist reflexartig ein „der Stoiber ist ja auch nicht besser“ *facepalm*

  6. Als ich heute in der Zeitung die designierte Bundesregierung sah, viel mir spontan ein:

    „Das Horrorkabinett des Dr. Mabuse“

  7. „Es bleibt also weiterhin viel zu tun für die inner- und außerparlamentarische Opposition.“

    Weiterhin?

    Das war in den vergangenen 11 Jahren u.a. die FDP. Freut Euch, daß es die kritische Opposition in die Regierung geschafft hat!

    Es wird laut Koalitionsvertrag keine Initiative für Internetsperren gegen Urheberrechtsverletzungen geben. Immerhin.

    1. @Die Erklärung: Da bin ich noch nicht wirklich von überzeugt. Der französische Weg wurde ausgeschlossen, aber dass der mit dem Grundgesetz nicht so richtig geht, ist ja auch vorher bekannt gewesen. Man wird sicherlich noch etwas mehr Druck auf die Provider ausüben, das doch mit den Rechteinhabern gemeinsam zu lösen.

  8. Also, wenn ich recht verstehe, würde Helmut Kohl Netzpolitik mit seinem Vokabular und zeitangemessen wohl als „linkes Kampfblog“ bezeichnen.
    All zu viel Unvoreingenommenheit kann man Autoren und Kommentatoren jedenfalls sicher nicht vorwerfen, die jetzt schon genau wissen, was alles in dieser Legislatur (nicht) möglich sein wird.

    1. @Viele Baumfans: Da in der von dir genannten Definition „links“ alles links von Konservativ ist und damit Liberal auch eingeschlossen ist, wirds schon passen.

  9. @ 15: vorsicht, lieber warten, denn die Sperren sind nur verschoben. De Zimiere ähm De Maiziere wird Innenminister. Siehe Beitrag auf diesem Portal. Dem glaube ich schon garnicht. Kritische Stimmen meinen, dass dieser Koalitionsvertrag nur eine Fassade ist und sich daüber hinaus vieles ändern wird – zu Lasten der sozial Schwachen.

    Ich befürchte wir beerdigen in den nächsten Jahren mehr und mehr – auch durch den weiteren Zusammenschluss der EU -die Demokratie. Schweden treibt seine Vorstellungen vom Internetrecht voran, HADOPI und die Paranoia in Sachen Gewalt und Terror-Vorbereitungen in Deutschland als Beispiel. Dann noch Schäubles Behördenneubau in Köln und den Ausbau weiterer Netzwerke in dieser Richtung. Gruselgrusel..

    Wer Macht hat wird noch mächtiger und dem Arbeitsrecht wird es mehr an den Kragen gehen.

    Schaun wir mal.

  10. Die FDP könnte machen was sie will, in Netpolitik würde sie immer abgestraft … – sind halt „Neoliberale“ …

    1. @Mikado: Die FDP könnte uns mal überraschen, z.B. durch eine gute und vernünftige Netzpolitik. Meist hat man den Eindruck, dass Anspruch und Realität noch weit auseinander sind. Sowas kann man auch als „neoliberale“ hinbekommen. (Im übrigen tun sich die anderen Parteien auch alle schwer damit, Politik zu unserer Zufriedenheit zu machen)

  11. @untergrund und co.
    Die Mitgliedschaft in oder/ und Arbeit für eine Partei sollte nicht das Kriterium sein, denn denken müsst Ihr selbst.
    Es ist für mich informativ, dies zu wissen, aber meine Meinung bilde ich mir an Hand von Fakten zum Thema und da interessiert mich die Partei weniger.
    @Ralf Bendrath
    Hier irrt der Autor, m. E., denn Lobbyarbeit kann man(n)/ frau auch für Parteien machen. Dies auch unter der Beachtung, dass ein Ganzteil davon mit den Begriffen „Öffenlichkeitsarbeit/ PR und Wahlkampf“ apostrophiert wird.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.