Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat erstmals die EU-Verordnung zur Netzneutralität ausgelegt. Das Urteil am heutigen Dienstag untersagt es Telekommunikations-Providern, die Datennutzung von Kund:innen selektiv zu drosseln, wenn diese ein bestimmtes Volumen überschreitet.
Den Fall legte ein ungarisches Gericht dem EuGH vor. Der Anbieter Telenor Magyarország hatte gegen eine Entscheidung der ungarischen Regulierungsbehörde geklagt. Der Provider bot in Ungarn zwei Streaming-Pakete an, die Nutzung von Diensten wie WhatsApp, Instagram oder Spotify zum „Nulltarif“ versprachen. Hingegen drosselte der Anbieter alle anderen Internetzugriffe der Kund:innen, wenn ihr Datenvolumen aufgebraucht war.
Das untersagte die Behörde mit Verweis auf die Netzneutralität, denn der Provider behandle damit einige Internetangebote bevorzugt. Ähnlich ging in Deutschland auch die Telekom bei ihrem Produkt StreamOn vor, bis ein Gericht im Vorjahr eine solche Drosselung untersagte.
Gericht: Rechte nicht einschränken
Das EU-Gericht gab der ungarischen Behörde nun Recht, da Tarife wie der ungarische mit ihren „Blockierungs- oder Verlangsamungsmaßnahmen die Ausübung der Rechte der Endnutzer einschränken“, wie es in der Urteilsbegründung heißt.
Die Europäische Union hat die Netzneutralität 2015 in einer Verordnung gesetzlich verankert. Seither haben Endnutzer:innen das Recht, „unabhängig vom Standort des Endnutzers oder des Anbieters und unabhängig von Standort, Ursprung oder Bestimmungsort der Informationen, Inhalte, Anwendungen oder Dienste, Informationen und Inhalte abzurufen und zu verbreiten“.
Anbietern ist es außerdem verboten, den Internetzugang für einzelne Nutzer:innen absichtlich aus kommerziellen Erwägungen zu verschlechtern. Mit dem Gesetz will die EU etwa verhindern, dass sich Digitalkonzerne wie Google oder Apple bevorzugten Zugang zu einkommensschwachen Bevölkerungsschichten sichern und damit ihre Marktdominanz weiter ausbauen.
„Anbietern ist es außerdem verboten, den Internetzugang für einzelne Nutzer:innen absichtlich aus kommerziellen Erwägungen zu verschlechtern“
Das muss man aber als Verbraucher erst einmal Nachweisen können.
Wer schon einmal versucht hat, „Abweichung von den vertraglich vereinbarten Download-Geschwindigkeiten“ nachzuweisen weiß wie verbraucherfeindlich die Regelungen sind.
Die erforderlichen Vorgaben zur „Messkampagne“ gehen an der Realität vorbei. Außerdem ist die Leistung bei bekannten Testservern auf wundersame Weise immer besser als beim restlichen Internetverkehr.
Also Verbot schön und gut, es bringt aber nichts, wenn Verbraucher keine Möglichkeit haben diese Art des Betrugs nachzuweisen. Wenn man schon nicht nachweisen kann, dass der Anbieter nur sporadisch die vertraglich zugesicherte Leistung erbringt, wie soll man dann nachweisen, dass bestimmte Dienste bevorzugt oder benachteiligt werden?
Ein perfides Beispiel den Zugang zum Internet zu drosseln, um nicht die volle Leistung erbringen zu müssen, ist z.B. der im Standard-Paket beigelegter Router, der (in manchen Fällen) die maximal gebuchte Internetgeschwindigkeit nicht nutzen kann, weil er das technisch nicht unterstützt.
Der Anbieter ist fein raus und argumentiert der Verbraucher könne ja selber ein geeignetes Gerät leasen oder erwerben. Damit werden aber die Verbraucher hinters Licht geführt, die davon ausgehen, dass der Anbieter auch die zugesicherte Leistung erbringt und keine Ahnung haben, dass der Anbieter einen Router mit künstlichem Flaschenhals mitliefert.
Die Regelungen sind alle so butterweich und Verstöße haben keine nennenswerte Konsequenzen, so dass Anbieter auch weiterhin Wege finden werden, dem Großteil der Endnutzer minderwertige Leistungen zu erbringen.