Wochenrückblick KW 6Lasst euch nicht unterkriegen

Unsere Woche war überschattet von der skandalösen Wahl Kemmerichs zum thüringischen Ministerpräsidenten. Wir berichten dennoch wie gewohnt über die wichtigsten netzpolitischen Themen: Ein mögliches Moratorium für Gesichtserkennung, den stockenden Breitbandausbau und die heimlich veröffentlichten Videoaufnahmen aus den Duschkabinen auf dem Fusion-Festival.

Das Portait eines Erdmännchens (Foto)
Bleibt wachsam und wehrhaft, das ist die Essenz dieser Woche (Symbolbild). – Alle Rechte vorbehalten Konrads Bilderwerkstatt

Was für eine Woche. AfD, CDU und FDP machen gemeinsame Sache in Thüringen, da kann einem das Lachen schon mal vergehen. Irgendwo in diesem Rückblick verstecken sich aber dennoch zwei gute Nachrichten – findet ihr sie?

Wirtschaft: Die Segnungen des freien Marktes

Die Lobbyist:innen der großen Tech-Konzerne und Verlage setzen derzeit alles daran, den Digital Services Act nach ihren Vorstellungen zu beeinflussen. Und das, obwohl der noch in seinen zarten Anfängen steckt, so zart, dass noch nicht einmal klar ist, was er eines Tages regeln soll. Unseren Artikel über den Lobbyismus rund um das Gesetzgebungsverfahren haben wir auch auf Englisch übersetzt.

Googles Maildienst Gmail ist laut einem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes kein Telekommunikationsdienst. Der US-Konzern muss deshalb nicht dieselben Datenschutzauflagen einhalten wie beispielsweise Mobilfunkanbieter. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um die gesetzlichen Rahmenbedingungen mal zu modernisieren, die Bundesregierung hat dazu bereits ein Eckpunktepapier vorgelegt.

Die unsichtbare Hand wird’s schon richten – oder auch nicht. Der Breitbandausbau stockt, weshalb Verkehrsminister Scheuer auf die Idee kam, ihn staatlich zu unterstützen. Unternehmen und Liberale sind entsetzt.

Überwachungstechnologie um die Welt

Es gibt – mal wieder mag man fast sagen – Doxing-Alarm bei der Polizei. Diesmal in Mecklenburg-Vorpommern. Auch hier geht es um einen Beamten, der online offen mit der AfD sympathisiert haben soll.

Das Hin und Her um Gesichtserkennung im öffentlichen Raum geht weiter. Hatte die Europäische Kommission im Dezember noch mit der Ankündigung eines Moratoriums Furore gemacht, ist davon Ende Januar nur noch wenig zu hören. Streit gibt es unter anderem über Fehlerraten und die Grundsatzfrage, ob es in Europa solche Systeme geben sollte.

Europäische Polizeidatenbanken werden größer und vernetzter. Das Bundeskriminalamt (BKA) erhält in den nächsten Jahren 78 Millionen Euro. Damit sollen neue Funktionen wie die Suche nach Finger‑ und Handballenabdrücken sowie die Speicherung von Gesichtsbildern und DNA-Daten vorangetrieben werden.

Glücklicherweise gibt es diese Woche aber auch einige positive Nachrichten. Der kenianische oberste Gerichtshof erklärt ein biometrisches ID-Programm für unrechtmäßig und bekräftigt damit den Protest von Minderheitenvertretungen. Ob die kenianische Regierung dem Urteil folgt, ist aber noch offen.

Auch in den Niederlanden wird die Regierung gerichtlich in die Schranken verwiesen. Hier geht es um algorithmische Entscheidungsfindung, die vermeintlichen Sozialbetrug automatisiert erkennen sollte. Ein niederländisches Gericht urteilte jedoch, das System sei unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Als hätte Thüringen nicht gereicht – Spanner auf der Fusion und Corona-Rassismus

Rechte Trolle auf Twitter melden massenhaft Tweets, um politische Gegner:innen so sperren zu lassen. Letzte Woche waren mehrere Journalistinnen betroffen, die sich zuvor gegen Rassismus im Zusammenhang mit dem Coronavirus stellten. Eine Änderung am Netzwerkdurchsetzungsgesetz könnte Betroffenen in Zukunft ein Widerspruchsrecht garantieren.

Besucher:innen des linksalternativen Fusion-Festivals wurden unter der Dusche mit einer versteckten Kamera gefilmt – das Videomaterial wurde anschließend auf einer Pornoseite veröffentlicht, mittlerweile wurde Strafanzeige erstattet. Leider ist es sehr schwierig, solche Kameras aufzuspüren, die Festival-Betreiber:innen suchen dennoch nach Wegen, solche Übergriffe zu verhindern.

In Tübingen spitzt sich derweil ein Konflikt zwischen Oberbürgermeister Boris Palmer und dem Landesbeauftragten für Datenschutz Stefan Brink zu. Es geht um eine Liste mit ‚auffälligen‘ Geflüchteten und fehlenden Datenschutz.

netzpolitik.org goes Feuilleton

Diese Woche haben wir gleich über zwei kreative Interventionen gegen die Überwachungsindustrie berichtet. Der Künstler Beowulf Tomek hat sich mit den Werbematerialien der Münchener Firma FinFisher beschäftigt. In Berlin hat der Künstler Simon Weckert mit einem Handkarren voller Smartphones einen virtuellen Stau in Google Maps simuliert und damit gezeigt, wie einfach der Kartendienst zu manipulieren ist.

Im Polyplot „Gefährliche Menschen“ von Christiane Hütter und Frank Rieger können die Leser:innen selber entscheiden, wie die Handlung des Romans sich entwickelt. So nimmt die Geschichte – entsprechend eigener Entscheidungen – eines von sieben Enden, angesiedelt auf der ganzen Skala zwischen Utopie und Dystopie.

Für alle, die lieber hören als lesen: Hier unser monatlich erscheinender Off-the-Record-Podcast. Von der Arbeit rund um BND, Kanzleramt und geschlechtergerechte Sprache aus den ersten Wochen des neuen Jahres berichten Anna Biselli, Chris Köver und Ingo Dachwitz.

Wir wünschen euch ein schönes Wochenende!

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3 Ergänzungen

  1. Die gute Nachricht fehlt doch bei Euch, obwohl Mitglieder von Euch zu den Erst-Unterzeichnern gehören: in allen Medien – außer bei Euch – ist mit Nils Melzer nun endlich öffentlich aufgeklärt worden, dass EU-Grundrechte nicht funktionierten im Fall Julian Assange, dass wir uns einsetzen müssen, wenn in Großbritannien endlich korrigiert werden soll.

    https://assange-helfen.de/

    https://www.zdf.de/comedy/mann-sieber/mann-sieber-clip-5-148.html

  2. Hallo,

    ihr habt die Links
    Werbematerialien der Münchener Firma FinFisher
    und
    virtuellen Stau in Google Maps
    vertauscht, diese führen zum jeweils anderen Beitrag.

    Grüße und schönes Wochenende

    Matze

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.