KunstaktionMit 99 Smartphones gegen Google Maps

Der Künstler Simon Weckert sorgte letzte Woche für viel Wirbel, indem er auf Google Maps einen Stau simulierte. Wir haben mit ihm über künstliche Realitäten, die Macht von Karten und Alternativen zu Google gesprochen.

Links ist ein Google-Maps-Karte zu sehen, von der Situation, als der Künstler den Stau simulierte. Darum ist die Brücke rot marktiert, als sei Stau. Rechtsauf einem zweiten Bild sieht man den Künstler mit seinem Handkarren vor einem Abendhimmel über die Brücke laufen.
Simon Weckert simulierte mit einem kleinen Handkarren voller Smartphones einen Stau vor der Google-Zentrale in Berlin. – Alle Rechte vorbehalten Simon Weckert

Simon Weckert lebt in Berlin und beschäftigt sich in seiner Kunst vor allem mit der digitalen Welt und ihre Auswirkungen auf das Zusammenleben. Er baute eine Trompete, die völlig eigenständig einen Zapfenstreich spielt und , das fast so viele Funktionen wie ein Smartphone hat und das man sich umhängen kann, das Dumbphne. Seine letzte Arbeit „Google Maps Hacks“ wurde weltweit bekannt.

netzpolitik.org: Für dein aktuelles Projekt „Google Maps Hacks“ bist du mit einem Handkarren voller Smartphones die Elbertbrücke in Berlin entlang spaziert. Direkt gegenüber ist das Büro von Google-Deutschland, war der Ort bewusst gewählt?

Simon Weckert: Die Brücke war mir nicht so wichtig. An diesem Spot war eher der Kontrast zwischen mir – dem Typen, der mit seiner Handkarre und 99 Smartphones vorwärts und rückwärts die Straße entlang läuft – und dem weltgrößten Internetkonzern interessant. Das lädt die Sache emotional auf.

netzpolitik.org: 99 Smartphones hattest Du dabei. 99 aus irgendeinem bestimmten Grund?

Weckert: 99 smartphones but a hack ain’t one.

Google Maps schafft seine eigene Wirklichkeit

netzpolitik.org: Worauf willst Du konkret aufmerksam machen?

Weckert: Machtfragen im kartographischen Diskurs müssen meiner Meinung nach neu formuliert werden. Denn wirtschaftliche Interessen haben staatliche und militärische Interessen teilweise abgelöst. So nutzt Google seine Karten, um neue Märkte zu erschließen, mehr Daten zu sammeln und von den Online-Plattformen zu profitieren, die auf Google Maps basieren. [Anm. der Redaktion: Zum Beispiel lieferando, tinder oder AirBnB.]

netzpolitik.org: Zu einer anderen Arbeit von Dir, eine Recherche zu Google Maps sagst du, Karten seien andere Versionen der Wirklichkeit. Was steckt davon in „Google Maps Hacks“?

Weckert: Offensichtlich erzeuge ich mit dieser Aktion einen Stau auf einer virtuellen Karte, welcher in der physischen Welt nicht existiert. Demzufolge spiegelt die Karte eine andere Wirklichkeit wider. So gesehen repräsentiert die Karte eine Realität der Welt in einer bestimmten, kodifizierten Form.

Navigativionssysteme erzeugen teilweise noch mehr Stau

netzpolitik.org: Wir wirken sich digitale Kartendienste auf unser Verhalten in der Stadt aus und wie bewertest du das?

Weckert: Ich sehe interessante Reibungspunkte zwischen dieser Technologie und der Stadtstruktur. Beispielsweise entsteht ein Konflikt – gerade in Bezug auf Smart Citys – bei Navigationssystemen mit der Funktion des „Re-Routings“. Das erzeugt stellenweise noch mehr Stau, denn Ausweichstraßen sind nicht für ein höheres Verkehrsaufkommen geeignet. Das heißt, es kann besser sein einen Stau auszusitzen, als eine Alternativroute zu nehmen. Dazu gibt es auch interessante Papers [Anm. der Redaktion: Simon Weckert bezieht sich mit „Google Maps Hacks“ auf ein Paper von Moritz Ahlert zur Macht virtueller Karten], die das beschreiben.

netzpolitik.org: Es gibt Alternativen zu Google Maps wie Open Street Map oder Treeday. Sollte man Google vermeiden oder ist das eigentlich egal, weil alle virtuellen Kartendienste das gleiche Verhalten befördern?

Weckert: Ich glaube, dass wenn wir als Benutzer:innen solcher Dienste einen besseren Einblick in die Verarbeitung der Daten haben und mehr partizipieren können, dann verändert das unseren Umgang mit diesen Werkzeugen und schärft unser Bewusstsein, was wir da verwenden.

netzpolitik.org: In der Stuttgarter Zeitung stand, es sei gut vorstellbar, dass Google versuchen werde, am Algorithmus zu schrauben, um „derartige Manipulationen in Zukunft zu vermeiden“ – glaubst Du das auch?

Weckert: Ja, Google hat schon mitgeteilt, das die sich das anschauen werden.

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6 Ergänzungen

    1. Danke für die Ergänzung, das haben wir auch gesehen – sehr spannend. Allerdings erst nach dem Interview, sonst hätten wir danach gefragt!

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