Liebe Leser:innen,

schreiben wir das Jahr 2014? Damals lobbyierte die Telekom-Industrie massiv gegen die geplanten EU-Regeln zur Netzneutralität. Statt einem offenen Netz wollte sie ihre Produkte lieber scheibchenweise vermarkten: überteuerte Telefonie statt freiem VoIP, exklusive Datenoasen statt offenem Zugang zu allen Diensten und obendrauf am besten noch Klingeltöne aus dem firmeneigenen Online-Shop. Lange Zeit war das die Realität und keine dystopische Zukunftsvision.

Aufgegangen ist dieser Plan nicht. Ein 2015 verabschiedetes EU-Gesetz und ein späteres Machtwort des Europäischen Gerichtshofs zu Zero-Rating-Angeboten fielen erfreulich stark aus, um solche Produkte für illegal zu erklären. Eine der positiven Folgen: Mehr Datenvolumen für alle.

Jetzt aber versucht es die Industrie erneut. Mit 5G+ Gaming hat die Telekom Deutschland jüngst ein neues Produkt auf den Markt gebracht, das – versteckt hinter den lockenden Ankündigungen und Schlagzeilen – schon wieder ein Zwei-Klassen-Netz einführen will. Diesmal soll die neue Network-Slicing-Technik des 5G-Mobilfunkstandards mit Überholspuren dafür sorgen, dass manche Gamer:innen besser abschneiden als solche, die über das normale Internet einsteigen.

Kommt die Telekom damit durch, könnte dies zum Dammbruch führen: Ein lahmes Internet für alle, die sich keinen superschnellen Zugriff auf ausgewählte Online-Dienste leisten wollen oder können. Weder Regulierungsbehörden noch Verbraucherschutzorganisationen wussten im Vorfeld von dem fragwürdigen Produkt. Immerhin untersuchen sie nun, ob die Telekom die Netzneutralität verletzt.

Wir bleiben dran.

Tomas


Unsere Artikel des Tages

LeistungsschutzrechtAustralischer Ausschuss empfiehlt verschärfte Gangart gegen Meta & Co.

Australien will Geld von Online-Diensten wie Meta oder Alphabet, um damit den Journalismus mitzufinanzieren. Ein Erfolg war der „News Media Bargaining Code“ bislang jedoch nicht. Nun schlägt ein Parlamentsausschuss neue Ansätze vor, unter anderem eine steuerliche Abgabe für soziale Medien.

Lesen Sie diesen Artikel: Australischer Ausschuss empfiehlt verschärfte Gangart gegen Meta & Co.

Tickermeldungen

Lesenswert, wichtig und spannend – hier fasst die Redaktion netzpolitische Meldungen von anderswo als Linktipps zusammen.

Bayerischer Rundfunk
Es hat sagenhafte 772 Millionen Aufrufe und dürfte das bislang meistgeklickte Kurzvideo (sog. Reel) auf Instagram sein. Geschaffen haben es die Autotechnik-Influencer Anja Hager und Matthias Luft aus Oberfranken. Wer Instagram nicht versteht, dem wird die Ansicht des Videos auch nicht helfen.
The Verge
Im Fediverse gibt es dezentrale Alternativen zu jeder Menge Big-Tech-Plattformen. Jetzt soll bald auch eine Kurzvideo-Variante ähnlich zu TikTok kommen. Die Fediverse-Integration und die Veröffentlichung des Codes von "Loops" sind aber noch nicht fertig.
heise online
Kriminelle haben in Italien Zugang zu Daten diverser Personen des öffentlichen Lebens bekommen, auch die Ministerpräsidentin ist betroffen. Es kam daraufhin etwa zu Erpressungsversuchen. Ermittelt wird gegen nicht weniger als rund 60 Verdächtige.
The Washington Post
Die US-Regierung will vom Pentagon und anderen Sicherheitsbehörden mehr Einsatz von KI-Technologie, um nicht hinter China zurückzufallen. Dabei sollen "demokratische Werte" berücksichtigt werden, so das Memorandum.
Le Monde
Drei Staatsführer, darunter Emmanuel Macron, sind durch die Nutzung der Sport-App Strava gefährdet. Die Sicherheitskräfte des französischen Präsidenten teilten ihre Laufdaten öffentlich und gaben damit ihre Standorte preis.
heise online
Der Bundestag testet die Phishing-Resilienz seiner Abgeordneten und deren Mitarbeiter:innen. Sie erhielten E-Mails, in denen um persönliche Informationen gebeten wurde. Viele wurden misstrauisch und haben die Lock-Mails gemeldet. Alle anderen sollen vorsorglich ihr Passwort ändern.
Turkish Minute
Die Social-Media-Plattform X hat den Zugang zu über 100 Konten von türkischen Journalist:innen, Aktivist:innen und Medienorganisationen gesperrt. Betroffen ist auch der in Deutschland lebende Journalist Can Dündar, ehemaliger Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet.
The New York Times
Eine chinesische Hackergruppe namens Salt Typhoon hat in den USA offenbar Telekommunikationssysteme angegriffen. Dabei soll sie Informationen über die US-Präsidentschaftskandidat:innen und deren Wahlkampfteams gesammelt haben.
ABC News
Eigentlich soll das KI-Transkriptionstool Whisper von OpenAI nur Audioaufnahmen verschriftlichen, etwa in Spitälern. Doch die Ergebnisse enthalten oft frei erfundene Informationen, rassistische Behauptungen und sonstige Fabrikationen, haben Forscher:innen herausgefunden.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

0 Ergänzungen

Wir freuen uns auf Deine Anmerkungen, Fragen, Korrekturen und inhaltlichen Ergänzungen zum Artikel. Bitte keine reinen Meinungsbeiträge! Unsere Regeln zur Veröffentlichung von Ergänzungen findest Du unter netzpolitik.org/kommentare. Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.