Sächsisches TransparenzgesetzMittelmaß statt Transparenzvorreiter

Sachsen ist eines der letzten Bundesländer, in denen Bürger:innen gegenüber dem Staat keinen generellen Auskunftsanspruch haben. Das soll sich jetzt ändern, doch FragDenStaat zeigt sich vom Gesetzentwurf enttäuscht. Die Grünen signalisieren, im parlamentarischen Verfahren nachbessern zu wollen.

Neblige Morgenstimmung mit aufgehender Sonne über der Dresdner Altstadt
Der Nebel über der sächsischen Verwaltung könnte sich mit einem neuen Transparenzgesetz bald legen, zumindest ein bisschen (Symbolbild aus der Landeshauptstadt Dresden) – Alle Rechte vorbehalten Imago / Sylvio Dittrich

Fast acht Jahre ist es inzwischen her, dass CDU und SPD den Menschen in Sachsen ein Gesetz versprachen, mit dem die Verwaltung im Freistaat transparenter wird. In diesem Jahr soll es endlich soweit seit sein: Gemeinsam mit den neuen Grünen Koalitionspartner einigten sich die beiden Dauerregierungsparteien im Landeskabinett auf den Entwurf für ein Transparenzgesetz [PDF].

Mit dem Gesetz soll ein neues Transparenzportal geschaffen werden, auf dem staatliche Stellen Informationen wie Berichte, Sitzungsprotokolle, Gutachten und Erlasse bereitstellen. Mit Einschränkungen sollen auch Verträge und Informationen aus staatlichen Unternehmen veröffentlicht werden. Ein Transparenzbeauftragter, der beim Landesdatenschutzbeauftragten angesiedelt wird, soll künftig darüber wachen, dass die Transparenzvorgaben eingehalten werden.

Sachsen gehört neben Bayern und Niedersachsen zu den letzten drei Bundesländern, die noch kein eigenes Informationsfreiheitsgesetz erlassen haben. Vor allem die CDU sperrte sich lange dagegen. Deshalb will der Freistaat die Sache nun gleich richtig angehen und die Verwaltung nicht nur zur Herausgabe von Informationen auf Anfrage, sondern zur proaktiven Veröffentlichung verpflichten. Sachsen wäre nach Hamburg, Bremen, Rheinland-Pfalz und Thüringen das fünfte Bundesland mit einem Transparenzgesetz.

Entsprechend selbstbewusst zeigte sich die Grüne Justizministerin Katja Meier bei der Veröffentlichung des Gesetzesvorschlages im Dezember 2021. „Alle Bürgerinnen und Bürger sollen einen Anspruch auf Zugang zu Informationen über staatliches Handeln haben.“ Transparenz sei grundlegend für eine freie und fundierte Willensbildung in der Demokratie. „Das ist mein Verständnis von einem modernen Staat, der den Bürgerinnen und Bürgern dient und dessen Institutionen sie vertrauen können“, so Meier. Mit diesem Gesetz sei Sachsen bei der Transparenz weiter als die meisten anderen Bundesländer.

„Weit hinter den Erwartungen“

Deutlich weniger begeistert zeigt sich die auf Transparenz spezialisierte Nichtregierungsorganisation FragDenStaat. Der Gesetzentwurf bleibe „weit hinter den Erwartungen zurück“, heißt es in einem Blogpost der Juristin Jacqueline Knoll. „Soweit der Freistaat angibt, sich an den fortschrittlichen Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetzen von Hamburg und Rheinland-Pfalz orientiert zu haben, so muss diese Orientierung eher oberflächlich gewesen sein.“

So kritisiert die Transparenzexpertin, dass neben der Staatsregierung nicht auch per se alle anderen öffentlichen Stellen auskunftspflichtig werden. Stattdessen soll es auf Landesebene eine komplizierte Liste mit Behörden geben, die zu „transparenzpflichtigen Stellen“ deklariert werden. Auf kommunaler Ebene müssten die Gemeinden überhaupt nicht mitmachen, sondern könnten sich freiwillig dazu entscheiden. Transparenz soll es hier also nur bei Opt-In geben, nicht per Default. „Wer nichts herausgeben will, muss auch nicht“, kommentiert FragDenStaat. Zumindest erstmal, denn die Kommunen nicht doch verpflichtet werden, soll nach einer Übergangsphase neu entschieden werden.

Außerdem will die Landesregierung keine anonymen Informationsanfragen beantworten. FragDenStaat hält das für „eine datenschutzrechtlich bedenkliche, aufwändige und zudem absolut sinnlose Regelung“. Die Praxis in anderen Bundesländern zeige, dass ein Identifizierungszwang häufig zur Folge hat, dass weniger Bürger:innen Anfragen stellen. Im schlimmsten Fall könne die Ausweispflicht dazu führen, „dass die Identität von gefährdeten Personen preisgegeben wird“, befürchtet Juristin Knoll.

Mittelfeld statt Spitzenposition

Ebenfalls in der Kritik steht, dass Gebühren zwar erst ab einem Aufwand von 600 Euro anfallen, dann jedoch nicht gedeckelt sein sollen. „Selbst eine Ablehnung ist nicht automatisch gebührenfrei. Somit werden potenzielle Antragsteller:innen von vornherein davor abgeschreckt, Anfragen zu stellen“, fürchtet FragDenStaat.

Auch bei den Ausnahmetatbeständen sei die sächsische Regierung zu großzügig, kritisiert die NGO. So führt der Gesetzentwurf beispielswese den Schutz geistigen Eigentums als Verweigerungsgrund auf, womit an anderer Stelle schon häufig legitime Anfragen abschmettert wurden. Knoll kritisiert, dass keine Abwägung des Schutzinteresse mit dem öffentlichen Informationsinteresse vorgesehen ist.

Außerdem definiere das Gesetz den „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ zu weit, mit dem in anderen Bundesländern und im Bund bereits heute regelmäßig Anfragen abgelehnt werden. Explizit sieht der Gesetzentwurf vor, dass der „Schutz des Willensbildungsprozesses auch hinsichtlich abgeschlossener Vorgänge gewährleistet ist“. In einfachen Worten: Wo man in anderen Bundesländern zumindest im Nachhinein oft nachvollziehen kann, wie eine Regierungsentscheidung zustande gekommen ist, soll dies in Sachsen überhaupt nicht möglich sein.

Im Transparenzranking von FragDenStaat würde Sachsen mit dem Gesetz deshalb lediglich 45 von 100 möglichen Punkten erhalten. Damit läge es im Mittelfeld und deutlich hinter  Bundesländern wie Hamburg, Schleswig-Holstein und Bremen. Die norddeutschen Staaten führen das Ranking mit 67, 65 und 63 Punkten an.

Grüne: „Verbesserungsmöglichkeiten an neuralgischen Punkten“

Wir haben uns in der sächsischen Regierungskoalition umgehört, ob die Kritik von FragDenStaat auf fruchtbaren Boden fällt. Die zuständigen Fachpolitiker:innen von SPD und CDU im Landtag waren jedoch nicht besonders auskunftsfreudig.

Unter Verweis auf die Ende Januar beginnende parlamentarische Auseinandersetzung mit dem Gesetzentwurf und die noch nicht abgeschlossene Meinungsbildung ihrer Fraktion wollte die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Hanka Kliese, noch keine Bewertung des Gesetzentwurfes vornehmen. Bei den Beratungen würden jedoch „Einschätzungen von Organisationen wie FragDenStaat selbstverständlich eine Rolle spielen“, so Kliese.

Auch die CDU will sich lieber nicht in die Karten schauen lassen. Der Gesetzesentwurf werde im parlamentarischen Verfahren „in den entsprechenden Fachausschüssen des Sächsischen Landtages sowie im Rahmen von Expertenanhörungen erörtert“, antwortet der rechtspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Sachsen, Martin Modschiedler. Hier werde es Gelegenheit geben, etwaige Änderungen zu diskutieren.

Lediglich die Grünen wagen sich zum aktuellen Zeitpunkt aus der Deckung. Der vorliegende Entwurf sei „naturgemäß zunächst ein Kompromiss in einem Themenfeld, bei dem innerhalb der Regierung die Meinungen durchaus weit auseinander liegen“, heißt es von ihrem innenpolitischen Sprecher, Valentin Lippmann. Er sei jedoch froh, „dass nach zähem Ringen unter den Ministerien“ endlich überhaupt ein Entwurf der Staatsregierung vorliege, „der Sachsen beim Thema Informationsfreiheit und Transparenz aus der Steinzeit in die Gegenwart katapultiert“.

Auch Lippmann verweist auf das parlamentarische Verfahren und eine geplante Sachverständigenanhörung, signalisiert jedoch Änderungswillen: „Wir sehen an den neuralgischen Punkten durchaus Verbesserungsmöglichkeiten, insbesondere bei den vorgeschlagenen Ausnahmeregeln von der Transparenzpflicht und den Regelungen zu den Gebühren.“ Hierzu werde es in der Koalition Diskussionsbedarfe geben.

Jusitzministerium: Nicht der letzte Schritt

Das sächsische Jusitzministerium selbst lässt die Kritik von FragDenStaat weitestgehend an sich abperlen. Ein Identifizierungszwang mit Ausweispflicht etwa sei gar nicht geplant, teilt das Ministerium auf Anfrage mit. Angedacht sei lediglich eine Verpflichtung, bei Anfragen Name und Adresse mit anzugeben, da das entsprechende Verwaltungsverfahren nicht durch eine anonyme Person geführt werden könne.

Die Ausnahme zum Schutz des geistigen Eigentums wiederum sei rechtlich zwingend, „da durch eine landesrechtliche Vorschrift nicht das bundesrechtlich normierte geistige Eigentum umgangen werden kann.“ Gleiches gelte für die Ausnahme zum Schutz des Kernbereichs der exekutiven Eigenverantwortung. Dieser sei verfassungsrechtlich verankert und notwendig, „um weiterhin eine freie und unbeeinflusste Entscheidungsfindung der Verwaltung zu ermöglichen.“ Auf die Kritik der Transparenzaktivist:innen an einer fehlenden Abwägung ging das Ministerium nicht ein.

Insgesamt sei der Gesetzentwurf ein gut austarierter Kompromiss, findet das Haus von Ministerien Katja Meier. Schließlich würde selbst die bestbewerteten Bundesländer im Transparenzranking von FragDenStaat nicht mehr als 63 bis 67 Punkte erreichen. Nichtsdestotrotz sei das Gesetz zwar „als ein überaus bedeutsamer, wenn auch nicht als letzter Schritt hin zu einer transparenteren Verwaltung“ zu verstehen.

2 Ergänzungen

  1. Verwässern von Ansätzen ist ein altes Lied. Wohin führt es noch? Ach, es stand in einem britischen Artikel zur noe2ee-Geschichte: „road to nowhere“.

  2. Warum soll »der Staat«™ sich nackig machen müssen, wenn die anfragende Person anonym bleiben will? Republik und Öffentlichkeit funktionieren nur mit offenem Visier. Wer Angst vor Identifizierbarkeit hat, hat wirklich ein Problem. Dessen Lösung ist aber nicht Anonymität. Im
    Gegenteil.

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