KW 31Die Woche eines Sieges – und eines fatalen Versagens

Die 31. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 14 neue Texte mit insgesamt 98.009 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser:innen,

am Montag habe ich meine Stelle als Co-Chefredakteur von netzpolitik.org angetreten. Es war eine weiche Landung auf neuem und zugleich vertrautem Terrain. Denn zum einen lese ich die Artikel der hiesigen Autor:innen schon seit Jahren, als „Blätter“-Redakteur mit Schwerpunkt auf digitalpolitische Themen besuchte ich netzpolitik.org fast täglich. Zudem habe ich das Team bereits auf einer mehrtägigen Redaktionsklausur im Mai persönlich kennengelernt. Zum anderen aber verschiebt sich mit dem Blick hinter die Kulissen auch die Perspektive auf das journalistische Projekt selbst.

Derzeit befinde ich mich voll und ganz im Upload-Modus: Die vergangenen Tage war ich vor allem damit beschäftigt, mich mit Anna und anderen Redaktionsmitgliedern über die Strukturen und Abläufe sowie über unsere gemeinsamen Vorhaben und Ziele auszutauschen. Im Zentrum steht bei alledem aber der tägliche journalistische Einsatz für digitale Freiheitsrechte. Dabei bestätigen sich jene Eindrücke, die ich als langjähriger Leser gewonnen habe.

Was mich in dieser Hinsicht vor allem freut: Gleich in der ersten Woche konnte ich die Wirksamkeit unseres Engagements hautnah erfahren. Denn netzpolitik.org hat mit FragDenStaat das Bundeskriminalamt verklagt – und gewonnen! Den freigeklagten Staatstrojaner-Vertrag des BKA zum Staatstrojaner FinFisher könnt Ihr hier einsehen. Andre Meister hofft, dass sich die Bundesbehörde künftig „an Recht und Gesetz hält“. Notfalls aber helfen wir nach – und klagen erneut.

Getrübt wird die Freude über den juristischen Erfolg durch den Tod der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr und das fatale Versagen der österreichischen Behörden. Vor genau einer Woche war Kellermayr leblos in ihren Praxisräumen aufgefunden worden; der vorläufige Obduktionsbericht schließt eine Gewalttat aus. Querdenker:innen und rechte Verschwörungsgläubige hatten die Ärztin gezielt attackiert – mit dem Ziel, sie mundtot zu machen oder gar zu vernichten.

Es ist zu hoffen, dass der Tod Kellermayrs endlich zu einem Umdenken führt und Sicherheitsbehörden Betroffene von Drohungen und Hass ernst nehmen, wie Esther Menhard schreibt. Denn der Fall offenbart ein gleich mehrfaches polizeiliches Scheitern – während das Querdenker:innen-Milieu hämisch seine Hetze fortsetzt.

Das aber zeigt: Der Kampf für einen digitalen und analogen Raum, in dem wir ohne Angst politisch und gesellschaftlich Stellung beziehen können, braucht einen langen Atem und einen kühlen Kopf. Beides ist bei netzpolitik.org – so viel kann ich nach meiner ersten Woche bereits sagen – vorhanden, auch und gerade in hitzigen Zeiten.

In diesem Sinne wünsche ich Euch ein erholsames Wochenende.
Daniel


Verfahren eingestelltHamburger Staatsanwaltschaft erklärt #Pimmelgate-Affäre für beendet

Dass die Hamburger Polizei die Wohnung eines Twitter-Nutzers wegen einer Beleidigung des Hamburger Innensenators Andy Grote durchsuchte, sorgte 2021 für einigen Wirbel. Jetzt wird bekannt, dass das Verfahren schon seit Monaten eingestellt ist. Doch das Hamburger Modell macht inzwischen Schule.

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Nach Microtargeting-SkandalNeue Werberichtlinien halten nicht, was sie versprechen

Das Klimaschutzministerium Rheinland-Pfalz stand wegen mutmaßlich verfassungswidriger Werbung auf Facebook in der Kritik. Ein Rechtsgutachten und neue Social-Media-Richtlinien sollen helfen. Doch die tiefgreifenden Probleme des politischen Microtargetings werden gar nicht erst angegangen.

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Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

Eine Ergänzung

  1. Sehr geehrte Frau Biselli, sehr geehrter Herr Leisegang,
    Glückwunsch zu Ihrer neuen Aufgabe und Ihnen und uns viel Erfolg bei der Aufbereitung und kritischen Würdigung digitalpolitischer Themen.
    Ich sage Ihnen aber auch ganz ehrlich, dass ich vom aktuellen Newsletter enttäuscht bin. Ich war vor einigen Wochen bereits einmal kurz davor, den Newsletter zu kündigen, stellte dann aber sehr erfreut fest, dass sich die Berichterstattung in wohltuender Weise wieder mehr an Ausgewogenheit und Sachlichkeit orientierte. Ich stelle nun fest, dass wieder in kaum einem Beitrag unterlassen wird, auf staatlichen Behörden, vor allem dem Verfassungsschutz und der Polizei in geradezu überschäumender Weise „herumzuhacken“. Gerade diese Einrichtungen müssen es NATÜRLICH aufgrund ihrer erlaubten Eingriffe in persönliche Rechte und Freiheiten aushalten, dass sie sehr genau beobachtet und etwaiges Fehlverhalten offengelegt wird.
    Aber, wen interessiert denn noch der schon längst nicht mehr im Amt befindliche frühere Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz? Der Mann wurde entlassen, weil er nicht mehr tragbar war – warum dieses Nachtreten? Auf linksunten.indymedia habe ich schon Aufforderungen zu „Hausbesuchen“ bei einer sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten gefunden – die Schwelle zur Aufforderung zu Straftaten ist da schon etwas nahe. Ebenso grenzwertig sehe ich Ihr Bild, auf dem das Behördenschild des BKA mit Farbe besprüht wird.
    Und vor allem: was hat das bitte schön mit verantwortungsvoller Digitalpolitik zu tun?
    Ich werde Ihre Berichterstattung noch einige Wochen beobachten. Falls sich Ihr Stil der Berichterstattung nicht ändert, hat Ihr bislang von mir sehr geschätzte Newsletter leider seinen Nutzen verloren.
    MIt freundlichen Grüßen

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.