Viele Gruppierungen nutzen Twitter, um sich zu organisieren und zu mobilisieren – in Deutschland beispielsweise Klima- oder Miet-Aktivist:innen. Russland ist aktivistische Mobilisierung offenbar ein Dorn im Auge, die Regierung hat Twitter deshalb schon länger im Visier. Das Unternehmen käme Sperr-Anfragen der Medien- und Kommunikationsaufsichtsbehörde Roskomnadzor nicht nach. Es geht unter anderem um Inhalte, die angeblich Minderjährige anstiften würden, an verbotenen Demonstrationen teilzunehmen. Sie stehen im Zusammenhang mit den Nawalny-Protesten. Seit März hat die Behörde deshalb das soziale Netzwerk gedrosselt. Ein Moskauer Gericht hat Twitter jetzt zu einer Geldstrafe verurteilt. Sollte das Unternehmen die Inhalte nicht „in Übereinstimmung mit russischem Gesetz“ bringen, droht Roskomnadzor dem Netzwerk mit einer kompletten Sperre.
Analysen von Sozialen Netzwerken wie Twitter können nicht nur in der Terrorismusbekämpfung, sondern auch zur Unterdrückung von Aktivist*innen und Journalist*innen eingesetzt werden. Wie die EU-Kommission bestätigte, führt eine EU-Agentur für Polizeifortbildungen Schulungen zu Open Source Intelligence und digitaler Forensik für Sicherheitskräfte und Polizist*innen in Marokko, Algerien, Tunesien, Libanon und Jordanien durch. Menschenrechts-NGOs berichten immer wieder von Menschenrechtsverletzungen in den entsprechenden Regionen. Hundertprozentig sicherzustellen, dass das Know-How zu digitalen Überwachungstechniken nur für eine „menschenrechtsbasierte Strafverfolgung“ eingesetzt wird, dürfte ziemlich schwierig werden.
Vielleicht merkt’s ja keiner
Großbritannien ist aus der EU ausgetreten. An den Treffen der „G6“, in denen die Innenminister der einwohnerstärksten EU-Länder sich für „informelle Vernetzung“ treffen, nimmt Großbritannien trotzdem weiterhin teil. In seinem Beitrag verdeutlicht Matthias Monroy, wie die G6-Treffen in der Vergangenheit EU-Entscheidungsprozesse beeinflusst haben. Bei den Treffen würden vermehrt Themen wie die Datenweitergabe zwischen Staaten, der Austausch „elektronischer Beweismittel“ oder die Entschlüsselung sicherer Kommunikation besprochen. Letzteres könnte zu neuen Maßnahmen auf EU-Ebene führen, die offiziellen Gespräche finden Mitte des Monats statt. Großbritannien könnte dadurch weiter Einfluss auf EU-Politik ausüben.
Nicht nur Staaten haben ein Interesse an der Überwachung von Smartphone-Aktivitäten, auch Google hat Millionen Android-Nutzende womöglich illegal getrackt. Wie Vincent Först berichtet, gehen Max Schrems und seine Datenschutz-NGO noyb mit einer Beschwerde vor einem französischen Gericht dagegen vor.
Gesundheitsdaten sind aktuell besonders gefährdet
Auch wenn es schön wäre, eine Woche mal nicht an Corona zu denken, ist es natürlich auch diese Woche Thema. Egal ob bei der Check-In-App Luca oder den Daten aus Testzentren, es kommt immer wieder zu Sicherheitsproblemen und auch die Berliner Datenschutzbehörde hatte letztes Jahr besonders viele Anfragen zu ‚Corona-Daten‘ – aber eins nach dem anderen:
Wie Jana Ballweber berichtet, gab es erneut eine Sicherheitslücke in Testzentren. Tausende Testergebnisse und personenbezogene Daten waren nur mangelhaft geschützt im Netz einsehbar. Da die Pandemie uns noch eine Weile beschäftigen wird, wäre es wünschenswert, wann man sich so langsam auf den Datenschutz und die Datensicherheit in Testzentren verlassen könnte.
Den Jahresbericht der Berliner Datenschutzbehörde hat sich Tomas Rudl für uns angeguckt. Corona ist ein großes Thema, aber auch die Berliner Polizei lässt die Datenschutzbehörde nicht los. Seit einem Jahr wird sie hingehalten und kann nicht prüfen, ob es unberechtigte Datenabfragen gab. Auch das Berliner Abgeordnetenhaus kommt in Maja Smoltczyks Bericht nicht gut weg, da es EU-Vorgaben zum Datenschutz nur mangelhaft umgesetzt hätte.
Auf EU-Ebene setzen sich Datenschützer:innen gerade für die Datensicherheit des „digitalen grünen Zertifikats“ ein. Die EU möchte einen europaweit einheitlichen Nachweis für Impfung, Immunität und Tests per QR-Code schaffen. Das neue System dürfe laut der europäischen Datenschutzbehörde keine Super-Datenbank werden und am Ende der Pandemie müssten die Daten gelöscht werden.
Und sonst so?
Alex Fanta hat das neue Buch von Daniel Kehlmann rezensiert. In „Mein Algorithmus und ich“ beschreibt dieser seine Reise zu den Technologiegöttern, um die Zukunft der Menschheit zu suchen. Ethische Fragen stellte sich der Schriftsteller dabei offenbar nicht.
Netzpolitische Lesetipps geben dafür alle unsere Gäste in unserem Podcast und auch sonst gewährt er einen Einblick hinter die Kulissen. Alexander Fanta und Daniel Laufer erzählen, wie sie die Hintermänner eines rechten Desinformationsportals enttarnt haben. Sie haben aufgedeckt, dass die Londoner Briefkastenfirma hinter dem Portal auch für eine AfD-Landtagsfraktion arbeitet und erzählen, wieso nach ihrer Veröffentlichung der Mitarbeiter eines österreichischen Ministeriums freigestellt wurde.
Unsere Geschäftsführerin Stefanie Talaska sagt in dem Podcast etwas zu den Spendenentwicklungen. Passend dazu haben wir diese Woche unseren Transparenzbericht für Februar veröffentlicht. Stefanie hat dort aufbereitet, für was wir die Spenden ausgeben und wieviel wir benötigen – danke an dieser Stelle an alle, die uns unterstützen! Ansonsten treibt uns vor allem die Frage um: Was wollen wir sein und wo geht es hin? Am liebsten würden wir uns darüber persönlich austauschen, aber da macht die Pandemie uns einen Strich durch die Rechnung.
Aber keine Sorge, bis das wieder geht, werden wir der digitalen Möglichkeiten nicht müde. Das hat bisher ja ganz gut funktioniert!
In diesem Sinne ein schönes Wochenende!
Auch im Parlament bröselt es, und das nicht nur im Kopf!
Man wird der wirtschaftlichen Interessenkonflikte mittels bestehender Regeln offenbar nicht Herr – brauchen wir etwa eine unbedingte Ausgangssperre für Parlamentarier?