SPD, Grüne und FDP beginnen mit den Sondierungsgesprächen für eine mögliche Ampel-Koalition. Was die genauen Ziele der möglichen künftigen Regierungskoalition sein werden und ob die Parteien sich über Streitpunkte einig werden, ist jetzt noch nicht abzusehen. Doch einige zivilgesellschaftliche Organisationen haben bereits vorgelegt und geben Empfehlungen, wie eine fortschrittliche Digitalpolitik für die nächsten Jahre aussehen könnte.
Als „Formulierungshilfe für Digitales“ bezeichnet der Chaos Computer Club seine Empfehlungen an die künftigen Regierungsparteien. Es geht um Infrastruktur, IT-Sicherheit und Digitalkompetenz gleichermaßen. „Jegliche von der öffentlichen Hand finanzierte Software muss quelloffen sein und aktuellen Sicherheitsstandards genügen“, heißt eine der Forderungen des CCC. Das Urheberrecht sollte neu geordnet werden, damit Materialien für Bildung und Lehre risikofrei verwendet werden können, und Uploadfilter sollten abgeschafft werden.
Die Hacker-Vereinigung fordert einen Abschied von zahlreichen Überwachungsmaßnahmen, etwa biometrischer Überwachung im öffentlichen Raum und der Vorratsdatenspeicherung. Der Hackerparafgraf soll abgeschafft werden, um IT-Sicherheitsforschung nicht weiter zu kriminalisieren. Sicherheitslücken sollen staatliche Stellen konsequent melden und auch mithelfen, sie zu schließen.
Für eine „couragierte Digitalpolitik“ spricht sich der Verein Digitalcourage aus und hat 15 Prioritäten für eine neue Bundesregierung formuliert. Auch die Bürgerrechtsorganisation fordert eine Meldepflicht für Sicherheitslücken, will die Möglichkeit zum anonymen Reisen innerhalb Europas festschreiben und ein Moratorium für kommerzielle Überwachungstechnologien.
Forderungen und Visionen
Bereits vor der Wahl hatte sich ein Zusammenschluss von 15 Organisationen mit Visionen für eine lebenswerte digitale Welt im Jahr 2030 auseinandergesetzt. Sie beschreiben darin den aktuellen Zustand, eine bessere Version davon in einigen Jahren und die Schritte, die bis dahin zu gehen sind. Dazu gehören auch Ideen für eine feministische Digitalpolitik und barrierefreie Zugänge.
Ein weiteres neues Bündnis, „F5“ für Refresh, setzt sich für mehr Gemeinwohl in der Digitalisierung ein. Nicht Unternehmen, sondern Menschen sollen im Mittelpunkt der Digitalpolitik stehen. Dabei geht es ihnen um die Frage: „Wie können Offenheit und Transparenz, Teilhabe und Zugang konkret in politische Formen gegossen werden, um bessere Spielregeln für die digitale Welt zu schaffen?“
Welche Rolle die Digitalpolitik in den Sondierungsgesprächen spielen wird, lässt sich noch nicht absehen. „Beim Thema Digitalpolitik sind sich die Ampel-Parteien über das Ziel ziemlich einig, dass Deutschland seinen Rückstand möglichst bald aufholen muss“, schreibt das Handelsblatt. Auch wenn sich SPD, Grüne und FDP jeweils andere Wege zu diesem Ziel vorstellen, dürfte es daran wohl nicht scheitern: „Im Zweifel, das wissen die Verhandler, gilt beim digitalen Ausbau die Prämisse ‚mehr ist mehr‘, sodass sich die Parteien wohl recht zügig auf Kompromisse einigen könnten.“
Vielleicht bin ich da zu lange Beobachter in der „Digitalpolitik“, aber es war nie ein Problem Ideen zu formulieren.
Lösungsvorschläge sind da schon seltener.
Der CCC listet zB
„Eine mit Bundesmitteln finanzierte langjährige Anstrengung zur Abschaffung des digitalen Analphabetentums in Schulen und Universitäten, Behörden und Ämtern, unter Politikern und Richtern. Technikkompetenz ist vermittelbar und muss wieder sexy werden.“
Liest sich gut, aber was heisst das konkret? Digitale Alphabetisierungskurse für Politiker:innen und Richter:innen? Wer hält die? Mit welchem Lehrplan? Wann, wo? Wann gilt jemand als digital alphabetisiert? Kommt der Internetführerschein (mit Nachtfahrten fürs Darknet?)?
Und dann sehe ich zB bei Digital Courage ein anonymes, digitales Bargeld, das zugleich Geldwäsche verhindern soll. Guten Morgen; das ist die Quadratur des Kreises. Entweder anonym oder nachvollziehbar, wer das Geld vorher hatte. Beides gleichzeitig ist noch nicht erfunden.
Wenn man es ernst nimmt, ist es nicht so blöd. Das geht eben nicht in 1-2 Legislaturperioden, dafür muss gemeinsam erarbeitet werden, wie das gehen soll.
Wer weiß, wieviel Beratungsunternehmen dafür nehmen würden, sollte nicht leichtfertig nach der fertigen Lösung verlangen.
Was muss sich auf Gesetzesseite ändern? Was müssen wir dafür wissen? Sollten Betriebssystem- Hardware- und Softwaregrundlagen vielleicht doch auf Bundesebene gebündelt werden, so dass Dienstleister per Land oder sogar per Schule oder SOGAR beides „relativ leicht“ ein System daraus schnitzen können, und man dennoch von den Grundlagen der Bundesgeschichte profitiert? Oder gleich alles vom Bund? Oder alles vom Land, aber mit super Plan?
Das kann man im Grunde genommen ausrechenen, sogar unter Berücksichtigung derzeitiger Gesetze. Der Unwille zur Erforschung und Überprüfung ist nun mal ein grundlegendes Problem, dass es zu beheben gilt.
Hmm, selbst alt genug fürs Dasein als Erwachsener arbeite ich seit ein paar Jahren mit Menschen meiner Altersklasse (im Rentenalter), die oft völlig bar jeder Kenntnisse das Computern lernen möchten. Die haben oft zumindest 20 Jahre beruflich in die Tasten gehauen und in Bildschirme geguckt und dennoch keinen Schimmer wie so ein Teil funktioniert, bedient oder gar administriert wird. Es gab ja die Kurzwahl des Admins im Telefon.
Nach der Rente wurde irgendwann ein Rechner aus dem Laden geholt, die Einrichtung nach dem Kauf haben Kinder oder Enkel erledigt. Und das Ergebnis….? Na klar telefoniert die Kiste mit Redmond, ein M$-Konto ist eingerichtet und natürlich wird die so nützliche Klaut benutzt, das vorinstallierte Word 365 (TM) wird probiert und irgendwann auch brav bezahlt (es war ja so ähnlich schon bekannt). Mit anderen Worten, das vom CCC beklagte digitale Analphabetentum beschränkt sich nicht auf die genannten Berufsgruppen und Einrichtungen, wirkt sich dort aber eventuell gravierender auf den Rest der Gesellschaft aus.
Die Skepsis beider vorheriger Ergänzungsbeiträge ist m.E. berechtigt. Gedanken und Vorschläge gibt es viele, dem stehen aber mindestens so viele wirtschaftliche Interessen entgegen – ihr wisst schon, das neue Erdöl im Neuland. Außerdem, wer wenig weiß, murrt auch nicht über Tracking im Netz oder biometrische Überwachung im nicht immer nur öffentlichen Raum. Es fehlt einfach die Grundlage, sich über die Möglichkeiten und Auswirkungen Gedanken zu machen. Wer hat denn etwas zu verbergen?
Ehe ich es vergesse: Smartphones und Tablets mit ihrer ach so einfachen Bedienung haben die Leute träge gemacht. Neuerungen werden für selbstverständlich gehalten, die Bequemlichkeit hat nebenbei die Neugier getötet und auch bei jüngeren Generationen zumindest verkümmern lassen. Es gibt nur noch wenige Menschen, die Technik sexy finden oder sich gar über deren gesellschaftliche Auswirkungen Gedanken machen (wollen).
Selbst wenn wir jetzt mit digitaler Bildung loslegen würden, und das muss schon in der Grundschule anfangen, werden die Auswirkungen in frühstens einer Generation wirksam werden. Bis dahin sollte der Gesetzgeber schleunigst diejenigen schützen, die sich nicht selbst helfen können (oder dafür zu träge sind). Bei der Auslegung solcher Vorschriften wären wir dann aber wieder bei einigen der vom CCC genannten noch ahnungslosen Berufsgruppen.
Der Chaos Computer Club erwähnt in seinen Empfehlungen an die künftigen Regierungsparteien unter dem Stichwort ‚Nachhaltigkeitsinitiative‘:
Auszug:
‚Die Entschärfung der „Radio Equipment Directive“, um ein Upcycling funkender Geräte mittels Open-Source-Software zu ermöglichen.‘
Dazu wünsche ich mir eine allgemeinverständliche Erklärung mit konkreten Beispielen. Denn welcher Politker kann das verstehen, wenn ich als Technik-Interessierter nur eine Ahnung davon habe?
Aber hiermit möchte ich einen weitere Empfehlung an die Politiker formulieren:
Mein mein aktuelles Anliegen betrifft die direkte Handy zu Handy-Kommunikation. Wenn diese Kommunikation ermöglicht würde, könnte direkt Menschenleben gerettet werden.
Als konkretes Beispiel möchte ich die jüngsten Hochwasser-Katastrophenberichte im Juli 2021, insbesondere im Landkreis Ahrweiler, anführen. Denn im Notfall versagen die zentralen Sendemasten durch Stromausfall. Im Gegensatz dazu haben die meisten Handys noch Batteriekapazitäten über mehrere Tage zur Verfügung.
Es sollte also konzeptionell unbedingt sichergestellt werden, dass eine direkte Kommunikation von Handy zu Handy ermöglicht wird. Gerade die örtliche Nähe der Handys untereinander ist im Katastrophenfall von lebenswichtiger Bedeutung.
Beispiel:
‚Helft mir, ich befinde mich hier auf dem Balkon des Hauses sowieso und muss unbedingt hier weg, sonst gehe ich in den Fluten unter!‘
Also, bei jeder schweren Katastrophe ist ein Stromausfall wahrscheinlich und somit eine Smartphone-Nutzung für die nachbarschaftliche Direkthilfe evtl. überlebenswichtig!
Alle unsere Smartphones haben hardwaremäßig sehr gute Sender- und Empfangs-Einheiten eingebaut. Nur die Firmware für die Nutzung der Direkt-Kommunikation fehlt. Diese Möglichkeit sollte unbedingt unterstützt werden – Es kann lebensrettend sein.
Darüberhinaus ist natürlich eine Kommunikation ohne zentrale Zwischenstelle eine zutiefst demokratische Selbstverständlichkeit und eröffnet unzählige weitere Anwendungen.
Zudem finde ich, dass die momentan diskutierte Cell Broadcast-SMS eine gute Lösung ist und die obigen Forderungen ergänzt, aber nicht ersetzen kann.
Als Ergänzung zu meinem obigen Beitrag vom 19.10.2021 möchte ich noch über die geforderte direkte Handy zu Handy-Kommunikation hinausgehen:
Mit dem Software Defined Radio (SDR)-Konzept sind bei konsequenter Umsetzung doch wohl folgende Funktionen integrativ möglich:
– direkte Kommunikation von Smartphone zu Smartphone (wie oben erwähnt)
– WLAN-Funk beliebiger Art
– DECT-Telefone aller Art
– Bluetooth-Funk
– GPS-Empfänger
– DAB+
– DVB-T
– herkömmliche Analog-Empfänger/Sender
(z.B. UKW, Push to Talk, Amateurfunk usw.)
Dieses Integrations-Potential sollte auf Basis eines OpenSource-Smartphones realisiert werden. Dazu müssen die bisherigen proprietären Treiber durch OpenSource-Treiber ersetzt werden. Dies sollte von der Politik mit entsprechenden Förderungen unterstützt werden. Desweiteren sollte die Unterstützung auch auf offene Hardware-Konzepte erweitert werden.
Dies würde uns auch ein Stück weit aus der weltweiten IT-Abhängigkeits-Zwangslage befreien.
Explizit möchte ich hiermit die Vorschläge vom Chaos Computer Club als vorbildlich und richtungsweisend erwähnen, hier nochmal der Link:
https://www.ccc.de/de/updates/2021/ccc-formulierungshilfe-regierungsprogramm
Danke für diese gute Arbeit!
Die Politik wird sich niemals auf diese Wünsche einlassen, solange es nicht den wirtschaftlichen Interessen der Politiker dient.
Es wird auf ein Wettrüsten zwischen Bürgern und staatlichen Behörden hinauslaufen. Leider ist es so simpel.
Der Berufsgruppe der Politiker haben wir schlicht viel zu viel Macht gegeben, weil es so schön einfach war/ist ihr die Verantwortung zuzuschieben. Solange wir das nicht ändern, wird sich an der Situation niemals etwas ändern.