Digitale ZivilgesellschaftPositive Visionen statt Abwehrkämpfe

Wie soll unsere digitale Welt im Jahr 2030 aussehen? Mit dieser Frage haben sich 15 verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen beschäftigt. Ihre Visionen zeigen, wie es besser gehen kann: gerechter, barrierefrei und gemeinwohlorientiert – nicht nur im Netz.

Ein Baum durch eine Glaskugel betrachtet, die in einer Hand gehalten wird.
In welcher Welt wollen wir leben? – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Job Mario

In der digitalen Zivilgesellschaft geht es nicht nur um Abwehrkämpfe, sondern es gibt auch jede Menge Ideen für eine lebenswertere digitale Welt. 15 Organisationen, darunter die Free Software Foundation Europe, die Sozialhelden und Wikimedia Deutschland haben „Digital­visionen“ gesammelt. Sie analysieren nicht nur die aktuelle Situation, sondern beschreiben dann ihre Ideen für das Jahr 2030 und verknüpfen damit Aufforderungen an die politisch Verantwortlichen.

„Die Technologie ist da und bietet alle Möglichkeiten, um Digitalisierung barrierefrei zu gestalten. Man muss es nur machen!“, schreibt der Verein Sozialhelden. Er wünscht sich, dass Barrierefreiheit im Jahr 2030 selbstverständlich in der digitalen wie analogen Welt ist und alle „genauso einfach ein barrierefreies Bad wie ein Zimmer mit Meerblick online buchen“ können. Dafür brauche es nicht nur Gesetze, sondern jemand müsse ihre Umsetzung auch kontrollieren. Barrierefreiheit dürfe nicht mehr als Nischenthema betrachtet werden.

Der Arbeitskreis Zukunftsfähige Digitalität sorgt sich darum, dass digitale Infrastruktur aktuell „weder für die Menschen noch für die Umwelt nachhaltig“ ist. Dabei gehe es sowohl um den Energiebedarf von Rechenzentren wie die Produktion von Bauteilen. Ihre Vision: Rechenzentren, die vollständig mit erneuerbaren Energien versorgt werden, reparierbare und modulare Hardware sowie eine Förderung von zivilgesellschaftlichen Initiativen, die eine „nachhaltige und gemeinwohlorientierte Digitalisierung“ vorantreiben wollen. Gesetzlich brauche es für eine nachhaltige Digitalisierung etwa ein wirksames Lieferkettengesetz, ein Recht auf Reparatur sowie langfristige Fördermöglichkeiten.

Gemeinwohl und soziale Gerechtigkeit

Beim Thema Gemeinwohl kritisiert John Weitzmann von Wikimedia Deutschland, dass der „Dritte Sektor“ des Internets neben Konzern- und Überwachungsinteressen oft übersehen wird. Derjenige, der auf das Wohl aller ausgerichtet ist. Er wünscht sich das Netz als Ort für alle, der auf gemeinsamen Grundwerten aufgebaut ist. Möglichst viele Menschen sollen ihn mitgestalten. Dafür brauche es etwa Regeln für gemeinnützige Plattformen, einen wirksamen Grundrechteschutz im Netz und Anerkennung für Engagement im digitalen Raum.

Dass digitale Teilhabe nicht nur Privilegierten vorbehalten bleibt, wünscht sich Jeannette Gusko von future_s e. V. Für eine solche soziale Gerechtigkeit brauche es ganz unterschiedliche Voraussetzungen: vom niedrigschwelligen Zugang zu digitaler Infrastruktur über diskriminierungsfreie Werkzeuge in der Verwaltung bis hin zur Open-Source-Förderung. In ihrer Zukunftsvision hat eine Arbeitswoche nur noch maximal vier Tage: „So haben Menschen jeden Alters mehr Muße für Kreativität und Kultur, die sie auch für digitales Experimentieren, Hacken und digitalpolitisches Engagement nutzen.“

Die Visionen bearbeiten noch viele weitere Themen wie Feminismus, Bildung und Souveränität. Die Kampagne zeigt: digitale Zivilgesellschaftlich ist vielfältig, ihre Ideen sind es auch.

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