Netzpolitischer Wochenrückblick KW 30: Anonym ist nicht gleich Anonym

Eine Beraterfirma hat den Auftrag für die Berliner Digitalisierungsstrategie bekommen. Peter Steinmeier und Horst Seehofer wollen eine Europa-Cloud und Paypal bietet Spionageapps weiter eine Plattform. Immerhin bringt uns die New Yorker Polizei zum Schmunzeln. Die Themen der Woche im Überblick.

Zebra Herde
Auch in der Masse nicht anonym: Personen können auch in „anonymisierten“ Datensätzen identifiziert werden. CC-BY 2.0 Brian Snelson

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Bald ist es soweit: Am 13. September feiern wir in der Volksbühne Berlin mit unserer „Das ist Netzpolitik!“-Konferenz und einer anschließenden Party unseren 15. Geburtstag. Tickets gibt es im Vorverkauf. Wir haben einen Teil des Programms bereits veröffentlicht. Zu unseren Geburtstagsgästen gehören der ehemalige Innenminister Gerhard Baum, der Kanzleramtschef Helge Braun, die Klimaforscherin Maja Göpel, die Politikwissenschaftlerin Jeanette Hofmann und der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus unserem immer größer werdenden Programm.

Berliner Digitalisierungsstrategie: Wer darf wann mitreden?

Diese Woche wurden Vertragsdokumente zur Berliner Digitalisierungstrategie veröffentlicht. Die Berliner Senatsverwaltung hat die Beraterfirma Ernst & Young mit dem Strategieentstehungsprozess beauftragt. Aus dem Angebot geht hervor, dass die Berater:innen bisher besonders die Interessen der Wirtschaft im Blick haben. Bürger:innen, Wissenschaft und zivilgesellschaftliche Initiativen sollen auch ins Boot geholt werden – wie genau, das ist noch unklar.

„Anonymisierte Daten“ sind nicht anonym

„Kinder haben den größten digitalen Fußabdruck der Menschheitsgeschichte“, resümiert unsere Gastautorin Andreea Belu von European Digital Rights (EDRi). Nicht nur private Unternehmen, sondern auch staatliche Behörden schielen auf die Daten Minderjähriger. Auf deren Entwicklung hat das weitreichende Folgen.

Anonymisierte Daten sind nicht anonym. Eine Studie in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Nature“ belegt, was auch Datenschützer:innen schon lange beklagen: Auch Datensätze, von denen die Namen entfernt wurden, können durch kombinierte Attribute, wie Alter, Wohnort und Geschlecht, leicht wieder einer Person zugeordnet werden. „Solange Datensätze verarbeitet werden, die sich auf Einzelpersonen beziehen, kann keine Art der Anonymisierung mit vollständiger Sicherheit verhindern, dass Einzelpersonen reidentifiziert werden können.“, bekräftigt Datenschutzforscher Wolfie Christl.

Darf man die eigene Haustüre filmen? Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) hat diese Woche Leitlinien zur Videoüberwachung erarbeitet. Aus dem Papier geht hervor, unter welchen Umständen eine Videoüberwachung von Gebäuden oder öffentlichen Orten nach der Datenschutzgrundverordnung zulässig ist. Spoiler-Warnung: Hinweisschilder anzubringen ist nur der Anfang.

Tschüss kleineanfragen.de, du wirst uns fehlen! Parlamentarische Anfragen und die entsprechenden Antworten der Regierung haben uns informiert und unterhalten. Ende 2020 wird die Plattform, die die Dokumente nutzerfreundlich bereitstellte, abgeschaltet. Nun ist es Aufgabe der Parlamente eine Alternative auf die Beine zu stellen, kommentiert Anna Biselli.

Die EU-Kommission will Griechenland und Spanien verklagen

Bis Mai 2018 sollten alle EU-Mitgliedstaaten ihre Datenschutzgesetze bei der Strafverfolgungen an eine neue EU-Richtlinie anpassen. Griechenland und Spanien schieben das immer noch vor sich her. Die EU-Kommission fordert nun Konsequenzen vor dem Europäischen Gerichtshof.

Rechtliche Konsequenzen könnten auch bald den amerikanischen Tech-Giganten bevorstehen: Bisher hatten die US-Behörden sie noch größtenteils gewähren lassen, jetzt kündigte das US-Justizministerium an, gegen mögliche Kartellrechtverstöße der „marktführenden Online-Unternehmen“ zu ermitteln. Das Argument, dass sie ihre Produkte kostenlos anbieten, wird Facebook, Google und Amazon voraussichtlich nicht mehr schützen, die Kartellrechtler:innen sorgen sich mittlerweile um die Marktmacht der Unternehmen.

Europa-Cloud und Gesichtsbilder für die Polizei

Peter Steinmeier und Horst Seehofer wollen eine Europa-Cloud ins Leben rufen. Um die Daten vor dem amerikanischen Zugriff zu schützen, versteht sich. Zumindest aus Bürgersicht löst eine „Europa-Cloud“ aber keine Probleme. Fragwürdiger sind aber die „Hack-Back“-Pläne der Bundesregierung. Unser Gastautor Matthias Schulze analysiert die Unterschiede zwischen digitaler und nuklearer Abschreckung und plädiert dafür, vor allem defensiv vorzugehen.

Europol bekommt Zugriff auf das Schengener Informationssystem (SIS II). Die Polizeiagentur darf ab Ende des Jahres in der größten Fahndungsdatenbank der EU mitlesen und sie für eigene Zwecke und Massenanfragen benutzen – Fingerabdrücke und Gesichtsbilder inklusive. Zudem arbeitet die EU-Kommission am Projekt „Next Generation Prüm“. Die polizeiliche Abfrage und der Austausch von biometrischen Daten zwischen den nationalen Behörden soll deutlich vereinfacht werden. Ein gemeinsames System soll die Datenbanken der Mitgliedstaaten verbinden.

Dating und Stalking in Zeiten des Internets

Die Dating-App Tinder gibt Reisewarnungen an ihre queeren Nutzer:innen aus. Der sogenannten „Traveller Alert“ erscheint, sobald sich ein:e Nutzer:in in einem Land befindet, indem Homosexualität kriminalisiert wird. Die App reagiert damit auf Fälle aus Ägypten, in denen die Polizei die Nutzer:innen auf Tinder verfolgte.

Paypal wickelt weiter den Zahlungsverkehr von Stalkerware ab. Gerade noch hatte der Zahlungsdienst die Spionage-App HelloSpy gelöscht, da taucht die gleiche App mit neuem Firmennamen und Kontodaten wieder auf. Das ist nicht der einzige Weg, wie sich Stalkerware-Firmen um Paypal-Richtlinien und geltende Gesetze herum mogeln. Opfern der Stalker-Apps wird es nicht leicht gemacht, die Täter anzuzeigen.

Ähnlich schwer haben es Betroffene von sexualisierter Gewalt in England und Wales: Ein Bericht der Datenschutzorganisation Big Brother Watch problematisiert, wie die Polizei Betroffene zwingt, ihre Handys auslesen zu lassen.

Twitter und die Polizei

„Sei lustig, denn die Erwartungen an Dich sind gering“: Die New Yorker Polizei kennt alle Tricks, um auf Twitter gut herüberzukommen! Motherboard veröffentlichte Schulungsunterlagen mit denen Beamte in die polizeiliche Twitterstrategie eingeführt werden. Teil davon ist auch der Umgang mit „Twitter-Fails“: „Halte deinen privaten und deinen dienstlichen Account auseinander.“, heißt es zum Beispiel. Da könnte sich die Aachener Polizei auch eine Scheibe von abschneiden.

Podcast, Bits&Bäume und ein Let’s Play im Theater

Unser Wochenendtipp: Geht an einen See in der Nähe! Und falls ihr dabei eure mobilen Endgeräte mitnehmt, könnt ihr unsere neue Podcastfolge über diskriminierende Algorithmen anhören oder lesen, ob Let’s Plays auch auf einer Theaterbühne funktionieren.

Als Medienpartner der Konferenz Bits&Bäume veröffentlichen wir in den nächsten Wochen außerdem jeden Montag einen Beitrag aus dem Konferenzbuch „Was Bits und Bäume verbindet“(hier als PFD-Download). Los ging es diese Woche mit einem Beitrag von Lorenz Hilty über die bisher nicht wahr gewordene Hoffnung, mithilfe digitaler Technologien weniger Ressourcen zu verbrauchen.

Zum Abschluss noch etwas Kunst: Der Wirtschaftsverband Bitkom hat sich für die Sommerwochen offenbar eine besondere Challenge vorgenommen. Seit Ende Juni veröffentlicht die Lobby-Organisationen jeden Tag mindestens eine Pressemitteilung mit spannenden Titeln wie „Virtual Reality kommt in der Breite an“ oder „6 von 10 Autofahrer informieren sich online über Staus“. Wir haben uns den Spaß erlaubt, die Pressemitteilungen in eine Markov-Chain zu kippen, um so die ultimative digitale Sommerloch-PM zu kreieren: Die große Mehrheit der Streamer schaut regelmäßig Videos im Internet.

Wir wünschen ein kühles Wochenende!

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