Jahresrückblick 2019Das Jahr in Zahlen, Fragen und Bildern

Wir blicken auf ein ereignisreiches Jahr zurück und haben für Euch aufgeschrieben, welche Themen und Debatten am wichtigsten waren. Und vor welchen Herausforderungen wir als Redaktion standen und stehen. Dazu gibt es einen kleinen Ausblick auf 2020.

Anschnitt der Geburtstagstorte
Anschnitt der Geburtstagstorte CC-BY 4.0 Jason Krüger | für netzpolitik.org

In diesem Jahr ist viel passiert. Auch in der Netzpolitik und bei netzpolitik.org wurden in diesem Jahr Weichen gestellt. Hier geben wir euch einen Überblick über die Themen des Jahres, die Veränderungen und Erfolge von netzpolitik.org, unsere größten Herausforderungen und die Erwartungen für 2020.

Von Urheberrecht bis Klimaschutz: Die Themen des Jahres

Netzpolitische Debatten sind in diesem Jahr endgültig in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Das bedeutet für uns viel mehr Arbeit, aber es könnte auch schlimmer sein, denn immerhin werden wir auch häufiger gelesen und (an-)gehört. Neben einigen klassischen netzpolitischen Evergreens erlebten wir auch neue Debatten.

Die Urheberrechtsreform samt Uploadfiltern und Leistungsschutzrecht wurde gegen alle Kritik durchgepeitscht. Das führte aber immerhin zu den größten netzpolitischen Straßenprotesten mit fast 200.000 Teilnehmenden alleine in Deutschland.

Demo gegen Uploadfilter
Demonstration gegen Uploadfilter: „Wir sind keine Bots“ - CC-BY 2.0

Im Schatten der „Fridays for Future“-Bewegung gab es immer mehr Synergien zwischen Netzpolitik- und Nachhaltigkeitsdebatten. Deutschland sah das erste DSGVO-Bußgeld in Millionenhöhe. Und Rezo zeigte, dass man auch auf Youtube Regierungsparteien bloßstellen und die Plattform für politische Meinungsbildung nutzen kann.

Neue Überwachungsgesetze und kein Ende

Zeit und Platz reichen leider nicht, hier alle relevanten Debatten vorzustellen. Deshalb hier im Schnelldurchlauf weitere Themen und Fragen aus 2019:

Noch mehr Staatstrojaner, Doxxing von Politiker:innen, der gefährliche Kampf der EU gegen „Terrorpropaganda“, IT-Sicherheitsgesetz 2.0, immer mehr Polizeigesetze mit weiteren Überwachungsmaßnahmen, unkontrollierte Zugriff auf „Cloud“-Daten dank eEvidence-Verordnung und wo kommen plötzliche die ganzen Rechtsextremisten mit ihrem Hass und ihren Attentaten her? Welche völkerrechtlichen Folgen haben Hackback-Ideen? Brauchen wir 5G an jeder Milchkanne, damit Huawei alles abhören kann – und warum haben wir immer noch nicht flächendeckend Glasfaser und LTE? Wohin steuert die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen? Was will Altmaier in der Cloud und dürfen noch Zero-Rating-Angebote immer noch die Netzneutralität verletzen?

Reichen Ethik-Debatten gegen Risiken durch algorithmische Entscheidungssysteme aka „Künstliche Intelligenz“ oder sollte man hier besser gut regulieren? Brauchen wir strengere Regeln für Datennutzung (Datenethikkommission) und wann werden wir vor intransparenten Tracking geschützt (ePrivacy)? Wie können wir die Macht von marktdominanten Plattformen begrenzen (Bundeskartellamt vs. Facebook) und welche Art von politischer Werbung mittels Microtargeting halten wir als Gesellschaft für akzeptabel? Wie funktioniert die Datenschutzgrundverordnung in der Praxis und welche Weiterentwicklungen brauchen wir (ePrivacy und bessere Durchsetzung).

Fragen über Fragen, mit denen wir uns immer wieder auseinandersetzen und Perspektiven von digitalen Grundrechten in die netzpolitische Debatte bringen. Dies ist nur ein sehr kleiner Überblick über die 1.145 Artikel, die bisher in diesem Jahr auf netzpolitik.org erschienen sind. 30 Autor:innen mit Schreibzugang haben bisher 1.021.733 Wörter veröffentlicht, dabei waren auch rund 100 Gastbeiträge von weiteren Autor:innen.

Welche Texte Ihr am meisten geklickt habt, seht Ihr hier:

Die meistgeklickten Artikel 2019 auf netzpolitik.org
Die meistgeklickten Artikel des Jahres

Worauf wir stolz sind

Dieses Jahr haben wir unseren 15. Geburtstag mit tausend Besucher:innen in der Volksbühne in Berlin gefeiert. Viele Videos der Talks und Debatten sind weiterhin aktuell und verfügbar, viele der Themen haben wir zudem in kurzen Interviews aufbereitet.

Wir publizieren immer mehr unserer Artikel ebenfalls auf Englisch und haben nun auch eine eigene Startseite samt Feed dafür. Damit steigt auch unser Impact, wie man gerade aktuell an unserer Artikel-Serie zu den Moderationspraktiken bei TikTok sehen kann. Unsere Recherchen haben weltweite Aufmerksamkeit erzeugt und wir fordern damit ein global agierendes Unternehmen heraus, dass deswegen seine Geschäftspraktiken verändern muss.

Volksbühne von außen
“Fight for your digital rights“ gibt es auch im öffentlichen Raum! - CC-BY 4.0 Jason Krüger | für netzpolitik.org

Wir haben durch das Publizieren und Einordnung verschiedener Gesetzesentwürfe eine öffentliche Debatte ermöglicht. Ohne unsere Leaks, zum Beispiel des IT-Sicherheitsgesetzes 2.0 und des Verfassungsschutzreformgesetzes könnten wir immer noch nicht über die Pläne des Bundesinnenministeriums diskutieren, im Namen der Sicherheit neue Überwachungsmaßnahmen teilweise durch die Hintertür einführen zu wollen.

Wir haben das geheime Gutachten des Verfassungsschutzes veröffentlicht, was zumindest Teilen der AfD eine Verfassungsfeindlichkeit bescheinigt. In Berlin begleiten wir die Arbeit der Zivilgesellschaft für ein Transparenzgesetz.

Und: Wir haben schon über die Urheberrechtsreform berichtet, als sie noch uncool war. So konnten wir dazu beitragen, dass die Kritik von anderen Medien gehört wurde und mehr Menschen auf die Straße gegangen sind.

Neue Formate und neue Hoodies

Unser Netzpolitik-Podcast erstrahlte dieses Jahr in neuem Glanz. Er erscheint wieder häufiger und wir haben spannende Gäste und Themen anzubieten. Mit unserem neuen Format „Was vom Tage übrig blieb“ geben wir wochentäglich eine kleine Zusammenfassung, was woanders lesenswertes berichtet wurde. Vielleicht demnächst auch als täglichen Newsletter?

Auch neu: In unserem Onlineshop gibt es neben Tassen, T-Shirts und Co. endlich auch Hoodies!

Wir schreiben und recherchieren nicht nur. Wir sind auch Ansprechpartner:innen für zahlreiche andere Medien und mischen uns als eine Stimme für digitale Grundrechte für Euch auch in gesellschaftliche Debatten außerhalb des Netzes ein.

Eines von vielen Beispielen dafür: Unser freier Autor Leonhard Dobusch sitzt im ZDF-Fernsehrat und nutzt seine Kolumne „Neues aus dem Fernsehrat“ regelmäßig, um Öffentlichkeit für Debatten rund um die Zukunft des Öffentlich-Rechtlichen Systems zu schaffen. Damit wird er auch schon mal für renommierte Auszeichnungen nominiert. Und eben war die Tagesschau mit einem Kamerateam bei uns, um Markus Reuter zu unseren Recherchen zu TikTok zu interviewen.

Was waren unsere größten Herausforderungen?

In diesem Jahr sind wir wieder etwas gewachsen. Derzeit arbeiten 15 Personen auf 11,45 Vollzeitstellen für uns. Das bedeutet einen Anstieg von 1,3 Vollzeitstellen in 2019. Wir haben unsere Einheitsgehälter leicht nach oben angepasst und zahlen uns jetzt ein Gehalt im Rahmen von TVÖD12.1 (Leider weiterhin ohne Weihnachtsgeld). In unserem monatlichen Transparenzbericht geben wir über unsere Einnahmen und Ausgaben regelmäßig Auskunft. Wir haben mit unserem EU-Korrespondenten Alexander Fanta ein zweites Büro in Brüssel etabliert.

Und wir setzen uns mit anderen Medien, Stiftungen und Journalistenvereinigungen im Rahmen des Forum gemeinnütziger Journalismus dafür ein, dass es bessere Rahmenbedingungen für unser gemeinwohlorientiertes Finanzierungsmodell gibt. Denn als gemeinnütziger Verein sind wir möglicherweise auch von Rechtsunsicherheiten im Rahmen der derzeitigen Debatte über das Gemeinnützigkeitsrecht bedroht. Das wollen wir verändern.

Wir dürfen nicht mehr darüber sprechen.

Seit Ende des Jahres werden wir sowohl finanziell als auch rechtlich von einem Unternehmen der Überwachungsindustrie bedroht. Dieses hat gegen uns einen Maulkorb wegen unserer Berichterstattung durchgesetzt. Wir können derzeit leider keine Details nennen, wir wehren uns aber mit unseren Anwälten von JBB gegen eine Einstweilige Verfügung samt Maulkorb und versuchen das auch durchzufechten. Das kostet leider Geld, Nerven und Zeit gegen einen großen Gegner. Aber wir werden dadurch auch noch motivierter, über die Geschäfte, Praktiken und Produkte der Überwachungsindustrie zu berichten.

Was kommt als nächstes?

Ende des Jahres findet traditionell der Chaos Communication Congress in Leipzig statt, wo Teile der Redaktion zu finden sind. Dort gibt es auch einen netzpolitischen Jahresrückblick in Vortragsform.

Die aktuelle EU-Kommission beginnt kommendes Jahr richtig mit ihrer Arbeit. Wir gehen davon aus, dass die Diskussion rund um den Digital Services Act die größte netzpolitische Debatte der kommenden Jahre sein wird. Eine der großen Fragen wird sein, wie wir eine wirksame Regulierung für die markt-dominanten Plattformen hinbekommen, die Wettbewerb ermöglicht, Grundrechte wie die Meinungsfreiheit respektiert und vor allem nicht die vielen kleinen Plattformen gefährdet. Ein von uns geleaktes Arbeitspapier zeigt auf, wie darüber innerhalb der Kommission gedacht wird.

Das Urheberrecht wird an nationales Recht angepasst. Wir sind gespannt und skeptisch, ob es dabei gelingt, Uploadfilter zu verhindern. Aber wenigstens sollte ein besseres Zitatrecht mit einer Anpassung an legitime Alltagspraktiken dabei rauskommen, was in anderen Staaten auch möglich ist. 2020 evaluiert die EU zudem die Datenschutzgrundverordnung. Die Industrie drängt auf Verwässerung, Daten- und Verbraucherschützer:innen wollen Lücken schließen und beispielsweise Scoring zum Thema machen. Besonders verwegene Optimist:innen hoffen zudem, dass im kommenden Jahr die ePrivacy-Verordnung verabschiedet wird, weil Deutschland in der zweiten Jahreshälfte die Ratspräsidentschaft innehat.

Die Große Koalition befindet sich im Endspurt und traditionell hat das immer noch zu weiteren Überwachungsgesetzen geführt. Wir bleiben wachsam und aufmerksam. Vor allem werden netzpolitische Debatten noch relevanter und viele bemerken erst langsam, dass wir alle davon betroffen sind und sein werden.

Team-Foto netzpolitik.org
Fast das ganze Team von netzpolitik.org auf einem Foto - CC-BY 4.0 Jason Krüger | für netzpolitik.org

Zum Erreichen unseres Spendenziels fehlen uns aktuell noch 111.753 Euro. Damit wären wir für dieses Jahr ausfinanziert, aber vor allem helfen uns auch Daueraufträge, damit wir Ende des Jahres nicht immer noch etwas zittern müssen.

Wir sind motiviert, erfahren und gut aufgestellt. Mit Eurer finanziellen Unterstützung können wir noch viel mehr machen.

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Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

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