Alexa abhören oder nicht: Das schwache Dementi der Innenminister

Ein großer Erfolg sei ihre Konferenz dieser Woche gewesen, da sind sich die Innenminister von Bund und Ländern einig. Dass es neue Befugnisse zum Abhören und Auswerten digitaler Spuren von Alexa und Co. geben soll, dementieren sie. So ganz kann man ihnen das nicht glauben.

Männer in Anzügen: ein vertrautes Bild auf der Innenministerkonferenz (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Jorge Vasconez

Das Wetter bei der Innenministerkonferenz war herrlich, die Atmosphäre „unheimlich toll“. So beginnt Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote die Vorstellung der Ergebnisse des halbjährlich tagenden Gremiums. Doch es geht bei der Innenministerkonferenz (IMK) nicht um entspanntes Plaudern, es geht um Beschlüsse und Planungen, die eine Vorschau auf die Innenpolitik der nächsten Zeit geben.

Dabei stehen so unterschiedliche Themen wie Spielpläne für die Fußballbundesligen, Waffenverbotszonen, Probealarme für Warnsignale und den Abschiebestopp für syrische Geflüchtete auf der Tagesordnung. Dazu kommen Themen, die staatliche Befugnisse im Digitalen betreffen. Am prominentesten berichteten Medien im Vorfeld dieses Ministertreffens über mögliche Befugniserweiterungen, „digitale Spuren“ wie Aufzeichnungen von Alexa auszuwerten.

Was stimmt denn nun? Innenminister dementieren, neue Befugnisse für digitale Spuren zu wollen

Den Innenministern passten diese Berichte offensichtlich nicht. Es ginge nicht um neue Ermächtigungen, Spuren zu erheben, sagte Grote auf der Pressekonferenz am heutigen Freitag. Vielmehr sei über die „Erarbeitung von Handlungsempfehlungen für die Erkennung, Sicherung und Auswertung“ solcher Spuren geredet worden. Niedersachsens SPD-Innenminister Boris Pistorius stimmte Grote zu und beteuerte: „Weder Alexa noch Google Home sollten und dürfen abgehört werden.“

Was stimmt denn nun? Der Rechtswissenschaftler Matthias Bäcker sagte im Interview mit Zeit Online: „Die Behörden dürfen doch jetzt schon alles, ich sehe keinen akuten politischen Handlungsbedarf.“ Das heißt: Sie können im Verdachtsfall Gegenstände beschlagnahmen und auswerten.

Noch vor wenigen Tagen zitierte etwa der Bayerische Rundfunk einen Sprecher des Bundesinnenministeriums damit, dass man den Sicherheitsbehörden für eine effektive Kriminalitätsbekämpfung Zugang zu diesen Daten verschaffen wolle.

Bundesinnenminister Horst Seehofer stimmte nun in die Abwehr voriger Medienberichte ein. Man wolle keine Kinderzimmer überwachen und auch keine Journalisten. „Niemand hat einen Versuch über irgendwelche Umwege oder Tricks gemacht“, versprach der Minister. Noch in der vorigen Woche sorgte er für Aufregung mit dem Satz: „Man muss Gesetze kompliziert machen, dann fällt es nicht so auf.“

Was wirklich in den Beschlüssen steht, wird später veröffentlicht

Die Beschlüsse der IMK sind noch nicht öffentlich. Erst in einigen Tagen wird man nachvollziehen, was genau in den Texten steht, auf die sich die Minister geeinigt haben. Doch Seehofer deutet an, dass es eigentlich doch um neue Befugnisse geht, wenn auch auf einer anderen Ebene. Er plante schon vorher Neuerungen im Verfassungsschutzgesetz, dessen Entwurf wir veröffentlicht haben und wenig später auch im Entwurf für ein weiteres IT-Sicherheitsgesetz.

Die Wünsche des Innenministers sind dort klar sichtbar: Trojaner für den Bundesverfassungsschutz und den BND und zwar auch für Geräte im Internet der Dinge. Womit wir wieder bei Alexa wären. Der Gesetzentwurf befinde sich in der Ressortabstimmung des Bundes, so Seehofer. Aber bevor es eine neue Besetzung für das Amt der Justizministerin gebe, liege der Entwurf still.

Dabei geht es darum, Daten im Gerät abzufangen, bevor sie verschlüsselt übertragen werden können. Denn danach wird es schwierig für die Ermittler, wenn sie die Verschlüsselung nicht knacken können. Dazu passt ein anderer Wunsch Seehofers, Messenger und andere Dienste nach richterlicher Anordnung zur Entschlüsselung zu zwingen. Dem stellten sich zahlreiche Experten und Organisationen entgegen. Seehofers Pläne seien aber kein Thema gewesen, so Pistorius. Darüber werde in Berlin zu reden sein, über einige Punkte sei man „not amused“, sagte der SPD-Politiker.

Parallel gibt es übrigens in der EU Pläne, durch eine e-Evidence-Verordnung zu regeln, dass Anbieter und Netzbetreiber in den USA digitale, mutmaßliche Beweismittel wie Cloud-Daten herausgeben müssen. Also dort, wo die Unternehmen hinter Alexa, Google Home und Co. ihre Heimat haben.

5G und freiwillige Meldepflichten für Provider

Auch über den neuen Mobilfunkstandard 5G habe man bei der IMK geredet. Eine Frage dabei sei laut Seehofer: „Wie gehen wir mit Verschlüsselung um?“ Er behauptete, mit 5G werde Telefonüberwachung unmöglich, doch Sicherheitsbehörden dürften nicht „taubgestellt“ werden. Die Minister befürchten, standardmäßige Ende-zu-Ende-Verschlüsselung werde ein Mitlesen unmöglich machen und IMSI-Catcher könnten nicht mehr funktionieren.

Außerdem zu erwarten sind neue Regelungen für Provider, auf deren Servern sich sexualisierte Missbrauchsdarstellungen von Kindern befinden. Die Bundesregierung soll laut Seehofer ein Paket schnüren für eine zunächst freiwillige Meldepflicht für nationale Provider und eine zentrale Meldeplattform beim BKA. Er verglich die Lösung mit der in den USA, wo automatische Filter eingesetzt werden, mit den bekannten Problemen fälschlich als illegal identifizierter Inhalte.

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