„Fatale Konsequenzen“: Warnung vor Seehofers Plänen für Zwangsentschlüsselung

Über hundert Personen und Organisationen warnen vor Forderungen von Innenminister Horst Seehofer. Laut dem sollen Anbieter von Messengern die verschlüsselte Kommunikation ihrer Nutzer auf richterliche Anordnung offenlegen müssen. Das hätte fatale Folgen für die IT-Sicherheit und Deutschland selbst.

Kommunikation soll verschlüsselt bleiben. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com marcos mayer

Die Pläne des Bundesinnenministeriums, Messenger-Dienste zur Offenlegung ihrer Kommunikation zu zwingen, hätten „fatale Konsequenzen“, so ein offener Brief von Wissenschaftlern, Wirtschaftsvertretern, zivilgesellschaftlichen Initiativen und Verbänden. Nach dem Vorschlag des Innenministers Seehofer sollen Messenger-Dienste auf richterliche Anordnung hin Chats unverschlüsselt an Ermittlungsbehörden weitergeben müssen.

Der Einbau einer Sollbruchstelle würde notwendigerweise zu weniger IT-Sicherheit führen, so die Antwort auf Seehofers Pläne. Nutzer würden das Vertrauen in Updateverfahren verlieren, wenn ihnen so Überwachung untergejubelt würde. Das alles würde ausländischen Geheimdiensten und Kriminellen in die Hände spielen.

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Auch Behörden und Industrie würden durch das Fehlen von wirklich sicheren Messengern betroffen, so die Autoren. Der Ruf Deutschlands als Industriestandort würde massiv beeinträchtigt werden. Ein Beispiel seien IT-Firmen, die im Verschlüsselungsbereich tätig sind: „Die Vertrauenswürdigkeit dieser Unternehmen im Speziellen würde durch das geplante Vorhaben massiv gefährdet.“

Alle nicht zentralisierten Kommunikationsmedien, bei denen Schnittstellen gar nicht flächendeckend implementiert werden können, müssten zur Umsetzung des Entwurfs notwendigerweise verboten werden. Das könnte etwa Maßnahmen zur Mailverschlüsselung betreffen. Auch sei eine Umsetzung für quelloffene Anbieter wie Signal praktisch unmöglich.

„Die strategischen Interessen wie die Stabilität des IT-Sektors und des IT-Ökosystems wiegen hier schwerer als die taktischen Interessen der Strafverfolger“

Es sei nicht belegt, dass Ermittlungen durch die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Kommunikation unmöglich gemacht werden. In den letzten zwanzig Jahren hätte sich die deutsche Regierung an den Grundsatz gehalten, Verschlüsselung nicht zu schwächen.

Eine Abwendung davon würde internationale Folgen haben, so die Unterzeichnenden des offenen Briefs. So sei davon auszugehen, dass autoritäre Staaten dem Beispiel Deutschlands folgen würden. „Mit einer bewussten Schwächung von sicheren Messengern würde Deutschland seine außenpolitische Glaubwürdigkeit als Verfechter eines freien und offenen Internets auf Spiel setzen“, warnen die Verfasser.

Ein ähnlicher Plan des britischen Geheimdiensts GHCQ war letzte Woche bereits international stark kritisiert worden. Der Geheimdienst schlug vor, Strafverfolger heimlich zu Gruppen-Chats oder -Anrufen hinzuzufügen, damit sie verschlüsselte Kommunikation mitlesen können.

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5 Ergänzungen

  1. Eine solche Gesetzgebung würde quasi eine Massenzensur notwendig machen. Denn dann müssten Ausländische Messenger und Kommunikationsplattformen gesperrt werden. Genauso wie dezentrale Messenger die auf Blockchain aufbauen, zudem noch das TOR Netz denn es gibt ja auch messenger welche dieses verwenden. Zudem müssten entsprechende APPs in den APPstores zensiert werden.

    Dies liese sich nur mit massiver Deep Packet Inspection und Sperrungen auf IP Ebene umsetzen um zu verhindern das Nutzer auf andere Dienste wechseln können. Zudem mit einer Sperrung von VPN Diensten.

    Dann hätten wir eigentlich eine „Great Firewall“ wie in China mit einem vollständig und allumfassenden automatisch agierenden Zensursystem. Aber das ist es ja anscheinend was sich die CDU so für unser aller Zukunft wünscht, ein System totaler Unfreiheit.

    1. Ich habe damit gar kein Problem. Schließlich habe ich rein gar nichts zu verbergen da ich niemals etwas illegales im Internet tun würde.

      Daher kann die Polizei meine Chats gerne zentral speichern und auswerten. Wenn es dabei Hilft den Drogenkonsum zu verfolgen oder Extremismus einzuschränken dann habe ich damit kein Problem. Zumal ja über WhatsApp und co auch jede Menge Fake News verbreitet werden. Solange das alles verschlüsselt abläuft, also ein rechtsfreier Raum ist kann man dagegen wenig machen.

      Es spricht nichts dagegen auch Uploadfilter zu verwenden um Fake News in Chats zu regulieren. Bzw. deren Verbreiter identifizieren zu können. Denn auch im Internet müssen Regeln gelten und nicht kriminelle Anarchie wie sich das die Piratenpartei wünscht.

      Deshalb gehört meine Stimme bei der nächsten Bundestagswahl wieder der CDU

  2. Ob die sich das wirklich richtig überlegt haben? Die Schwachstellen können auch gegen die Ermittler und Behörden ausgenutzt werden.

    Im Eigentore schiessen sind die sehr gut.

    1. Für Behörden wird sichere Ende zu Ende verschlüsselung sicher weiterhin erlaubt sein. Nur Normalbürger würden sich dann halt strafbar machen wenn Sie diese benutzen. Ich vermute das es darauf hinaus laufen wird.

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