Neuer Verfassungsschutz-Chef will mehr Überwachung in sozialen Medien

Er ist jetzt der Chef. Das machte Thomas Haldenweg, der neue Verfassungsschutz-Präsident, in einer öffentlichen Anhörung im Bundestag klar. Er sprach viel über Rechtsextremismus und forderte mehr Überwachungskapazitäten für soziale Medien. Er bezeichnete sie auch als „Brandbeschleuniger für physische Gewalt“.

Verfassungsschutz-Präsident Haldenwang bei seiner ersten öffentlichen Anhörung im Bundestag Screenshot: bundestag.de

Erst einen Tag ist der neue Verfassungsschutz-Chef im Amt, da muss er schon vor dem Bundestag auftreten: Thomas Haldenwang, Nachfolger von Hans-Georg Maaßen, nahm an der zweiten öffentlichen Anhörung der deutschen Geheimdienstpräsidenten vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) teil. Und Haldenwang startet selbstbewusst ins Amt: „Jetzt bin ich der Präsident, jetzt setze ich die Akzente.“

Doch was sind diese Akzente? In seinem Eingangsstatement betonte Haldenwang in auffälligem Umfang rechtsextremistische Bedrohungen, während er islamistischen Bedrohungen nur einen Absatz widmete – auch wenn er sie immer noch als größte Gefahr für die Sicherheit bezeichnete. Mehr als jeder zweite der 24.000 vom Verfassungsschutz vermuteten Rechtsextremisten sei gewaltbereit, so Haldenwang. Er nannte zahlreiche Beispiele: Oldschool Society, Gruppe Freital, Freie Kameradschaft Dresden. Und schob hinterher: Noch in diesem Jahr wolle der Bundesverfassungsschutz zusammen mit den Landesämtern entscheiden, wie man mit der AfD umgehen wolle.

Das Thema Hack-Back ist „nachrangig“

Auch zum Thema Hack-Back äußerte sich Haldenwang wesentlich zurückhaltender als sein Vorgänger Maaßen: Das Thema sei für ihn „nachrangig“, sagte er. Hack-Backs gingen derzeit über die Zuständigkeit des BfV hinaus. Zunächst müsse die Bundesregierung eine Position finden. Maaßen forderte in der letzten öffentlichen PKGr-Anhörung noch explizit eine Kompetenzerweiterung, um beispielsweise auf ausländische Server zugreifen und dort Daten löschen zu können.

Derzeit diskutiert die Bundesregierung das Thema intensiv und setzt sich mit möglichen Gesetzesänderungen auseinander. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages geht davon aus, dass Hack-Backs im Ausland nur mit einer Grundgesetz-Änderung verfassungsgemäß sein können.

Soziale Medien sind „Aufputschmittel als auch Tatort“

Ein akuteres Anliegen als Hack-Backs sind für Haldenwang offenbar die Analyse sozialer Netzwerke. Am Fall der Ausschreitungen in Chemnitz habe man gesehen, dass Aufrufe zu Demonstrationen und Aktionen innerhalb von kurzer Zeit Menschenmengen mobilisieren können. Geschehe die Kommunikation in offenen Gruppen, könne der Verfassungsschutz das „mitplotten“. Aber beispielsweise Hooligans hätten in geschlossenen Gruppen kommuniziert und trotzdem Tausende Personen auf die Straße bringen können. Soziale Medien seien „Aufputschmittel“ und „Tatort“ zugleich und könnten „Brandbeschleuniger für physische Gewalt“ sein.

Wie genau ein Social-Media-Monitoring aus nicht-öffentlichen Quellen aussehen könnte, führte der Verfassungsschutz-Chef nicht aus. Schon 2014 begann der Verfassungsschutz seine Überwachungskapazitäten in sozialen Medien auszubauen – mit der „Erweiterten Fachunterstützung Internet“. Damals sahen die Pläne vor, Einzelpersonen und ihre Beziehungsnetzwerke analysieren zu können und das BfV bestritt, dadurch eine Massendatenauswertung durchzuführen. Bei der Beobachtung ganzer Zusammenhänge und Tendenzen dürfte die Behauptung, gezielte Einzelpersonen zu überwachen, nicht mehr zu vermitteln sein.

Wenig Neues bei BND und MAD

In einer dreistündigen Fragerunde konnten die Mitglieder des Parlamentarisches Kontrollgremiums (PKGr) neben Haldenwang auch BND-Präsidenten Bruno Kahl und Christof Gramm befragen, der den Militärischen Abschirmdienst leitet. Kahl berichtete über die Auswirkungen des reformierten BND-Gesetzes auf die Arbeit des Auslandsgeheimdienstes und schwärmte von den positiven Auswirkungen: „Wir haben unsere Lektion gelernt.“ Es etabliere sich eine neue Fehlerkultur im BND und er fühle einen „neuen Geist“: „Weg vom ’need to know‘, hin zum ‚Need to share‘.“ Auch der Umzug nach Berlin und die Zentralisierung großer Teile der Behörde und „eine Art Spirit von Berlin“ würden dazu beitragen.

Die öffentliche Befragung der Geheimdienst-Chefs findet erst zum zweiten Mal statt. Sie wurde mit der PKGr-Gesetzreform 2016 eingeführt und soll jedes Jahr stattfinden. Denn eigentlich tagt das PKGr ausschließlich geheim – oder wie der Ausschussvorsitzende Schuster zu Beginn der Sitzung sagte: „Wir sitzen sonst im Kellergeschoss des Reichstags hinter Stahltüren.“ Geheimnisse darf in der öffentlichen Anhörung niemand erwarten. Als geheim deklarierte Informationen bleiben geheim, der Erkenntnisgewinn ist begrenzt. Vielmehr ist es eine Gelegenheit für die Geheimdienste, sich zu präsentieren und Wünsche zu äußern. Oder wie der Ausschussvorsitzende Schuster es nannte: Sie zu „entmystifizieren“.

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14 Ergänzungen

  1. Danke für den Artikel Anna.
    Aber eine Sache:

    In der Zusammenfassung unter der Überschrift steht:
    Er bezeichnete sie auch als „Brandbeschleuniger für physische Gewalt“.

    Weiter unten dann:
    Soziale Medien seien „Aufputschmittel“ und „Tatort“ zugleich und könnten „Brandbeschleuniger für physische Gewalt“ sein.

    Was denn nun?
    Hat er gesagt es ist so, oder es könnte so sein?
    =-)

    1. Das ist wie mit Trump und der „Karawane“:
      Reporter: „Do you have prove that those people come from the middle east?“
      Trump: „They could as well be….“

  2. Das Gedankengut führender Geheimdienst und Polizeiorgane zielt mal höflich gesagt darauf hin Die Gewalt des Staates weiter auszubauen ,wie kann ich es denn verstehen das man in eine Demo mit hineingezogen wird und durch Polizei gleich als Staatsgegner verhaftet wird siehe Amtschef Jobcenter Wuppertal im Fernsehen.
    Im Gegenzug dazu werden solche wie Amri und seine Sinnesmitarbeiter unzureichend überwacht oder nur bis 17 Uhr von VS überwacht werden.
    Gleichzeitig kommt die Frage auf ,ob man nicht dies bewußt in Kauf genommen hat mit dem Ziel nicht nur Terroristen sondern ALLE unzufriedene Bürger a la USA Patriot Act einzubeziehen.
    Vorsicht beim Abbau der Inhalte des GG.

    1. So wie der Mensch in der Industrie für die aktuell dem Roboter noch zu komplizierten Fertigungschritte zuständig ist, will auch der Verfassungschef am Band der Nachrichtenkontrolle eingesetzt werden.

      Jetzt wird das Band eingerichtet. Und unsere doch so tolle Demokratie hat dann rein zufällig keine „Querulanten“ mehr.

      Wem nützt es. Betrachte mal einige Nachrichten aus diesem Blickwinkel.

      Andere Anregung: Wer bezahlt wovon die Güter aus vollautomatisierten Fabriken? Bisher hatten die Arbeiter mit ihrem Lohn das Geld herausgetragen, was die Bedürfnisse/Abnahme sicherte.

  3. Letztlich erkennen einige „Parteien“, dass sie Auslaufmodelle sind. Ob sie ihre Ziele rechts, links oder islamistisch suchen ist dabei unerheblich, sie haben die deutsche Politik, nach innen, wie nach außen total vergeigt. Deutschland wurde von Macrone richtig als Vasall der USA gekennzeichnet, darüber konnten Frau Kanzlerins Sprüche zur gemeinsamen europäischen Armee bzw. NATO nicht hinwegtäuschen. Entweder wir wollen einen Eurostaat, oder wir lassen den Euro wie eine zu heiße Kartoffel fallen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hätte ruhig mal die Verfassung (das Grundgesetz) gegen die dreisten Angriffe der um ihre Macht zitternden „Parteien“ verteidigen können, ansonsten wäre so ein Amt überflüssig. Ob die nun auch noch in den (a)“sozialen Medien“ rummüllen oder nicht, ist ziemlich egal. Das Video aus Chemnitz vom @Zeckenbiss zeigte, wie eine unglaubliche Horde von drei „Rechten“, von denen einer Hasi hieß hinter zwei von Merkels Gästen herrannte. Hasi wurde sogar zurück gepfiffen. Wirklich brutalste Gewalt gegen ein paar Typen, denen jemand aus nicht bekannten Gründen hinterherrannte. Verglichen mit dem abgestochenen und zwei Schwerverletzten von denen, die schon „länger hier lebten“, doch recht bescheidene Beweise.

    Die Aufgabe eines Verfassungsschutzes wäre Schutz der Verfassung vor Politikern jeder Färbung. Man rekapituliere mal, wie und warum die Weimarer Republik unterging und der bescheuerte Adi die Welt zum zweiten Mal in Brand steckte, sowie welche Mittel er dabei anwadte. Ganz wichtig der Schutz des Grundgesetzes vor Änderungen durch die „Politik“. Quintessenz, Bundesamt für Verfassungsschutz wegen Nichterfüllung seiner Aufgaben komplett abschaffen. Nicht ein Amt als Gestapo next generation oder Stasi 2.0, die ersten waren übel genug.

    Dieses Back-Hacken ist natürlich kein Schwerpunkt, man kann einfach ein paar Honeypots anbieten, die präparierte Dokumente enthalten, die auf jedem fremden Server ihre volle Wirkung entfalten. Die Auswahl der Werkzeuge ist groß genug und wenn irgendwelche Täter gerne präparierte Dokumente klauen sei ihnen das gestattet. Mit den Folgen mögen sie dann leben. Einfach Festplatten zerstören wäre viel zu human, die Dinger sind spottbillig. Da würde meine bescheidene Phantasie deutlich größere Ziele anvisieren.

  4. Es ist schlicht die Angst und der Wille, Alle anders denkenden zu ächten und zu jagen. All das sind Symptome einer untergehenden Struktur, zu Recht wird sich der baldige Untergang der Knutentreiber in den Geschichtsbüchern einfinden. Geschichtlich gesehen, einmalig, wie ich finde. Selbst die DDR war noch demokratischer.

  5. Persönlich finde ich die Bezeichnung „Soziale _Medien_“ eher unglücklich gewählt. Anders als „richtige“ etablierte Informationsmedien wie Zeitungen (Printmedien) sowie Fernsehen und Radio (Rundfunk) und natürlich deren Onlineangebote sind Soziale Netzwerke, wie sie meiner Meinung nach besser heißen sollten, kaum als seriöse Quelle von Informationen zu gebrauchen. Sie dienen lediglich der Verbreitung von Informationen. Darüber hinaus natürlich auch zahlreiche Gerüchte und Falschinformationen.

    Man kann sich durchaus darüber streiten, aber mit dem Begriff „Medien“ würde ich Soziale Netzwerke nicht adeln bzw. aufwerten.

  6. Ich habe mir Teile davon in der Bundestags-Aufzeichnung angehört.
    Der Leiter der BAMAD wies wunderbar vernünftig klingend auf die vielen Kontroll-Instanzen bei uns hin. – Nur: …
    was kann die Datenschutzbeauftragte denn stoppen?
    was kann das neue unabhängige Kontrollgremium denn einsehen?
    was hat uns der Wehrbeauftragte denn geholfen?
    seit wann erfährt denn das PKGR oder die G10-Kommission rechtzeitig von Projekten (EIKONAL, GLOTAIC) – und selbst wenn: ändert das irgendetwas?
    was müssen deutsche Geheimdienste denn Prüfern zeigen
    (geschredderte Beweise, geschwärzte U.A.-Akten, für 120 Jahre gesperrte NSU-Unterlagen,
    Third-Party-Rule als Selektoren-Verweigerungsgrund) ?
    Und wer genau wird gestoppt von Karlsruhern Richtern, die den Verfassungs-verteidigenden Whistleblower nach Moskau verbannten, statt ihm als einstimmig bestimmten Hauptzeugen des von ihm begründeten Untersuchungsausschusses Zeugenschutz zuzugestehen?

    Litauen, EU-Mitglied, ist dieses Jahr vom europäischen Menschenrechtsgerichtshof verurteilt worden, weil es geheime Foltergefängnisse der CIA duldete. Geheime Foltergefängnisse. Was wäre denn noch schlimmer?
    Und dieses befremdliche Gremium da heute sorgte sich, ob die tiefe Bündniskraft zwischen BND, BAMAD, „B.f.V.“ zu US-amerikanischen Geheimdiensten noch perfekt genug sei.

    Drei distinguierte unauffällige Herren berichten sonderbaren Fragestellern, ob unsere Geheimdienste mit den Betreibern geheimer Foltergefängnisse noch gut genug befreundet sind, und ob sichergestellt ist, dass Prüfer scheinbar kontrollieren, dass mutige Insider schon in Vorinstanzen beim Melden gestoppt werden, um das Behörden-ruhige Bild nicht zu stören – alle wissen, das wir nie erfahren werden, was diese Geheimdienste wirklich tun. Im smart-grid-Zeitalter.
    In was für einer Welt lebe ich hier ?

    1. Dan Kaminsky@dakami
      17. Jan.

      I’m increasingly thinking that every functioning system has two forms: The abstraction that outsiders are led to believe, and the reality that insiders actually and carefully operate.

      You don’t incrementally learn a system. You eventually unlearn its necessary lies.

  7. Wenn die Überwachung auch nur einen Rechten davon abhält, seinen Meinung zu verbreiten, dann ist das ein Gewinn.

    1. @Tim
      Haldenwang war Maaßens Adlatus,rechte Hand,Unterstützungsgehilfe und kongenialer Vertreter bei allen Kapriolen Maaßens und deshalb die Ernennung durch Seehofer,damit Sie wissen, wohin die Reise erneut geht,der eingeschlagene Kurs wird beibehalten,das Schiff bekommt nur etwas neue Tünche.
      Business as usual.
      Eher fließt das Wasser den Fluss hinauf als das der BfV seine stramme, rechtslastige Gesinnung verliert.
      Stephan J. Kramer hätte ich mir gewünscht,aber wie das mit Wünschen so ist…,das kennen Sie sicherlich auch,

  8. Yo, surreale Organisationen wie der Verfassungsschutz erzählen Dir was von Sicherheit, für die man möglichst alles überwachen muss.
    Sie selbst natürlich über jeden Verdacht erhaben …….*LACH*, die meinen das tatsächlich ernst.
    Besteht noch Hoffnung, dass das mit solchen Leuten jemals besser wird?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.