Netzpolitischer Wochenrückblick KW 37 – Netzpolitik goes EU

Die netzpolitische Woche im Überblick: gute und schlechte Zeiten auf EU-Ebene, die Verfassungswidrigkeit der BND-Reform und Fortschritte beim modernen Datenschutz und der Gesichtserkennung.

Foto: Stier als Symbol Europas Martijn Barendse [CC BY-NC 2.0]

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Das ist Netzpolitik!

Für unsere „Das ist Netzpolitik!“-Konferenz am 7. Oktober in Berlin haben wir jetzt das fast finale Programm veröffentlicht. 32 Sprecherinnen und Sprecher werden über alle aktuellen Debatten sprechen, einen Überblick geben, was aktuell und zukünftig relevant ist und die dazu passenden Handlungsmöglichkeiten für politische Reformen aufzeigen. Tickets gibt es zu unterschiedlichen Preisen oder auch anonym vor Ort. Abends feiern wir dann unseren zwölften Geburtstag. Den Ort geben wir noch rechtzeitig bekannt.

Netzpolitik auf EU-Ebene

Netzpolitische Themen erlangen immer mehr Wichtigkeit auf europäischer Ebene. In seiner „State of The Union“-Rede forderte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, bis 2020 allen EU-Bürgern den Zugang zu kostenlosem Internet zu ermöglichen. Um im Kampf gegen Terrorismus die Sicherheit zu erhöhen, kündigte er die Zusammenarbeit mit den großen Internetplattformen zur Löschung von Propaganda des Islamischen Staates an.

Außerdem wurden auf einer Pressekonferenz zum Digitalen Binnenmarkt Vorschläge der EU-Kommission für eine Modernisierung des Urheberrechts und der Telekommunikationsmarktregeln vorgestellt. Ideen, wie die eines europäischen Leistungsschutzrechts oder die von Upload-Filtern für urheberrechtlich geschütztes Material kommen allerdings nicht wirklich gut an, wie die Reaktionen zeigen.

Während Deutschland beim Thema Breitbandausbau auf kurzfristige Ziele setzt, anstatt den Glasfaserausbau voranzutreiben, zeigt sich die EU vorausschauender und schafft Anreize zur Finanzierung von Glasfasernetzen.

Neben vielen Schritten in die richtige Richtung muss auch ein Rückschlag verzeichnet werden: in einer mit Spannung erwarteten Entscheidung befasste sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit der Störerhaftung. Das Ergebnis fiel jedoch enttäuschend aus. Die Bundesregierung hatte angekündigt, Rechtssicherheit für die Betreiber offener Netze zu schaffen und auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker forderte mehr offene WLANs. Der EuGH hingegen verhinderte mit dem Unterlassungsanspruch und der Abmahnindustrie die Verbreitung offener Netze.

Hier wird nicht gekumpelt!

Durch einen Fehler des Bundesjustizministeriums in der Bundespressekonferenz haben wir ein bis dahin nicht öffentliches Protokoll zum Landesverrat erhalten und dieses selbstverständlich veröffentlicht. Der Tagesspiegel warf uns daraufhin vor, Kumpanei mit dem Justizministerium zu betreiben. Die Vorwürfe haben wir natürlich zurückgewiesen.

Viel eher vermuten wir Kumpanei bei den im Geheimen besprochenen Freihandelsabkommen. Durch einen Leak von Wikileaks wissen wir zumindest etwas mehr über das Dienstleistungsabkommen TiSA. TiSA kann dazu führen, dass für den vermeintlich freien Handel Datenschutz und Netzneutralität geopfert werden.

BND-Reform ist verfassungswidrig

Über die geplante BND-Reform berichten wir seit einigen Wochen. Bevor sich der Innenausschuss demnächst mit dem Gesetzesvorhaben der Regierung befasst, hat ein Bündnis an Medienorganisationen die Änderungen kritisiert. Darunter neben den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF auch die großen Journalistenverbände. Zuvor hatten schon OSZE und Vereinte Nationen die Novelle bemängelt.

Unterstützung bekommen sie in ihrer Argumentation vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages. In einem Gutachten kommt er zu dem Schluss, dass der Gesetzesentwurf in Teilen gegen das Grundgesetz verstößt. Mit dem Gesetz versucht die Bundesregierung, die Massenüberwachung von Telekommunikation durch den BND zu legalisieren. Gegen die klagt jetzt mit dem Betreiber des Internetknotenpunkts DE-CIX erstmals ein betroffenes Unternehmen.

In kleinen Schritten zum modernen Datenschutz

Die Deutsche Telekom gestaltet als erstes deutsches Unternehmen ihre Datenschutzhinweise übersichtlicher und kommt damit Verbraucherschützern entgegen, die mehr Transparenz bei den Datenschutzrichtlinien von Unternehmen gefordert hatten. Laut dem Bundesjustizministerium sollen dem Beispiel bald weitere Firmen folgen.

Dass sich für modernen Datenschutz etwas ändern muss, haben neben der Deutschen Telekom auch die Sozialdemokraten bemerkt. Die SPD-Bundestagsfraktion ist der Auffassung, dass unter anderem datenschutzrechtliche Fragen in der digitalisierten Welt immer mehr an Bedeutung gewinnen. Aus diesem Grund möchte sie den Themenbereich Datenschutz dem Justizministerium übertragen und nicht wie momentan dem Innenministerium.

Gesichtserkennung hoch drei

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hält sein Vorhaben, per Videoüberwachung erfasste Gesichter automatisch mit Datenbanken abzugleichen, für rechtlich möglich. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages wirft jedoch Zweifel auf, da dort beschrieben wird, dass in dieser Frage Uneinigkeit in der Fachwelt herrscht und noch keine Rechtsprechung zum Thema existiert.

Welche Möglichkeiten sich ergeben, wenn Maschinen Bilddaten verarbeiten zeigen auch zwei weitere Beispiele: Anhand einer automatischen Analyse von Instagram-Fotos ist es Wissenschaftlern gelungen, Menschen mit Depressionen zu identifizieren. Die Forscher analysierten hierfür Farbwerte und Gesichtsausdrücke auf den Fotos.

Selbst aus verpixelten Fotos können Maschinen noch allerhand Daten auslesen, wie eine Studie der Universität Cornell deutlich macht. Für das menschliche Auge durch Verpixelung unkenntlich gemachte Bilder lassen sich mit Hilfe von künstlichen neuronalen Netzwerken trotzdem identifizieren.

Mehr Medien für alle!

Die ZDF-Mediathek bekommt ein breiteres Angebot und längere Abrufzeiten. Zumindest, wenn es nach Online-Chef Eckart Gaddum geht. Durch rechtliche Rahmenbedingungen sind öffentlich-rechtliche Sender deutlich eingeschränkter als beispielsweise Youtube und Netflix.

Je schneller der technische Fortschritt wird und je früher Kinder und Jugendliche mit neuen Medien in Berührung kommen, desto wichtiger wird Medienkompetenz. Unter dem Titel „Data Run“ bietet das Deutsche Technikmuseum eine interaktive Ausstellung für Schulklassen an. Beleuchtet werden dabei die Themen Datenschutz, Privatsphäre und Verschlüsselung. Per Tablet werden QR-Codes eingescannt und Multiple-Choice-Fragen beantwortet. Sind alle Rätsel gelöst, wird diskutiert und es werden Programme vorgestellt, um die Privatsphäre zu schützen.

Tipps fürs Wochenende

Zum Wochenende empfehlen wir euch die ZDF-Doku-Serie „Geheimnisse der digitalen Revolution“ und den Beitrag zu Hass auf Facebook von Frontal21. Außerdem erklärt „Die Anstalt“, warum die EU reformiert werden müsste.

Wer lieber etwas auf die Ohren will, dem sei der Podcast zur Informationsfreiheit, der Beitrag des WDR5 zum 35. Geburtstag des Chaos Computer Clubs oder der Podcast zur Geschichte der systematischen Überwachung empfohlen.

Und last but not least wird gegen die Handelsabkommen TTIP und CETA demonstriert. Für den 17. September ruft ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis zu Protesten in sieben deutschen Städten auf. Es werden zehntausende Menschen erwartet.

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