Netzpolitischer Wochenrückblick KW 21: BND-Interna, Anti-Terror-Maßnahmen und ahnungslose Ministerien

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In Bad Aibling hört der Bundesnachrichtendienst Satellitenverkehr ab und teilt Erkenntnisse daraus mit der NSA. Da sich die entsprechenden Satelliten im Weltall befinden, müsse man sich dabei nicht an deutsches Recht halten, argumentierte die Behörde 2013 kurz nach den Snowden-Enthüllungen. Zu Beginn der Woche berichteten wir unter Berufung auf interne Dokumente, wie sich der BND vor einer „kaum zu bestehenden intensiven öffentlichen Diskussion“ über seine waghalsige Weltraumtheorie fürchtete – zu Recht.

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Schon bevor der Spiegel über die massenhafte Weitergabe von Metadaten an die NSA berichtete, hatten BND-Verantwortliche damit begonnen, in einem Kurzgutachten die „Datenweitergabe-Theorie“ zu entwickeln. Darin argumentierte man folgendermaßen: „Die Erhebung findet […] an ausländischen Satelliten statt, also ebenfalls außerhalb des Geltungsbereichs des BNDG.“ Das Bundeskanzleramt entgegnete, dass die „Auswertung, Speicherung, Übermittlung im Sinne datenschutzrechtlicher Verarbeitung“ in Bad Aibling, also im Inland geschehe. Zudem sei die Auffassung, Metadaten seien keine personenbezogenen Daten, „rechtlich nicht vertretbar“.

Terrorismus-Richtlinie der EU: Netzsperren und mehr Überwachung befürchtet

Die geplante Terrorismus-Richtlinie der EU könnte das offene Internet nachhaltig gefährden. Ein Beitrag von European Digital Rights (EDRi) mahnt vor Einschränkungen wie Netzsperren und dem Ausbau von Überwachung. Richtlinien müssen von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden und geben somit Handlungsspielraum bei der inhaltlichen Ausrichtung. Willkürliche Maßnahmen, deren Nutzen und Rechtsmäßigkeit nicht eindeutig ist, könnten zukünftig unter Berufung auf die unklare EU-Richtlinie beschlossen werden.

Ausweitung der Befugnisse staatlicher Spähsoftware gefordert

Der Einsatz von Staatstrojanern ist rechtlich umstritten. Die Spähsoftware darf momentan auf Bundesebene ausschließlich zur Gefahrenabwehr und bei internationalem Terrorismus zum Einsatz kommen. Die Landes-Justizminister fordern nun eine Ausweitung der Befugnisse und wollen in ihrer Frühjahrskonferenz die „Schaffung einer rechtlichen Grundlage für die Quellen-TKÜ“ erreichen. Ziel ist es, den Einsatz von Staatstrojanern auch bei einfachen Straftaten zu legalisieren. In dem Beschlussvorschlag fordern die Landes-Minister unter anderem „erhebliche finanzielle Mittel“, um die Pläne zu verwirklichen.

Ahnungslosigkeit beim Verkehrsministerium

Intelligente Software und elektronische Assistenzsysteme gehören zunehmend zur Standardausstattung moderner Automobile und beeinflussen die Sicherheit im Straßenverkehr. Wir haben staatliche Behörden und Ministerien gefragt, inwiefern sich Unfallhäufigkeiten durch den Einsatz dieser Technologien verändert haben und ob sich die Sicherheitslage messbar verbessert hat. Auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes haben wir entsprechende Fragen unter anderem an mehrere Landespolizeien, Bundesbehörden und Landesministerien sowie das Bundesministerium für Verkehr gestellt. Die Antworten zeigten eine dürftige Informationslage bei den staatlichen Stellen auf.

Verkehrsminister Alexander Dobrindt forderte in einem Strategiepapier jüngst die Einrichtung einer Kommission, die „klare Leitlinien für Algorithmen entwickelt, welche die Fahrzeugreaktionen in Risikosituationen bestimmen“. Dass sein Ministerium allerdings keine Informationen zum jetzigen Stand beziehungsweise den Auswirkungen von Computersystemen in Fahrzeugen benennen konnte, lässt seinen Plan nicht sehr seriös erscheinen.

Bundesregierung will Zensur privatisieren

Laut dem geplanten Anti-Terror-Paket der Bundesregierung sollen Betreiber von Online-Plattformen zukünftig selbständig gegen „terroristische Propaganda“ vorgehen. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde zwar nicht beschlossen, in einem Maßnahmenkatalog heißt es allerdings: „Wir wollen eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen der Internetwirtschaft, zum selbstständigen und aktiven Vorgehen gegen terroristische Propaganda auf ihren Netzwerken.“ Der Staat zieht sich so aus der Affäre und lässt private Unternehmen bestimmen, wo legale Meinungsäußerung aufhört und terroristische Propaganda anfängt, anstatt selbst für eine entsprechende Rechtsgrundlage zu sorgen.

Der Verband der Internetwirtschaft eco hat die Pläne kritisiert. Man befürchtet, das Paket führe „die Verpflichtung einer Inhaltskontrolle für die Provider durch die Hintertür“ ein.

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