Länderstudien zu Überwachung: Uganda

Datenschutz wird durch vage Formulierungen und ganze Gesetze ausgehebelt | CC BY-NC-ND 2.0 by World Bank Photo Collection

Privacy International (PI) startete im März dieses Jahres die Basisstudie „State of Surveillance“, um weltweit Datenschutz- und Überwachungsthemen zu beleuchten. Zu 13 Ländern finden sich bereits Steckbriefe – sie sollen zwei Mal jährlich aktualisiert werden, weitere Länderstudien folgen. Die Länderprofile basieren auf einer Untersuchung folgender Felder: Kommunikationsstatistiken, Zivilgesellschaft, internationaler und nationaler Rechtsrahmen, Datenschutzmaßnahmen, wichtige staatliche und wirtschaftliche Akteure, vorhandene Überwachungstechnologien und bekannte Fälle von Überwachung.

Zum Start der Reihe veröffentlichte PI die Profile von Argentinien, Chile, Kolumbien, Ägypten, Indien, Indonesien, Kenia, Marokko, Pakistan, Philippinen, Thailand, Tunesien und Uganda. Da wir hier zuletzt über die Präsidentschaftswahlen in Uganda und die damit einhergehende Social-Media-Sperre berichtet haben, soll die ugandische Länderstudie, die PI gemeinsam mit Unwanted Witness erstellt hat, als erste betrachtet werden.

Widersprüchliche Überwachungsgesetze

Bei einer Einwohnerzahl von etwa 34 Millionen hatten im Juni 2014 in Uganda 19,5 Millionen Menschen einen Mobilfunkvertrag, 4,2 Millionen mobiles Internet und 106.900 Internet über einen Festznetzanschluss. Ungefähr 8,5 Millionen Internetnutzer_innen soll es in Uganda geben.

In der ugandischen Verfassung von 1995 wird in Artikel 27 explizit auf das Recht auf Privatsphäre und den Datenschutz verwiesen:

No person shall be subjected to interference with the privacy of that person’s home, correspondence, communication or other property.

Kommunikationsüberwachung findet dennoch statt, geregelt durch den Regulation of Interception of Communications Act (RICA) von 2010. Dieser schreibt fest, dass Nachrichtendienste wie auch die Polizei eine richterliche Genehmigung zur Telekommunikationsüberwachung benötigen. RICA ersetzt jedoch nicht den Anti-Terrorism Act von 2002, der Sicherheitsbehörden eine nahezu uneingeschränkte Überwachung ohne richterliche Genehmigung ermöglicht.

The powers of surveillance are broad. These include the interception of phone calls, emails or other communications, ‚electronic surveillance‘, as well as monitoring of meetings, or doing „any other thing reasonably necessary“ for the purpose of surveillance (Article 19(5)). The justifications of such surveillance are very broad, including safeguarding public interest, and protecting the national economy from terrorism (Article 19(4)).

Weder für RICA noch den Anti-Terrorism-Act besteht ein klarer Aufsichtsmechanismus. Der Computer Misuse Act von 2011 definiert einige Vergehen zur missbräulichen Verwendung von Computern, darunter die „unerlaubte Modifikation von Computer-Material“, unerlaubter Zugriff sowie Zugriff mit der Absicht, eine Straftat zu begehen oder eine solche zu erleichtern. Zum Datenschutz gibt es bisher kein Gesetz in Uganda, ein Entwurf von 2014 muss dem Parlament noch vorgelegt werden – an diesem wurden jedoch bereits allzu vage Formulierungen kritisiert, die die Sammlung persönlicher Daten rechtfertigen. Mit dem Regulation of Interception of Communications Act von 2010 werden Telekommunikationsanbieter verpflichtet, Kommunikations-Metadaten zu speichern und eine „rechtmäßige“ Überwachung zu ermöglichen, ohne dass die Zielperson diese bemerkt. Das Gesetz sieht zudem die Errichtung eines Überwachungszentrums vor, welche bisher aber noch nicht realisiert wurde. 2013 wurden allerdings Angebote eingeholt, unter anderem von Huawei und Gamma Group International – die israelische Firma NICE Systems soll den Auftrag letztendlich erlangt haben.

Fehlende Überwachungskompetenz…

Auch wenn die ugandische Regierung anderes behauptet, findet laut PI keine breite und automatisierte Überwachung statt. Dies liege an fehlenden technischen Fähigkeiten, einem geringen Gehalt und der damit einhergehenden Bestechungskultur, welche die „wenigen ausgebildeten und technisch kompetenten Ingenieure verprellt, die für die Implementierung eines landesweiten Überwachungssystems nötig wären“.

Nichtsdestotrotz konnte nachgewiesen werden, dass Polizei und Militär in Uganda, angeführt von Präsident Yoweri Museveni, mithilfe der Überwachungssoftware FinFisher gegen Oppositionelle vorgegangen sind. FinFisher sei dabei das „Rückgrat“ einer geheimen Operation namens „Fungua Macho“ (Öffne deine Augen) gewesen, um führende Oppositionsmitglieder, Aktivist_innen und Journalist_innen nach den Parlamentswahlen 2011 auszuspionieren.

… aber hohe Investitionen in Überwachungstechnologien

In den vergangenen Jahren investierte die ugandische Regierung vor allem in Videoüberwachungsanlagen und „Cyber-Verteidigung“. 2014 soll sie von Huawei ein Multi-Tracking System erhalten haben, im Februar 2015 wurden fast 10 Millionen Dollar für Überwachungsanlagen der chinesischen Firma ZTE ausgegeben. 2013 eröffnete in der Hauptstadt Kampala ein „forensisches Labor zur Analyse von Online-Verbrechen“, zudem wurde ein Computer Emergency Response Team gegründet, das „Cyber-Verbrechen“ untersuchen soll. Da Polizei und Sicherheitsbehörden allerdings nur rudimentäre Fähigkeiten zur Analyse von Geräten und Verfolgung von Online-Verbrechen haben, wird oftmals auf Hilfe aus der Privatwirtschaft zurückgegriffen.

2014 wurde von der nationalen Regulierungsbehörde für Telekommunikation ein Medien-Überwachungszentrum mit „Datensammlungs- und Überwachungsequipment“ eröffnet. Dieses ziele jedoch auf die Analyse öffentlicher Radio- und Fernsehsender sowie Printmedien, nicht auf private Kommunikation. Polizei und Regulierungsbehörde wollen durch ein neues Abkommen jedoch stärker bei der Verfolgung von Online-Verbrechen kooperieren.

Vor allem in Kampala wird in Videoüberwachungsanlagen investiert  CC BY 2.0 by  Jake Stimpson
Vor allem in Kampala wird in Videoüberwachungsanlagen investiert
CC BY 2.0 by Jake Stimpson

Die NGO Unwanted Witness, die an dem Länderprofil mitgearbeitet hat, hat 2014 den fast 50-seitigen Bericht „The Internet: They are coming for it too!“ (pdf) veröffentlicht, in dem es ausführlicher um Datenschutz, Zensur, e-Democracy und weitere Themen in Uganda geht. In ihrem Fazit schreibt die NGO:

Freedom of the internet in Uganda like other freedoms enjoyed offline such as freedoms of speech, expression, opinion, thought and assembly and access to information are clearly facing distress and continuously becoming eroded notwithstanding that they are protected by various legal instruments. The internet provides the unrestricted platforms for expression and speech to millions of citizens. Through these platforms, citizens, netizens, individual human rights activists, anti-corruption activists, and journalists, risk arbitrary arrest, intimidation, threats and politically-motivated criminal charges for expressing views deemed by public authorities too critical or divergent which views are facing censorship in the mainstream traditional media.

1 Ergänzungen

  1. „In den vergangenen Jahren investierte die ugandische Regierung vor allem in Videoüberwachungsanlagen und „Cyber-Verteidigung“.“

    Das und die Gesetze dazu klingen verdammt ähnlich zu dem, was im Westen / Norden / Industriestaaten passiert. Wahrscheinlich glaubt die Regierung, damit zu „internationalen Standards“ aufzuschießen …

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