Auch das zweite „Gemeinsame Kompetenz- und Dienstleistungszentrum“ (GKDZ) zur Telekommunikationsüberwachung nimmt Gestalt an. Dies geht aus einer Präsentation des sächsischen Innenministeriums hervor, die der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix im Berliner Senat verteilt hat. Demnach haben die beteiligten Bundesländer Brandenburg, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Berlin bereits einen Entwurf für einen Staatsvertrag abgestimmt. Unterzeichnet ist das Dokument allerdings noch nicht.
Ziel ist das „größtmögliche Zentralisieren“ der polizeilichen Überwachungsaufgaben. Jedoch soll es sich beim GKDZ nicht um eine polizeiliche Behörde handeln. Es entsteht als redundante Struktur mit Hauptsitz in Leipzig. Wegen der Ausfallsicherheit wird ein weiteres Zentrum in Dresden errichtet. Beide Anlagen werden als Cluster zusammengefasst. Zu den Aufgaben des Zentrums gehören außerdem Unterstützungsaufgaben wie die Beratung und Ausbildung von MitarbeiterInnen beteiligter Behörden.
Alle Formen der operativen Telekommunikationsüberwachung
Das GKDZ soll als „zentraler Dienstleister“ alle Formen der operativen Telekommunikationsüberwachung ausführen. Benannt werden diese nur vage. Aus der Präsentation geht hervor, dass Server zur Ausleitung von Daten abgehörter Telekommunikation von den Netzanbietern betrieben werden. Vermutlich übernehmen die Zentren aber auch Einsätze von Stillen SMS oder Trojaner-Programmen.
Das Überwachungsarsenal der GKDZ kann von den SachbearbeiterInnen vom PC-Arbeitsplatz angesteuert werden. Über Schnittstellen sind die Polizeibehörden der beteiligten Bundesländer angeschlossen. Auf diese Weise können Überwachungsaufträge bequem von der digitalen Vorgangsbearbeitung der Polizeidirektionen beauftragt und die Ergebnisse entgegengenommen werden. Dies betrifft sowohl Aufgaben zur Strafverfolgung als auch zur Gefahrenabwehr.
Die anfallenden Daten werden in den GKDZ als Kopie aufgehoben. Hierfür werden Server mit einer „Speicherfähigkeit im Petabyte-Bereich“ eingekauft. Sofern technisch möglich, sollen die Zentren auch die „Analyse verschlüsselter Kommunikation und ggf. deren Entschlüsselung“ besorgen. Welche technischen Werkzeuge hierfür genutzt werden, bleibt offen.
Beratung durch „Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum“
Zuerst hatte die Innenministerkonferenz von Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Bremen 2008 die Initiative zur Errichtung eines „TKÜ-Zentrums Nord“ beschlossen. Ziel der „gemeinsamen Überwachungszentren“ ist das Einsparen von Kosten. In der Präsentation des GKDZ in Leipzig und Dresden ist von erheblichen Einsparungen bei Bau- und Investitionskosten die Rede. Auch die Betriebskosten seien deutlich niedriger, wenn sich die Länder zusammentun. Die Finanzierung erfolgt anteilig nach dem Königsteiner Schlüssel. Im sächsischen Haushalt sind hierfür derzeit 4,2 Millionen Euro vorgesehen.
Der Aufbau des GKDZ erfolgte mithilfe von externer Beratung durch die ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH, die auch im Militärbereich regelmäßig Aufträge der Bundesregierung übernimmt. Ebenfalls beteiligt war das „Strategie- und Forschungszentrum Telekommunikation“ (SFZ TK), in dem das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei und das Bundesamt für Verfassungsschutz in einer „Kooperationsplattform“ organisiert sind.
Das SFZ TK residiert im „Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum” in Berlin-Treptow und beschäftigt sich mit zukünftigen Anforderungen an die Telekommunikationsüberwachung. Derzeit forschen die beteiligten Behörden zum Datensammeln in Sozialen Netzwerken und zum Abhören von Cloud-Computing.
Nach „Feinplanungen“ kommt der Probebetrieb
Die rechtliche Grundlage des Zentrums bildet der Staatsvertrag zwischen den beteiligten Bundesländern, der Betrieb erfolgt nach sächsischem Landesrecht. Ein Verwaltungsrat entscheidet über die grundsätzliche Ausrichtung, die fünf Bundesländer entsenden hierzu je eineN VertreterIn. In Grundsatzfragen müssen einstimmige Beschlüsse gefasst werden.
Als nächster Schritt steht die „Kabinetts- und Parlamentsbefassung“ der beteiligten Bundesländer an. Ein gemeinsamer Aufbaustab bereitet derweil die Umsetzung vor. Hierzu gehört auch die Ausarbeitung einer Satzung und Geschäftsordnung sowie der Abschluss von Verträgen zur Datenverarbeitung mit den Netzanbietern. Nach einigen „Feinplanungen“ soll das GKDZ ab August 2017 in den Probebetrieb gehen, der Wirkbetrieb wird für April 2018 angekündigt.
Mal abwarten, wie die Rechtfertigung und Verharmlosung dieses Überwachungsmolochs durch das Gutachten von Prof. Dr. Dirk Heckmann aussieht: https://fragdenstaat.de/anfrage/rechtsgutachten-zum-gemeinsamen-kompetenz-und-dienstleistungszentrum-gkdz-zur-telekomunnikationsuberwachung/
Mir scheint das auch aus Datenschutzgründen gar nicht so eine schlechte Sache zu sein. Es ist doch viel schwieriger viele verteilte Polizeidienststellen zu kontrollieren, bei denen die zuständigen „Telefonüberwacher“ dann auch nur höchstens gesundes Halbwissen in Datenschutzfragen haben als bei ein paar zentralen Stellen mit „Profis“. Ich gehe mal davon aus, dass die Leute dort dann entsprechend eingewiesen werden, nichts anderes machen (entsprechend sammeln sie Expertenwisssen an) und regelmäßig Datenschutzfortbildungen besuchen müssen. Dazu kommt dass man, wenn man das professioneller betreibt auch leichter Prozesse implementieren kann, die eine gesetzeskonforme Handhabung der Überwachung gewährleisten.
Es KANN also letztlich für den Bürger auch eine positive Entwicklung sein – sofern eben auch Ressourcen für eine Kontrolle bereitgestellt werden und der Datenschutz von Anfang an ein Schwerpunkt der Betrachtung ist.
Das Grundübel der Überwachung bleibt dabei aber freilich erhalten – aber das ist ja letztlich eine andere Frage.