Netzpolitischer Wochenrückblick 8/2014

Diesen Rückblick gibt es auch zum Hören. Möglich wird das durch Tim Thaler und bln.fm, dafür ein großes Dankeschön!

Hallo liebe Leser- und Hörerschaft, an dieser Stelle wie immer freitags: Der Wochenrückblick.

Gleich nach Veröffentlichung des letzten Rückblicks erreichte uns die Nachricht: Unser ehemaliger Bundesinnenminister, dann Agrarminister, Hans-Peter Friedrich ist im Zuge der Edathy-Affäre zurückgetreten. Traurig sind wir nicht gerade, aber es ist auch klar, dass uns sein politisches Erbe noch eine Weile erhalten bleiben wird. Er hatte sich zum Beispiel für die grenzübergreifende polizeiliche Nutzung von Ein- und Ausreisedaten eingesetzt, die von der EU-Kommission gerade im „Maßnahmenpaket intelligente Grenzen“ umgesetzt wird. Ursprünglich zur Ermittlung von „Over-Stayern“ geplant, die sich zu lange in einem anderen Land aufhalten, soll diese Riesen-Vorratsdatenspeicherung gleichzeitig „zur Verhütung und Verfolgung terroristischer und sonstiger schwerwiegender Straftaten genutzt werden“ – sonst lohne sich die Investition nicht.

Auch im Zeichen europäischer Zusammenarbeit ist Kanzlerin Merkel mit einem Großteil ihres Kabinetts nach Paris gereist. In ihrem Podcast hatte sie zuvor etwas vom Aufbau von “europäischen Kommunikationsnetzwerken“ erzählt und wir haben bereits vermutet, nach Schland-Net soll jetzt Schengen-Net kommen, damit E-Mails beim Verschicken nicht erst über den Atlantik geroutet werden müssen. Bei dem Treffen wurde dann eine gemeinsame Erklärung Deutschlands und Frankreichs verfasst, in der es um Pläne geht, Vorschläge für eine europäische Regulierung der wichtigsten Internet-Plattformen vorzulegen, die Geheimdienstzusammenarbeit zu verstärken, Grundlagen für verstärkte Grenzkontrollen zu schaffen und im Bereich Sicherheitssysteme technologisch zusammenzuarbeiten. Welch großartige Zukunftsaussichten!

Wo wir gerade bei Zusammenarbeit und Vernetzung sind: In Sachen Europa heißt das Thema des Tages wieder einmal: Netzneutralität retten! Abgeordnete kontaktieren und Infovideos verbreiten! Am besten jetzt gleich!

Bei der Netzneutralität gibt es auch in den USA wieder ein Fünkchen Hoffnung: Eigentlich hatte ja der ISP Verizon seine Klage gegen die Federal Communications Commission schon gewonnen und muss nun deren Leitlinien zu Netzneutralität nicht mehr befolgen. Die FCC hat mittlerweile angekündigt, zwar keinen Einspruch gegen das Urteil einlegen zu wollen, sondern ihre Richtlinien neu aufzulegen, damit auch Provider, die nur Internetzugänge anbieten, in Zukunft unter die Regelung fallen und nicht mehr nach Gutdünken „Premiumdienste“ anbieten und den Datenverkehr drosseln dürfen.

Nun zur Dauerkategorie NSA, GCHQ und Edward Snowden: Enthüllung der Woche war die Angriffsstategie ANTICRISIS GIRL, mit der Wikileaks von GCHQ attackiert wurde. Dabei wurden nicht nur die Mitglieder von Wikileaks überwacht, sondern auch jeder Besucher der Webseite getrackt. Außerdem wurde bekannt, dass Wikileaks von der NSA als „böswilliger auswärtiger Akteur“ eingestuft wurde – ein Definitionstrick, der erlaubt, auch die Kommunikation von US-Personen mit der Plattform überwachen zu dürfen. Zuletzt wurde Wikileaks auch noch auf die „Manhunting“-Liste 2010 gesetzt. Dabei forderten die USA 10 verbündete Staaten auf, in ihren Ländern Anklagen gegen Julian Assange zu erheben. Auch Deutschland war in der Aufzählung dabei.

Edward Snowden wurde für seine Dienste gewürdigt, diesmal von Studenten aus Glasgow, die ihn zum Rektor ihrer Universität wählten. Ein gutes Signal dafür, dass auch die Wissenschaft von Massenüberwachung in ihrer Freiheit bedroht wird und man mutige Opponenten gegen solche Praktiken braucht. Eine weitere Auszeichnung, der Sam Adams Award für Integrität im Umfeld von Nachrichtendiensten, ging an Chelsea Manning. Wir gratulieren! Nicht erfreulich finden wir aber in diesem Zusammenhang, dass die Anwältin Jesselyn Radack, die unter anderem Edward Snowden vertritt, bei ihrer Reise nach London zur Verleihung des Preises einer unangenehmen und einschüchternden Befragung durch einen Grenzbeamten unterzogen wurde. Es ging unter anderem darum, warum sie in den letzten drei Monaten zwei Mal nach Russland gereist war. Das zielte ganz eindeutig darauf ab ihr zu zeigen, dass man genau im Blick hat, wann sie Edward Snowden aufsucht.

Gestern hat die Nachricht für Furore gesorgt, dass Facebook den Kurznachrichtendienst WhatsApp für 13 Milliarden Euro gekauft hat. Eine ziemlich teure Datenkraken-Hochzeit. Wir finden es wird höchste Zeit, endlich auszusteigen und haben ein paar Empfehlungen für datenschutzfreundlichere Alternativen zusammengetragen. Es lohnt sich auch ein Blick in die Kommentare des Artikels, da gibt es neben weiteren Alternativen auch viele Argumente Pro und Contra die Vorschläge.

Habt ihr eigentlich schon Pläne, was ihr am Wochenende machen wollt? Wer gerade beim Blick aus dem Fenster das gleiche verregnete Panorama sieht wie wir, dem empfehlen wir, sich unser Buch zum NSA-Skandal vorzunehmen, das wir jetzt in digitaler Form verschenken! Und wer uns unterstützen will oder Totholz fürs Regal bevorzugt, kann sich gerne noch die Printausgabe zulegen – solange der Vorrat reicht.

Viel Spaß und ein unüberwachtes Wochenende aus Berlin!

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

0 Ergänzungen

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.