EuGH legt Zensur-Grundlagen: Netzsperren bei Urheberrechtsverstößen zulässig

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute entschieden, dass Netzsperren zulässig sein können. Das Urteil bezog sich darauf, dass ein Provider den Zugriff auf Seiten sperren darf und auch dazu verpflichtet werden kann, die urheberrechtsverletzende Inhalte anbieten, da er sonst eine Rechtsverletzung ermöglichen würde. Ausgangspunkt war ein österreichischer Fall, bei dem das Filmunternehmen Constantin geklagt hatte, um einen Provider dazu zu veranlassen, das Streamingportal kino.to zu sperren.

Schon im November war abzusehen, dass das heutige Urteil so kommen würde, denn Pedro Cruz Villalón, der zuständige Generalanwalt des EuGH, hat in seinen Schlussanträgen zum diesem Fall (UPC Telekabel Wien GmbH / Constantin Film Verleih und Wega Filmproduktionsgesellschaft, C-314/12) befunden, Netzsperren könnten in bestimmten Fällen ein angemessenes Mittel zum Schutz von Urheberrechten seien. Diese Äußerung gilt als Vorab-Urteil, da der Gerichtshof in der Regel der Argumentation des Generalanwalts folgt.

Das Urteil birgt das Risiko, als Muster für die Durchsetzung weiterer Sperren zu wirken, die leicht zur Zensur für unliebsame Inhalte werden könnten – seien es als extremistisch angesehene und pornographische Inhalte oder Dinge wie Online-Glücksspiele. Das Urteil ist ein Rückschritt, denn viel sinnvoller wäre es, Seiten mit rechtswidrigen Inhalten stattdessen zu löschen. Erst kürzlich hat eine Studie gezeigt, dass dies auf dem Gebiet der Kinderpornographie eine sehr wirksame Maßnahme ist.

Außerdem wird eine Sperrung der Inhalte nie vollkommen den Zugriff auf eine Seite verhindern sondern lediglich für technisch weniger bewandte Nutzer erschweren können. Das kann man an der aktuellen Diskussion um die Twitter-Blockade in der Türkei gut beobachten. Statt durch solche Entscheidungen eine unzeitgemäße Copyrightpolitik zu zementieren wäre es sinnvoller, nach vorn zu schauen und neue Geschäftsmodelle zu schaffen, die nicht auf Abmahnungen und Restriktionen aufbauen.

Was kann man jetzt noch tun, außer zu hoffen, dass das, was rechtlich zulässig ist, nicht auch umgesetzt werden muss? Die nächste konkrete Möglichkeit das Urteil unwirksam zu machen bietet sich am 3. April, wenn im Europaparlament final über die  EU-Telekommunikations-Verordnung abgestimmt wird. Denn wenn dort ein Gesetzesentwurf verabschiedet wird, in dem Netzsperren im Allgemeinen verboten werden, wird das heutige Urteil nicht zum weiteren Einsatz kommen können. Also: Parlamentarier kontaktieren! Es sind nur noch 7 Tage Zeit!

16 Ergänzungen

  1. Das ist halt die Panik, die durch das länderübergreifende Netz entsteht, wo plötzlich alle möglichen Rechtsordnungen kollidieren.
    Was in Land X legal ist, ist in Land Y illegal.
    Land Y kann daher schlecht das aus seiner Sicht illegale Angebot angehen.
    Aus der Verzweiflung, irgendetwas tun zu müssen – schon alleine um das Gefühl der eigenen Gestaltungsmacht aufrechtzuerhalten – wird dann auf eine zwar reichlich unwirksame, aber dennoch gefährliche Methode zurückgegriffen.
    Das wird uns noch eine Weile beschäftigen. Bis wir eine echte Weltgemeinschaft haben. Das kann dauern.

  2. Bitte nur kurz ergänzen: Haben die Juristen sich deutlicher ausgedrückt?
    Meinten die DNS-Sperren? Oder haben die de Fakto die Deep-Paket-Inspection nicht nur erlaubt sondern vorgeschrieben?
    Muss der Provider den Download auch dann unterbinden, wenn der Kunde eine VPN-Leitung zu einem ausländischen Endpunkt verwendet? Darf der Provider den Traffic dann noch durchlassen, wenn er vermutet dass man VPN nutzt, um einen ausländischen Videoclip zu sehen, bei dem sich GEMA und Youtube nicht geeinigt haben.
    Wie weit haben die Juristen in technischen Dimensionen denn nun nachgedacht?
    Urheberschutz recht und gut. Angesichts dessen, dass alles per Bits transportiert wird, ist die Aufgabe eine Grenze zwischen übertrieben ausgelegtem Urheberschutz und Aushöhlung der Privatsphäre zu ziehen, eine juristisch-gesellschaftliche Aufgabe und keine technisch eindeutige. Da müssen die Gesetzgeber und Gerichte schon klar sprechen, was sie meinen.

    Nur eine DNS-Sperre einzufordern wäre doch eine lächerliche Verkennung der Aufgabengröße.

  3. Das Urteil birgt das Risiko, als Muster für die Durchsetzung weiterer Sperren zu wirken, die leicht zur Zensur für unliebsame Inhalte werden könnten […]

    Und das ist gar nicht so weit hergeholt. Wie sich das Urheberrecht missbrauchen lässt, um Meinungs- und Informationsfreiheit zu behindern, zeigte im Ansatz die Vorgehensweise des BMI gegen FragDenStaat.

  4. na endlich! dann kann ja die grosse sperrerei endlich losgehen. irgenwas wird sich schon finden auf einer webseite. wie, das bild ist nicht gekennzeichnet mit urhebervermerk, da ist ein zitat nicht gekennzeichnet?? das tut uns aber leid dass sie jetzt aus dem netz fliegen…..wie meinen sie das, 150 millionen umsatzeinbuße……wie gesagt, tut uns leid. aber die grosse EU hats befohlen.

  5. Eine Meldung der oberen Göttlichkeit, zum Wohle des blauen Ganzen, dem EU-Volke

    NetzPolitik und Co. werden nach und nach dank der marxistisch besetzten Junta namens EUGH wegrasiert.

    Keine “ordentlich” gekennzeichneten Zitate, Verwendung von Informationen und Zitaten deren Kausalität nicht im Kontext passen könnte, und dies daraus ableitend einen Urheberrechtsverstoß darstellt und so weiter und sofort… Der Politik’s Fantasiegrenzen sind nun keine Grenzen mehr gesetzt…

    EuGH legt Zensur-Grundlagen: Netzsperren gegen Webseiten bei “Urheberrechtsverstößen” zulässig

    https://netzpolitik.org/2014/eugh-legt-zensur-grundlagen-netzsperren-bei-urheberrechtsverstoessen-zulaessig/

  6. dann brauchen wir uns um das urteil in sachen VDS keine gedanken mehr machen…..das gibt dann einen erneuten orgasmus für die schwarze pest

  7. Demnächst beim europäischen Gerichtshof: Autobahnbetreiber müssen Ausfahrten sperren, wenn sie zu Örtlichkeiten führen, in denen illegales Treiben vermutet wird.

    Freuen wir uns also auf die zensierte Autobahn, die uns nur noch dahin bringt, wo wir der Obrigkeit gefallen.

  8. Nur mal so ganz nebenbei und natürlich absolut nebensächlich gefragt: Welche demokratische und verfassungsgemäße Legitimation hat eigentlich dieses Gericht?

  9. Nazis, Terroristen, selbst Kipo hat es nicht geschafft. Da muss erst das Urheberrecht daherkommen, dass eine Zensurinfrastruktur salonfähig gemacht wird. Wenn es nicht so traurig wäre könnte man glatt drüber lachen.
    Löschen statt sperren ist halt nicht bis zur EU durchgekommen.
    Naja, alles im allem nur ein weitere Sargnagel für die Demokratie. Aber man ist ja paranoider Spinner der übertreibt, bis es wieder zu spät ist.

  10. Nur mal zur Klarstellung: Meines Erachtens hätte der EuGH sehr wohl anders entscheiden können, indem er u.a. die Haftungsfreistellung für Accessprovider der E-Commerce-RL in die ABwägung einbezogen hätte.

    Andererseits hat er lediglich gesetzes Recht ausgelegt und da ist weniger ihm ein Vorwurf zu machen als dem Richtliniengeber seinerzeit, der die se unseeligen Bestimmungen auf Druck der Rechteinhaberlobby geschaffen hat.

    Gefordert ist nunmehr der europäische RL-Geber, an den sich alle Institutionen und Verbände wenden sollten, um diesen schwarzen Tag schnell vergessen zu machen.

    LG A.

  11. Ich hab dazu auch grade einen Blogeintrag verfasst – nicht so juristisch sondern nur einmal menschlich überlegt – hier eine zwar absurde, aber dennoch passende Analogie, die ich Euch nicht vorenthalten will:

    Wenn ein Wirt ohne der Gema einen Cent zu zahlen, in seinem Restaurant Musik abspielt. Muss dann dem Straßenerhalter, also z.B. die Stadt, den Straßenabschnitt sperren, damit keine Leute mehr hingehen können? Und des Weiteren, ist besagter Straßenerhalter dann Mitverantwortlich?

    Hier der Artikel für alle, die es interessiert.

  12. Hab die Dödel bei EuGh und Constantin Film und die andere Firma da Wega oder so mal angeschrieben und die mal aufgeklärt dass die Seite kino.to schon seit zig Monaten gesperrt ist :D Und falls die kinox.to meinen & Co. meinen dass diese ja gar keine Files anbieten sondern nur Links ! Und die Filme auf legalen Seiten sprich Movie Hostern sich befinden
    http://www.filehoster.info/videoportale

    Ebenfalls war das seit jeher legal mit den Streamen – siehe
    http://www.gesetze-im-internet.de/urhg/__44a.html

    Auch die Rentner AKA unsere Regierung haben das offen zugegeben
    https://www.google.de/search?q=regierung+streaming+legal

    Außerdem: Wie wollen die das kontrollieren – IP oder DNS Sperre ? Das hat schon bei Kinderpörnchen 2009 nicht geklappt – Stichwort VPN / Proxy / Tor.

    Bin auf deren Antwort mal gespannt *Hände reib*Schadenfreude Grinsen aufsetz*

    1. Außerdem: Wie wollen die das kontrollieren – IP oder DNS Sperre ? Das hat schon bei Kinderpörnchen 2009 nicht geklappt – Stichwort VPN / Proxy / Tor.

      Genau so ist es! Darum ist ja auch die VDS so absurd. Jeder der unbeobachtet kommunizieren möchte, egal aus welchem Grund, wird dies mit ein wenig technischem Sachverstand auch weiterhin können. Und wer Straftaten plant, gegen die ja die VDS angeblich zielt, wird diesen Sachverstand natürlich haben.

      Und natürlich wissen dies auch unsere Politiker. Sie brauchen nur eine gute Ausrede, die bei einigem im Volk greift.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.